Grobgliederung dieses Threads

 

Theodizeeproblem mit Exkurs Willensfreiheit (Weiteres 5.Thread)

 

Anhang: Diktat der Geburt - Trost - Suizid 

 

 

Gottesglaube

 

Anhang: Das Buch der 24 Philosophen (Gottesdefinitionen) 

 

Anhang: Wider den Atheismus  

 

 Theodizeeproblem,Willensfreiheit

 

 

 

 

 

 

Die Theodizeefrage - ein Scheinproblem 

 

Abstract: 

Gott lässt die Übel/das Böse nicht erst zu, sondern ermöglicht sie. Denn nichts geschieht, ohne dass die Möglichkeit dazu besteht.Da aber Gott alles „geschaffen“ hat, alles voraussieht und das Beste „will“, hat er auch die Möglichkeit der Übel/des Bösen geschaffen und dessen Eintritt vorausgesehen und gebilligt. Dazu gab es für ihn keinen Grund, denn da Gott alles „geschaffen“ hat, hat er auch  Gründe erst geschaffen und hatte dabei also selbst keinen Grund.

Das ist durchaus keine negative Sicht auf Gott. Denn die Übel/das Böse sind nicht in der Natur, sondern es handelt sich um  Wertungen des Menschen, denen ein Gegensatzdenken zugrunde liegt. Auch dieses Denken und Werten hat Gott „geschaffen“, denkt und wertet also selbst nicht.Letztlich hat er auch das Sein und Nichtsein „geschaffen“ und ist selbst über diesen Gegensatz erhaben. Wir können also die uns von Gott gegebene Wertung als übel/böse nicht auf Gott übertragen, weder in dem Sinne, dass sie auch für Gott gilt, noch in dem Sinne, dass die Geltung für uns einer negativen Bewertung unterliegt:

„Wo warst du, da ich die Erde gründete? Sage mirs, bist du so klug? Weißt du, wer ihr das Maß gesetzt hat? Oder wer über sie eine Richtschnur gezogen hat?“ (Hiob 38.4-6)

 

Gott hat keine Antwort, er ist sie!

Gott unterliegt keinen Gründen, er ist der letzte Grund.

 

Im übrigen: Gäbe es nicht -1, gäbe es auch nicht +1, sondern lediglich 1. Gäbe es kein Leid, gäbe es auch keine Freude, sondern lediglich Gefühl! 

 


 

 

Gliederung:

 

I Die Problemstellung

 1) Das Wort

 2) Formulierung des Problems

     a) Epikur

     b) Sextus Empiricus

     c) Augustinus

     d) Albert Camus

     e) David Hume

 3) Arten der Übel

     a) natürliche

     b) moralische

     c) metaphysische

     d) strukturelle

     e) theologische

         Georg Büchner

         Arthur Schopenhauer

         Fjodor M. Dostojewski

         Romano Guardini

  4) "Fels des Atheismus"

 

II Bisherige Lösungsversuche

  1) Laktanz

  2) Heraklit

  3) Sophokles

  4) Platon

  5) Aischylos

  6) Aristoteles

  7) Chrysipp

  8) Sextus Empiricus

  9) Die Bibel

10) Jesus

11) Augustinus  

      - Exkurs: Willensfreiheit -Scheinproblem -  

     I Problemstellung

    II logischer Aspekt

   III empirischer

   IV theologischer

    V erkenntnistheoretischer

   VI erkenntnispsychologischer

  VII ethischer

      - Ende des Exkurses -  

 

12) Thomas v. Aquin

13) Meister Eckhart

14) Nikolaus v. Kues

15) Martin Luther

16) Gottfried Wilhelm Leibnitz

17) Pierre Bayle 

18) David Hume

19) Voltaire

20) Jean Jaques Rousseaui

21) Immanuel Kant  

22) Novalis

23) Johann Wolfgang Goethe

24) Stendhal

25) Heinrich Heine 

26) Sören Kierkegaard

27) Arthur Schopenhauer

28) Friedrich Nietzsche

29) Oscar Wilde

30) Sigmund Freud

31) C.G. Jung

32) Christian Morgenstern

33) Gilbert K. Chesterton

34) Hermann Hesse

35) Joseph Wittig

36) Franz Kafka

37) Dietrich Bonhoefer

38) KZ-Graffito

39) Hans Jonas

40) Theodor Adorno

41) Georges Bataille

42) Marvin Minsky

43) Teilhard de Chardin 

44) Karl Barth

44) Karl Rahner

46) Albert Camus 

47) Hans Urs von Balthasar

48) John Hick

49) wolfgang Pannenberg 

50) Peter Knauer 

51) Papst Benedikt XVI

52) Magnus Striet

53) Thomas Gerlach

54) Klaus Berger 

 

 

III Eigene Perspektiven

   1) Scheinproblem

       a) Allmacht

       b) Güte

       c) Grund

          aa) nicht für Tranzendenz 

          bb) nicht für das Sein

          cc) nur in der Zeit

          dd) selbstbezüglich

          ee) gegensatzbedingt

          ff) fehlende Metaebene

          gg) kontingent

      d) Frageumstellung

   2) evolutionsbiologischer Aspekt

   3) begrifflicher

      a) Allmacht

      b) Güte

  4) semantischer

  5) logischer

     a) formallogischer

     b) systemlogischer

  6) erkenntnistheoretischer

  7) ontologischer

  8) schöpfungsgeschichtlicher

  9) Liebe Gottes  

10) Zusammenfassung

       1) Güte

       2) Allmacht

       3) Gott durch Gründe nicht überbestimmt

     Ergebnis  

 

Weitere Gedankensplitter

 

Anhang: Diktat der Geburt 

          

     

I Die Problemstellung

 

Der HErr ist allmächtig.

Der HErr ist Güte und Liebe.

Schreckliche Dinge geschehen täglich.


 

Es lassen sich immer nur zwei dieser drei Aussagen logisch miteinander vereinbaren.



1) Das Wort „Theodizee“ hat Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716) – siehe unten – geprägt. Es bedeutet, wörtlich aus dem Griechischen übersetzt, „Anklage Gottes“ (griechisch: θεοῦ δίκη ).

2 ) a) Das Problem hat Epikur (341-270 vor Christi Geburt) nach Laktanz(De ira Dei) wie folgt formuliert:

„...deus inquit, aut uult tollere mala et non potest, aut potest et non uult, aut neque uult neque potest, aut et uult et potest.si uult et non potest, inbecillis est, quod in deum non cadit. si potest et non uult, inuidus, quod aeque alienum a deo. si neque uult neque potest, et inuidus et inbecillis est ,ideo nec deus, si et uult et potest, quod solum deo conuenit, unde ergo sunt mala? aut cur illa non tollit?“

„Entweder will Gott die Übel beseitigen und kann es nicht: dann ist Gott schwach, was auf ihn nicht zu trifft. Oder er kann es und will es nicht: dann ist Gott missgünstig, was ihm fremd ist. Oder er will es nicht und kann es nicht: dann ist er schwach und missgünstig zugleich, also nicht Gott. Oder er will es und kann es, was allein für Gott ziemt: Woher kommen dann die Übel, und warum nimmt er sie nicht hinweg?“

Da aber Gott in seiner Allmächtigkeit auch die Übel geschaffen hat


( Jes.45.7; Jer.45.5; Ps.88.7; Kl.3.36,37,38; Spr,16.4; Am3.6;Sach.3.1; Hiob1.6,2.1; Mat5.45; 10.29; Luk.12.6; 1.Kor. 4.7; Rö.5,13;8.20,22; Off 13,7 ),

ist bereits zu fragen: Warum hat er trotz seiner Güte die Übel überhaupt geschaffen?


 

b) Sextus Empiricus ( 2. Jh. v. Chr. ) hat das Dilemma so beschrieben:

 

„Die, welche positiv behaupten, Gott existiere, machen sich zwangsläufig eines Frevels schuldig. Denn wenn Sie sagen, Gott beherrsche alles, dann machen sie ihn auch zum Schöpfer des Bösen; wenn sie dagegen sagen, Gott herrsche nur über manches oder über gar nichts, dann stellen sie Gott unweigerlich als widerwillig oder machtlos hin, und das ist ganz offensichtlich Gotteslästerung.“

 

    c) Augustinus ( 245 – 430 ) hat sich gefragt:„ Movet autem animum, si peccata ex his animabus sunt, quas Deus creavit,illae autem animae ex Deo; quomodo non, parvo intervallo, peccata referentur in Deum.“
    „Folgende Frage aber bewegt mein Gemüt: Wenn die Sünden aus der Seele kommen, die Gott geschaffen hat, jene Seelen aber aus Gott kommen: Wieso fallen dann die Sünden nicht mittelbar auf Gott zurück?“( De libero arbitrio I, §4 ).

     
    d) Albert Camus ( 1885-1968) hat das Problem knapper gefasst: “Entweder ist Gott gut, dann ist er nicht allmächtig; oder aber er ist allmächtig, dann ist er nicht gut.“

    e) David Hume (1711-1776) hatte sich wie folgt ausgedrückt: „Sofern das Böse in der Welt zu Gottes Plan gehört und er es toleriert“ - und, wie ausgeführt, geschaffen hat - „, kann er nicht gut sein;läuft es aber seinem Plan zuwider, ist er nicht allmächtig.Er kann nicht, wie die meisten Religionen es behaupten, zugleich gut und allmächtig sein.“


    3) Die Übel werden traditionell (die ersten beiden durch Augustinus ) wie folgt eingeteilt:

    a)malum phyiscum, natürliches Übel : Lebewesen täuschen einander und fressen sich gegenseitig auf ; Naturkatastrophen treffen Unschuldige; Unvollkommenheiten in der unbelebten und in der belebten Natur, insbesondere Krankheiten, Missbildungen und Irrtümer;

    b)malum morale, moralisches Übel: das sittlich Schlechte oder das Böse;

    c) malum metaphysicum, metaphysisches Übel: die Struktur des Seins als endlich und beschränkt;
    Beispiele:

Josef Kardinal Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI , stellte nach einem gemeinsam mit seinem Bruder unternommenen Besuch im Naturhistorischen Museum in Wien fest: “Wir waren bestürzt über so viel Schreckliches in der Natur.“ ( Josef Helmut Reichholf, Biologe, in „Bild der Wissenschaft“, 9/2007,„Schöpfung: mangelhaft!“).Was hatte er gesehen?

 

„Da klettert in einer spätsommerlichen Wiese eine dicke Ameise am Grashalm hoch, dreht sich kurz unterhalb der Spitze um und fängt an, mit dem Hinterleib auf und ab zu wippen. Was wie eine Ameise aussieht, ist jedoch das Larvenstadium einer Wanze. Sie ahmt die Ameisenform täuschend ähnlich nach. Dennoch ist ihr Verhalten unnormal. Ausgelöst wird es nämlich von einem fadendünnen, über fünf Zentimeter langen Wurm,der den ganzen Hinterleib der Wanze ausfüllt und ausgefressen hat. Das auffällige Wippen macht kleine Singvögel neugierig. Sie verzehren die süßlich schmeckende Wanze und nehmen damit den Wurm auf, für den sie so zum Überträger werden. „Rotrückiger Irrwisch“ heißt diese Wanzenart, weil sie sich ihren Feinden behände zu entziehen weiß. Nicht so die vom Wurm parasitierte Larve: Sie bietet sich geradezu an, gefressen zu werden. Schön intelligent – im Sinne des Wurms!

Ähnliches verursacht ein ganz anderer Parasit aus der Gruppe der Saugwürmer im „Fühler“ von Bernsteinschnecken. Er lässt den Augenstiel anschwellen und pulsieren, was wiederum Singvögel anlockt.

Raffiniert wirken solche durch parasitische Verführungen verursachten „Umprogrammierungen“allemal. Doch was wird sich der intelligente Designer dabei gedacht haben, als er derartiges auf  die Bahn brachte?

Gar nicht raffiniert, sondern eklig ist es, wenn die Larven bestimmter Fliegen anderer Arten Nase, Stirn und Augen zerfressen oder wenn rundliche  Köpfe „süßer“ Kaninchen von Myxor.. so entstellt werden, dass die armen Tiere verschwellen,torkeln und elend zugrundegehen...

Wie lassen sich weiter die Millionen ausgestorbenen.., die vielen erdgeschichtlichen Großkatastrophen, Meteoriteneinschläge, Vulkanausbrüche, Überflutungen und

Kontinentalverschiebungen mit einem intelligenten Plan vereinbaren..“(Reichholf a.a.O.)

 

„Man gehe nur einmal durch das Naturhistorische Museum – und Gott ist ebenso nahe wie fern. Es ist unmöglich, ihm vor dieser unübersehbaren Gestaltenwelt, dieser entsetzlichen Fülle der Erfindungen zu leugnen.... Der schönste Vogel hascht im Fluge den schönsten Schmetterling; er pflückt die Schwingen ab und lässt sie dahinwehen und verschlingt den zarten Leib, der sich für seine kurze Dauer mit ein wenig Nektar begnügte und schutzlos das Farbenspiel der Flügel, ein Blitz aus den Händen des Vaters, an die Welt verschenkte.... Und das Antlitz des Vaters? Das ist ganz unfassbar.... Die Bewunderung der Zweckmäßigkeit, mit der ein Tier zur Vernichtung des anderen ausgestaltet ist,... grenzt an Verzweiflung.... Das Leben ist bereit, einen jeden seiner Werte der Sinnlosigkeit in den aufgesperrten Rachen zu werfen....“(Reinhold Schneider)

"Bäume stechen sich schon gegenseitig aus, um zu überleben. Und mit welchen Strategien, ist manchmal wirklich haarsträubend. Es gibt zum Beispiel Schmarotzer wie den Sandelholzbaum, der an seinen Wurzeln kleine Saugnäpfe hat, mit denen er anderen Bäumen die Nährstoffe abzapft. Die Würgefeige erwürgt andere Bäume richtiggehend, um anschließend ihren Platz einzunehmen. Tamarisken trocknen durch eine Art eigenes Streusalz die Böden aus und machen ihre Umgebung damit für andere Bäume unbewohnbar." (Markus Bennemann  im RND-Interview)


 

Die Liste läßt sich beliebig fortsetzen. Man denke an die Konstruktionsfehler bei Lebewesen:

Wale und Robben sind farbenblind. Walrosse steigen immer wieder auf Klippen, um sich dann von dort herdenweise in den Tod zu stürzen. Pottwale tauchen immer wieder in die Tiefen des Meeres, um sich dort auf lebensgefährliche Kämpfe mit den Riesenkraken einzulassen, obwohl sie ihren Eiweißbedarf auch über Fische decken könnten.Zahnwale verlieren in der Tiefe des Meeres ihre sexuelle Orientierung. Die Giraffe bekam durch die Evolution meterlange Beine und einen noch längeren Hals,was weit mehr Nachteile als Vorteile mit sich bringt. Der Gepard wird durch die Schnelligkeit bei seiner Beutejagd so ausgepumpt, dass ihm die Beute durch Hyänen und andere  Räuber wieder weggeschnappt wird.Der Albatros erreicht eine Flügelspannweite von über drei Metern, so dass er es oft nicht schafft, sich vom Boden abzuheben, und wenn er es geschafft hat, über eine halbe Stunde lang sein rasendes Herz zur Ruhe kommen lassen muss und oft nur eine Sturzlandung schafft, bei der er sich die Knochen bricht. Hummeln müssen wegen ihres Gewichtes ihre Flugziele genau kalkulieren.Dennoch fliegen sie auch im Spätsommer noch Silberlinden an, obwohl sie dort nicht mehr genug Nektar für ihren hohen Energiebedarf vorfinden und daher verhungern.Pinguine unternehmen überflüssige Wanderungen, so dass sie verhungern. Koala-Bären verhungern, weil sie nur eine ganz bestimmte Eukalyptus-Art fressen und 20 Stunden pro Tag schlafen müssen. Panda-Bären vernachlässigen ihren Sexualtrieb,so dass sie aussterben. Elche gieren nach Fruchtalkohol und gefährden  sich dadurch.(Beispiele nach Jörg Zittlau)

 

Cryptostylis-Orchideen imitieren weibliche Wespen derart perfekt, dass die Männchen  mit der Blüte kopulieren und Sperma hinterlassen. Andere (Spiegel- Ragwurz) ahmen mit ihren Blüten das Äußere und den Duft von Dolchwespenweibchen nach, um Männchen dieser Art anzulocken. Ein afrikanischer Wildhund („Hyänenhund“) hetzt sein Beutetier bis zur Erschöpfung und zerreißt es dann ohne Tötungsbiss. Der Bienenwolf lähmt die Honigbiene mit einem Stich in den Vorderkörper, presst den Hinterleib der Biene aus und trinkt den aus dem Rüssel sickernden Nektar. Regenwürmer kriechen bei Regen aus der Erde, weil die Regentropfen Erschütterungen erzeugen, die die Würmer dahin falsch deuten, Maulwürfe nahten. Ein Berggorilla bringt, wenn er einen neuen „Harem“ übernimmt, alle Jungtiere unter drei Jahren um, damit die Weibchen sofort wieder empfängnisbereit werden.

Alpensteinhähne hacken Alpensteinhennen und -kücken unvorhersehbar, grundlos tot.

„ Nicht genug, dass Atemeles deren Ameisenpuppen und -larven verspeist. Er lässt sich von seinem unfreiwilligen Wirt auch noch bis an den reich gedeckten Tisch transportieren...ist es ihm gelungen, den Geheimcode der „Ameisensprache“ zu knacken. Mit diesem Wissen spaziert der schwarze Käfer seelenruhig in das Ameisennest hinein...Trifft Atemeles auf eine Ameise, betrillert er zunächst mit seinen Fühlern im feinsten Ameisen-Esperanto den Körper der Arbeiterin. Wendet sich die derart Angesprochene ihm zu, hebt der Käfer sein Hinterteil, um seinen letzten Trumpf auszuspielen: eine Drüse, die ein Beruhigungsmittel produziert. Dargereicht als mundgerechtes Sekret, wird der Tranquillizer umgehend von der Ameise aufgeleckt. Während die so Besänftigte in eine “Peace,please“-Stimmung verfällt, geht Atemeles zum dritten Teil seines Täuschungsmanövers über. Dabei präsentiert er der Ameise seine Adoptionsdrüsen an den Körperflanken. Diese verströmen ein Pheromon, welches den von der Ameisenbrut abgegebenen Duftstoffen ähnelt. Das fein komponierte Plagiat raubt der Ameise den letzten Rest an Verstand. Ihrem genetisch programmierten Brutpflege-Programm folgend, kann sie gar nicht anders, als den Käfer schleunigst in die eigene Brutkammer zu tragen.

Während jede Leuchtkäfer-Spezies über ein unverwechselbares Blinkmuster verfügt, können Photuris-Weibchen das Signal von anderen Arten nachahmen. Nähern sich deren Männchen in eindeutiger Absicht, verwandelt sich das Photuris- Weib in eine Femme fatale. Statt Liebeslust treibt sie nur eines: Mordshunger! Mit tödlicher Präzision beantwortet sie die genau getakteten Flirtbotschaften des jeweiligen Leuchtkäfer-Gigolos. Doch kaum sind die artfremden Verehrer gelandet, ist es um sie auch schon geschehen.Wie eine böse Fata Morgana muss ihnen die verführerische Killerin vorkommen, die den Freier sofort verspeist.

Hemmungslos schlüpfen sie (die Schnabelfliegen-Männchen) in die Rolle des freiwilligen Frauenzimmers. Unverfroren nähern sie sich dem Ahnungslosen und senken, ganz  Dame, die Flügel im Stile eines paarungsbereiten Weibchens. Eine unwiderstehliche Aufforderung, der kein Mückenhaft-Gentlemen widerstehen kann. In besten Fortpflanzungsabsichten reicht er dem Weibe sein Geschenk. Bis der Betrogene merkt, dass er einem Lügner aufgesessen ist, ist diese über alle Berge.

Als wahre Lügenbarone des Tierreichs gelten die Affen. Ein beliebtes Mittel, um andre auszutricksen, ist bei ihnen der falsche Alarm. Von den Languren Indiens wird berichtet, wie Rangniedere eine Beinverletzung des Ranghöchsten ausnutzen und ihm reife Früchte streitig machten. Der Alpha-Affe -ein erfahrener Haudegen- stieß während einer solchen Rempelei unvermittelt kehlige Laute aus, wie sie sonst nur zu hören sind, wenn Gefahr droht: von Leoparden zum Beispiel. Der Alarm schickte die anderen Affen sofort auf die Bäume. Alpha aber blieb ruhig am Boden sitzen und verzehrte genüsslich seine Früchte.“ (Helge Sieger,PM 10/2009 )

 

„Es geht nicht mehr nur um das Natur-Gesetz des Fressens und Gefressenwerdens, des Stirb und Werde, nicht mehr nur darum, dass das Schwächere dem Stärkeren unterliegt, das Überwundene vom Siegreichen aufgezehrt wird...Vielfältige Beobachtungen veranlassen uns, bewusster wahrzunehmen, dass auch Tiere – und zwar sowohl im Jäger-Beute-Verhältnis wie innerhalb ihrer Art – anderen Tieren, wie deren Stresssymptome und oft verzweifelte Schreie zeigen, gnadenlose Pein zufügen und ein qualvolles Ende bereiten können...

Die Verstörung kann noch wachsen, wenn wir erfahren, dass bei 2-4 Prozent der neugeborenen Menschenkinder angeborene Auffälligkeiten, teilweise bis hin zu schweren Fehlbildungen, auftreten, darunter auch zunächst nicht bemerkbare erbliche Enzymdefekte, die im Laufe des Lebens zu Zerstörung lebenswichtiger Organe führen...“( Hans Kessler, Theologe, „Das Leid in der Welt-ein Schrei nach Gott“).

     
     
     
    d) strukturelles Übel: bedingt durch gesellschaftliche, rechtliche, politische,wirtschaftliche, ideologische Strukturen

    e) theologisches Übel: Getrenntsein von Gott.

    Diese Einteilung bezieht sich auf die Definition des Übels durch Augustinus (354-430): „malum est id, quod nocet“: ein Übel ist das, was schadet (De moribus Manichaeorum).

    Allgemeiner gefasst umfasst der Begriff des Übels alles Negative.

    In der Philosophie und in der Literatur spitzt sich die Theodizeefrage auf den Gegenstand des Bösen und des Leidens Unschuldiger zu.

    Beispiele:

    Georg Büchner (1813-1837):
    „Man kann das Böse leugnen, aber nicht den Schmerz; nur der Verstand kann Gott beweisen,das Gefühl empört sich dagegen....Das leiseste Zucken des Schmerzes,und rege es sich nur in einem Atom, macht einen Riss in der Schöpfung von oben bis unten.“ (Dantons Tod, 3.Akt, 1.Szene).

    Arthur Schopenhauer (1788-1860):
    „Die traurige Beschaffenheit der Welt lässt sich nicht damit vereinigen,dass sie das Werk vereinter Allgüte, Allweisheit und Allmacht sei.“
    „Wenn ein Gott diese Welt geschaffen hat, so möchte ich nicht der Gott sein: der Anblick ihres Jammers würde mir das Herz zerreißen.“
    „Man sagt, dass wir nach dem Tode vom Himmel zur Rechenschaft gezogen werden: ich meine, dann könnten wir zunächst vom Himmel Rechenschaft fordern über die mauvaise plaisanterie dieses Daseyns, das wir haben durchmachen müssen, ohne je zu erfahren, warum und wofür.“

    Fjodor M. Dostojewski (1821-1881):
    „Stell dir vor,du selbst errichtetest das Gebäude des Menschenschicksals mit dem Endziel, die Menschen zu beglücken, ihnen endlich Frieden und Ruhe zu geben, aber du müsstest dazu unbedingt und unvermeidlich nur ein einziges winziges Geschöpf zu Tode quälen, beispielsweise jenes kleine Kind, das sich mit den Fäustchen an die Brust schlug, und auf seine ungerächten Tränen dieses Gebäude gründen- wärest du unter dieser Bedingung bereit, der Architekt zu sein?... Und könntest du es für möglich halten, dass die Menschen, für die du baust, bereit wären, ihr Glück um den Preis des ungerechtfertigten Blutes eines zu Tode gequälten Kindes zu empfangen und danach für ewig glücklich zu bleiben?“ (Die Brüder Karamasow 331f )

    Romano Guardini (1885-1968):
    „Warum, Gott, zum Heil die fürchterlichen Umwege,das Leid der Unschuldigen, die Schuld?“(nach Walter Dirks)

     
    4)Die Theodizeefrage ist der „Fels des Atheismus“ (Georg Büchner a.a.O.).
    Solange es den Gottesgläubigen nicht gelingt, sie verständlichzu beantworten oder die Möglichkeit der Beantwortung  verständlichzu verneinen, werden die „geistlich Armen“( „πτωχοὶ τῷ πνεύματι”), „derer“ -trotzdem- „das Himmelreich ist“ ( „αὐτῶν ἐστιν ἡ βασιλεία τῶν οὐρανῶν”;Matth.4.3 ), nicht zum Gottesglauben finden und – da die Welt mit und ohne Gottesglauben leidvoll ist -die Worte Friedrich Nietzsches (1844-1900) zu bedenken sein: „ … ist es eigentlich nöthig, daß es einen Gott... wirklich giebt, wenn schon der Glaube an das Dasein dieser Wesen ausreicht, um die gleichen Wirkungen hervorzubringen? Sind es nicht überflüssige Wesen, falls sie doch existieren sollten?“( „Vermischte Meinungen und Sprüche“, Stück 225).



    II Bisherige Lösungsversuche (Auswahl)

    1) Laktanz (ca.250 -325 n. Chr.), von dem das Ausgangszitat Epikurs stammt, hat am angegebenen Ort resümiert:

    „Vides ergo magis propter mala opus esse sapientia: quae nisi fuissent proposita,rationale animal non essemus.“
    „Du siehst also, dass wir die Weisheit vor allem wegen des Bösen benötigen. Wenn dieses
    nicht vorhanden wäre, wären wir keine vernünftigen Lebewesen.“
    Nach Lactantius dienen die Übel der Erkenntnis des Guten.
    Es bleibt die Frage, warum Gott den Gegensatz von Gut und Übel geschaffen hat.


    2) Für Heraklit(ca.540-480v. Chr.)  sind Gegensätze nur Erscheinungsformen Ein- und     Desselben. Dies ist auch eine Grunderkenntnis der Quantenphysik. Das gilt auch für die Gegenstände von Wertungsgegensätzen.
     
    „...καὶ ἀγαθὸν καὶ κακόν ( ἕν ἐστιν )”(Hippol. IX,Fragment 58 )
     
    „...und Gut und Übel ist eins.“
     
    Es bleiben die Fragen: Warum erscheinen uns Gegensätze als solche? Warum lässt uns Gott am  Gegensatz von Gut und Übel leiden?
     
    3)  Bei Sophokles (497/6-406/5 v. Chr.) heißt es herzerfrischend ( Die Trachinierinnen, Verse  1268ff ) :
     
    “oἳ (οἱ θεοὶ ) φύσαντες καὶ κλῃζόμενοι
    πατέρες τοιαῦτ' ἐφορῶσι πάθη.
    Τὰ μὲν οὖν μέλλοντ' οὐδεὶς ἀφορᾷ,
    τὰ δὲ νῦν ἑστῶτ' οἰκτρὰ μὲν ἡμῖν,
    αἰσχρὰ δ' ἐκείνοις”
     
    “Sie (dieGötter) lassen als Väter, als Stifter laut
    sich preisen und sehn solch Leid mit an!
    Was künftig geschieht, kann keiner erschaun.
    Was vor uns steht, ist ein Jammer für uns,
    Schmach ist es ihnen.“
     
    4) Bei Platon (427-347v.Chr.) heißt es dazu im „Phaedon“:
    „.... und überhaupt an allem, was eine Entstehung hat, lass uns zusehen, ob etwa alles so entsteht, nirgend anders her als jedes aus seinem Gegenteil, was nur ein solches hat, wie doch das Schöne von dem Hässlichen das Gegenteil ist und das Gerechte von dem Ungerechten, und ebenso tausend anderes sich verhält. Dieses also lass uns sehen, ob nicht notwendig, was nur ein Entgegengesetztes hat, nirgend anders her selbst entsteht als aus diesem ihm Entgegengesetzten. So wie, wenn etwas größer wird, muss es doch notwendig aus irgend vorher kleiner Gewesenem hernach größer werden?....Nicht auch, wenn es kleiner wird, wird es aus vorher Größerem ja nach kleiner?.... und ebenso aus Stärkerem das Schwächere und aus Langsameren das Schnellere?....Und wie? Wenn etwas schlechter wird, nicht aus Besserem und, wenn gerechter, nicht aus Ungerechtem?.... Dies also.....haben wir sicher genug, dass alle Dinge so entstehen, das Entgegengesetzte aus dem Entgegengesetzten.....Und wie? Gibt es nicht auch so etwas dabei wie zwischen jeglichem Entgegengesetzten, was doch immer zwei sind, auch ein zweifaches Werden von dem einen zu dem anderen und von diesem wieder zu jenem zurück? Wie zwischen dem Größeren und Kleineren Wachstum und Abnahme ist, und so nennen wir auch das eine Wachsen,das andere Abnehmen....Nicht durch Aussondern und Vermischen, Abkühlen und Erwärmen und so alles, wenn wir auch bisweilen die Worte dazu nicht haben, muss sich doch die Sache nach überall so verhalten, dass eines aus dem anderen entsteht, und dass es ein Werden von jedem zu dem anderen gibt...“

     
    Hier wird allerdings zwischen den Arten von Gegensätzen nicht ausreichend differenziert. So ist das Positive (zum Beispiel das Gute) vom Negativem (zum Beispiel den Übeln) durch das Neutrale (Normale) getrennt (dazu unten).

     
    5) Bei Aischylos (525-456 v. Chr.) wird die Theodizeefrage tabuisiert. In „Der gefesselte Prometheus“ entspinnt sich folgender Dialog:

     
    „Chorführer: Wer also ist es, der des Notzwangs Steuer führt?
    Prometheus: Moiren, dreifaltge, und Erinnyen, schuldbedacht.
    Chorführer: Also steht Zeus, an Macht der schwächere, ihnen nach?
    Prometheus: Nicht kann er ja entfliehen dem ihm verhängten Los.
    Chorführer: Was wäre Zeus bestimmt sonst, als stets Herrscher sein?
                        (τίγὰρ πέπρωται Ζηνὶ πλὴν ἀεὶ κρατεῖν;)
    Prometheus: Dies darfst du nich tnoch hören; dränge nicht darauf!
                        (τοῦτ' οὐκέτ' ἂν πύθοιο λιπάρει.)
    Chorführer: Ist's etwas Heiliges, was du bergend in dich schließt?
    Prometheus: Von etwas anderem redet: dies ist keineswegs
                         reif zur Verkündung, nein, einhüllen muss man es
                        so tief wie möglich...“

     
    6)Aristoteles( 385/4 – 322 v. Chr. ) :
    „Wenn Gott (die Götter) am Anfang war und das Gute kennt, so kennt er auch dessen Gegensatz, das Böse. Das Böse muss also zu unbedeutend sein, um von ihm beachtet zu werden; ein Beweis gegen die Existenz Gottesist es damit nicht ( nach Bertrand Russel, Philosophie des Abendlandes).

    7) Gellius(2. Jh. n. Chr.) zitiert Chrysipp ( 281/78 – 265 v. Chr. ;viertes Buch: Über die Vorsehung) wie folgt:

    „Es gibt wahrlich nichts Einfältigeres als die Leute, die der Meinung sind,es könne das Gute geben, ohne dass es eben dabei das Böse gebe.Denn da das Gute dem Bösen konträr entgegengesetzt ist, müssen notwendig beide sich einander gegenüberstehen und als etwas zusammen bestehen,was sich sozusagen gegeneinander anstemmt und sich dadurch wechselseitig stützt und bedingt. Ein solches Konträres ist also nie ohne das zugehörige andere Konträre. Denn wie könnte eseine Wahrnehmung von Gerechtigkeit geben, wenn es keine Ungerechtigkeiten gäbe? Oder was anderes ist Gerechtigkeit als die Entfernung von Ungerechtigkeit?....... warum wünschen törichte Menschen nicht ebenso, dass es Wahrheit gibt, ohne dass Falschheit auftritt? Denn Güter und Übel, Glück und Unglück, Schmerz und Lust existieren auf dieselbe Weise; Scheitel gegen Scheitel, wie Platon sagte, sind sie eins ans andere gebunden...“

    8) Sextus Empiricus (2.Jh.n.Chr.):
    „Die, welche positiv behaupten, Gott existiere, machen sich zwangsläufig eines Frevels schuldig. Denn wenn Sie sagen, Gottbeherrsche alles, dann machen sie ihn auch zum Schöpfer des Bösen;wenn sie dagegen sagen, Gott herrsche nur über manches oder über gar nichts, dann stellen sie Gott unweigerlich als widerwillig oder machtlos hin, und das ist ganz offensichtlich Gotteslästerung.“ („Argumente gegen den Glauben an einen Gott“ )
     
    9)  Die Bibel tabuisiert die Theodizeefrage nur scheinbar,wenn es bei Jesaja (45.9) heißt:

    „Sagt wohl zu seinem Töpfer der Lehm:“Was machst du da?“ Und „Dein Werk hat nicht Hand und Fuß?““
    und dieses Gleichnis im Römerbrief (9.20) wie folgt aufgenommen wird:

    „Wird etwa das Gebilde zu seinem Bildner sagen:“Warum hast du mich so gemacht?““
    ( μὴ ἐρεῖ τὸ πλάσμα τῷ πλάσαντι· τί με ἐποίησας οὕτως;)

    ferner, wenn der wegen seiner Leiden Gott anklagende Hiob sich auf die lange „Gardinenpredigt“ Gottes hin zufriedengibt mit derEinsicht:

    „Darum bekenne ich, daß ich habe unweislich geredet, das mir zu hoch ist, und ich nicht verstehe“.
    ( Erst in der persönlichen Begegnung mit dem Schöpfer findet Hiob die Lösung seines Problems.)

    Den Schlüssel zur Interpretation dieser drei Bibelstellen liefern die Worte,mit denen Gott seine Schelte Hiobs einleitet ( Hiob 38.4-6):

    „Wo warst du, da ich die Erde gründete? Sage mirs, bist du so klug? Weißt du, wer ihr das Maß gesetzt hat? Oder wer über sie eine Richtschnur gezogen hat?“

    Gott hält Hiob damit vor,dass dieser ihn ja nur deshalb kritisieren könne, weil er ihm den Maßstab hierfür zur Verfügung gestellt habe, also auch die Möglichkeit einer negativen Wertung der Schöpfung erst geschaffen habe. Er, Gott, selbst unterliege den von ihm ja erst geschaffenen Kriterien wie Gut und Schlecht/Böse nicht.

    Das obige Töpfer-(Bildner-) Gleichnis besagt daher: So, wie der Töpfer dem Gefäß erst Materialität, Maß, Gestalt und Aussehen verleiht, ohne selbst aus diesem Material zu bestehen und mit diesen Maßen, Formen und Anstrichen sowie Ornamenten verglichen werden zu können, so hat Gott den Wertungsgegensatz von Gut und Schlecht geschaffen, ohne dass dieserauf ihn selbst übertragen werden könnte . Wenn der Tonkrug wegen seiner Zerbrechlichkeit den Töpfer kritisiert, dann verkennt er,dass er ohne seine Zerbrechlichkeit überhaupt kein Tonkrug wäre.Wenn der Mensch wegen seiner Leiden Gott als Schöpfer kritisiert, dann verkennt er, dass er ohne die Leiden kein Mensch wäre.

    Dass Gott die Möglichkeit einer Wertung als gut und schlecht erst mit seiner Schöpfung geschaffen hat und er selbst daher bei dieser einer solchen -entsprechend seiner Allmacht – nicht unterworfen war,sondern darüber erhaben ist, belegt auch die (erste) Schöpfungsgeschichte. Nach 1.Mos.1,10;12: 18;21;25;31 unternahm Gott erst die jeweiligen Schöpfungsschritte; danach bewertete er sie jeweils als gut, zuletzt als sehr gut.Die Schöpfungsakte hatten also noch weder Grund noch Ziel, sondern Grund und Ziel wurden erst mitgeschaffen, so dass erst dann die Beurteilung – aufgrund desebenfalls erst geschaffenen Maßstabes des Gegensatzes von Gut und Schlecht – möglich war.Gott ist nicht überbestimmt durch Gründe und Ziele oder einen Maßstab zur Bewertung seines Handelns. All dies hat er mit seiner Schöpfung erst mitgeschaffen.

    Daher hat Gott die Tröster Hiobs wegen deren Versuche, ihn ,Gott, zu rechtfertigen, getadelt (Hiob 42,7). Sie hatten ihn mit Maßstäben verteidigen zu können geglaubt, die Gott erst geschaffen hat, so dass er diesen selbst nicht unterliegt ( Hiob 42.7 f ).

    Soweit Gott in seine rRede an Hiob eine Vielzahl von Beispielen für seine Mächtigkeit angeführt hat – obwohl Hiob nicht diese, sondern seine Gerechtigkeit bezweifelt hatte -, so wollte er damit wohl vor Augen führen, dass in einer Schöpfung, die solche Großartigkeiten aufweist, auch das Leid seinen wohlbestimmten Platz einnimmt.

    Die Güte Gottes reicht daher über das, was wir – als Gegensatz zum Schlechten – für gut halten, unendlich hinaus.Sie ist die Unvergleichlichkeit Gottes, die Erhabenheit über Gegensätze wie den von Gut und Böse, in der auch das schlimmste Böse nicht nur einfach in letzter Instanz aufgeht, sondern „aufgehoben“ ist, nicht lediglich im Sinne von „verschwunden“, sondern im Sinn von (im Ursprung) „geborgen“ (nämlich letztlich in der –zeiterhabenen- Erlösung durch Christus).
     

Kohelet7,14 ff (Septuaginta) sieht in dieser Allerhabenheit Sinnfreiheit:

 

ἐν ἡμέρᾳ ἀγαθωσύνης ζῆθι ἐν ἀγαθῷ

κα ὶἐν ἡμέρᾳ κακίας ἰδέ·

καὶ γε σὺν τοῦτο σύμφωνον τούτῳ

ἐποίησεν ὁ θεός περὶ λαλιᾶς,

ἵνα μὴ εὕρῃ ὁ ἄνθρωπος ὀπίσω αὐτοῦ μηδέν.

 

An einem Tag von Güte lebe im Guten,

und an einem Tag von Übel sieh:

Eben auch dies zusammen hat Gott,

über alles Geschwätz hinaus

im Einklang damit gemacht, dass

de rMensch dahinter keinen Sinn finden soll.

     
     
     
     
    Nach der herrschenden Meinung in der christlichen Theologie allerdings bieten das Buch Hiob und die Bibel insgesamt keine Lösung desTheodizeeproblems  Dieses gilt ihr als unlösbar. Wer sich jedoch zu der anthropomorph - hybriden These versteigt, man könne Gott Eigenschaften zuschreiben und müsse ihn auf die der Allmächtigkeit und Güte festlegen, dem müsste es in Konsequenz eines solchen begrifflichen Denkens näher liegend erscheinen, die These angesichts der Unbestreitbarkeit des Leides zu überprüfen, statt das Leid als unerklärlich hinzunehmen. Denn die Unerklärlichkeit ergibt sich ja erst aus derThese. Wenn ich die These aufstelle, die Erde sei eine Scheibe, kann ich doch bei  rationaler Betrachtung den Umstand, dass sie in alle Richtungen bis zur Zurückkehr an den Ausgangspunkt überflogen werden kann, nicht als unerklärlich abtun, sondern nur als Widerlegung meiner These betrachten.
    Die  Theologie setzt  auf eine eschatologische Überlagerung des Problems durch das Neue Testament. Die Liebe Gottes (1. Joh.4.8:“...ὅτι ὁ θεὸς ἀγάπη ἐστίν - denn Gott istLiebe“) ist Verheißung. Sie ist in Christus Jesus (Röm.8.39.“...οὔτε....οὔτε...δυνήσεται ἡμᾶς χωρίσαι ἀπὸ τῆς ἀγάπης τοῦ θεοῦ τῆς ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ...- weder... noch... kann uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist...“). Sein Tod zeigt, dass die Liebe Gottes nicht an der Welt ablesbar ist, seine Auferstehung, dass die Übel der Welt in Gott aufgehoben sind.

     
    10) Jesus ( ca.7v.Chr. - ca.30 n.Chr.) wird das folgende Zitat zugeschrieben ( sog. Àgraphon, Dialog des Erlösers 34, Gnosis):
     
    „ Wenn jemand nicht in der Dunkelheit steht, wird er das Licht nicht sehen können.“
     
    Aber warum dieser Gegensatz?
     
    „Qui mecum sunt, non me intellexerunt – die mit mir sind, haben  mich nicht verstanden.“( Àgraphon; Act. Petr. 10;  Actus Vercellenses )
     
    Warum nicht?
     
    „καὶ ἐν ἐκείνῃ τῇ ἡμέρᾳ ἐμὲ οὐκ ἐρωτήσετε οὐδέν – und an jenemTage werdet ihr mich nichts fragen.“

     (Jh.16,23)   

 

    “ οὔτε οὗτος (τυφλὸς ἐκ γενετῆς) ἥμαρτεν οὔτε οἱ

     γονεῖς αὐτοῦ, ἀλλ΄ ἵνα φανερωθῇ τὰ ἔργα τοῦ θεοῦ

     ἐν αὐτῷ” - weder dieser (von Geburt an Blinde)

     hat gesündigt noch seine Eltern, vielmehr sollen die Werke

      Gottes offenbar werden an ihm.“(Jh.9,3).

      Interpretation: Ohne das Negative wäre das Positive

      nicht positiv, sondern lediglich anormal. Erst das Übel
     zeigt das Gute. Erst die Blindheit  zeigt, was  wir  an        unserem Sehvermögen haben.

     

     

    11) Augustinus (siehe oben) verweist auf den Gesamtzusammenhang der Schöpfung Gottes:
     
    „Gott hielt es für besser, selbst aus dem Bösen Gutes zu schaffen, als überhaupt nichts Böses zuzulassen.“
    Wie oben ausgeführt, geht es nicht erst um die Zulassung des Bösen, sondern um die Schaffung desselben. Denn woher sollte die Möglichkeit des Bösen kommen, wenn nicht vom allmächtigen Gott?
     
    „So verwandelt sich selbst das durch seine Unzuträglichkeit Verderben bringende Gift bei geeignetem Gebrauch in heilsame Arznei, während andererseits auch die Freude spendenden Dinge, wie Speise oder Tageslicht, bei unmäßigem und unzeitigem Gebrauch sich als schädigend erweisen.“ Warum aber diese Hürden bez. Grenzen?
     
    „Im Grund fehlt uns Menschen nur der Blick für die Ordnung und unendliche Symmetrie der Schöpfung.“ Aber warum ist uns dieser Blick nicht gegeben?
     
    „Denn wäre das Nichtvorhandensein des Bösen nicht doch gut, dann würde es keinesfalls zugelassen vom allmächtigen Guten, für den es doch zweifelsohne ebenso leicht ist, nicht zuzulassen, was er nicht will, wie es ihm ein Leichtes ist, zu machen, was er will.“
    Wie bereits oben ausgeführt, geht es nicht erst um das „Zulassen“, sondern bereits um das„Schaffen“, denn woher soll das gekommen sein, was zugelassen wird?
     
    Das Argument des Augustinus läuft letztlich auf das von Christian Morgenstern ironisiert Motto hinaus, „dass nicht sein kann, was nicht sein darf.“
     
    „Der Mensch, der aus freiem Willensentschluss das Gute tut, ist besser als der, der aus Notwendigkeit gut ist.“
     
    Hier ist jedoch schon gegen die Prämisse der Willensfreiheit zumindest folgendes einzuwenden:
     
    Exkurs:
     
    Es handelt sich um ein Scheinproblem, das auf ungenauer Begrifflichkeit beruht.
     
    I Problemstellung: Es geht nicht um die (objektive) Handlungsfreiheit, also die Möglichkeit mehrerer Verhaltensweisen. Diese ist selbstverständlich. Vielmehr geht es um die (subjektive) Freiheit des Willens, also die Möglichkeit unabhängiger eigener Willensbestimmung.
    Dass es einen Willen frei von einer Fehl- oder Fremdbestimmung durch Irrtum, physische und psychische Störung, Täuschung, Drohung, physische und psychische Gewalt gibt, ist selbstverständlich.
    Welche Freiheit bleibt  aber außerdem noch für den Willen? Wovon soll ernoch  frei sein können?
     
    II Gemeint sein kann doch nicht: frei von seiner Bildung, denn es geht ja gerade darum, ob er frei gebildet werden kann. Die physischen und psychischen willensbildenden Faktoren wie Anlage, Erfahrung (auch durch Strafen), situative physische und psychische Disposition usw. sind durch den Willensträger nicht beeinflussbar. Wie soll der Wille dann noch frei auch ohne sie bestimmt werden können? Er müsste frei von seiner Bildung sein, was ein Widerspruch wäre. Es müsste zwischen mehreren Willen gewählt werden können, ohne dass diese Wahl gebildet würde. Die Wahl ist jedoch Entscheidung und setzt daher Willen voraus, der irgendwie gebildet werden muss, wenn es sich nicht um Willkür im Sinne subjektiver Beliebigkeit rein zufälligen Handelns – falls es ein solches ursachenloses Verhalten überhaupt gibt - handeln soll.
    Man kann nicht zwischen mehreren Willen wählen, ohne den Willen, den man wählt, bereits zu haben. Arthur Schopenhauer hat das wie folgt ausgedrückt: „Du kannst THUN was du WILLST: aber du kannst, in jedem gegebenen Augenblick deines Lebens, nur Ein Bestimmtes WOLLEN und schlechterdings nichts Anderes, als dieses Eine.“ (Preisschrift über die Freiheit des Willens). Einstein hat dieses Zitat wie folgt rezitiert: „Ein Mensch kann zwar tun, was er will, aber nichtwollen, was er will“ („Mein Weltbild“). Kurz gefasst: Man kann zwar etwas tun wollen, aber nicht etwas wollen wollen. Ich kann zwar das „Für und Wider“ einer Handlung abwägen, die Entscheidung (beziehungsweise Unentschiedenheit oder Entscheidungsänderung aufgrund Neuabwägung) habe ich jedoch nicht in der Hand. Ich kann nicht sagen: „Ich will das, tue es aber nicht.“ Denn die Entscheidung, es nicht zu tun, ist dann eben der endgültige Wille. Ich kann nur „Wünschen“ entsagen, aber eben aufgrund des Willens, sie nicht zu erfüllen.

Es ist unmöglich zu wollen, ohne nicht schon den Willensakt auszuführen“ (Wittgenstein)

    Soweit zum logischen Aspekt des Problems.
     
    III  Unter empirischem Aspekt geht die Diskussion über die Willensfreiheit ins Leere. Denn solange wir nicht wissen, was die körperlich – geistige Erscheinung des Bewusstseins, gar des Selbstbewusstseins, ist, können wir auch nicht wissen, was die ebenfalls geistig-körperliche Erscheinung des Willens ist. Aber erst, wenn man weiß, was etwas ist, kann man erklären wie es entsteht, falls solche Begriffe  dann bei körperlich-geistigen Erscheinungen überhaupt noch greifen, woran die Erkenntnisse der Quantenphysik zweifeln lassen.
     
    IV Zum theologischen Aspekt kann auf Martin Luther verwiesen werden. Er hat sich vehement gegen die Annahme eines freien Willens gewandt und eine Streitschrift gegen Erasmus von Rotterdam, der die Freiheit des Willens verfocht ( „De libero arbitrio“- Über den freien Willen ), verfasst mit demTitel. „ De servo arbitrio “ ( Über den unfreien Willen). Darin heißt es: „At talem oportere esse Deum, qui libertate sua necessitatem imponat nobis , ipsa ratio naturalis cogitur confiteri.-Concessa praescientia et omnipotentia, sequitur naturaliter,irrefragibili consequentia, nos per nos ipsos non esse factos, necvivere, nec agere quidquam, sed per illius omnipotentiam.- Pugnat ex diametro praescienta et omnipotentia Dei cum nostro libero arbitrio.-Omnes homines coguntur inevitabili consequentia admittere, nos nonfieri nostra voluntate, sed necessitate; ita nos non facere quodlibet, pro jure liberi arbitrii, sed prout Deus praescivit et agit consilio et virtute infallibili et immutabili...“ - „Aber dassGott ein solcher sein muss, welcher vermöge seiner Freiheit uns der Notwendigkeit unterwirft, das muss schon die  natürliche Vernunft zugeben. - Wenn man die Allwissenheit und Allmacht zugesteht, so folgt naturgemäß und unwidersprechlich, dass wir nicht durch uns selbst gemacht sind oder leben oder irgendetwas tun, sondern nur durch seine Allmacht – Die Allwissenheit und Allmacht Gottes steht in diametralem Widerspruch zu der Freiheit unseres Willens. - Alle Menschen werden mit unvermeidlicher Konsequenz gezwungen, anzuerkennen, dass wir nicht durch unseren Willen, sondern vielmehr aus Notwendigkeit geschehen; so tun wir also nicht, was uns beliebt, nach dem Gebot unseres freien Willens, sondern handeln so, wie Gottes vorgesehen hat und durch unfehlbaren und unwandelbaren Ratschluss und Willen ausführt. “
    Das bedeutet zwar, dass Gott auch für die Sünden verantwortlich ist (Der Satan wird im Buch Hiob, 1. Kap., Vers 6, und 2. Kap. ,Vers 1,als Gottessohn bezeichnet; insbes.in Jes.45,7; Jer.45,5; Kl.3,38;Am.3,6; Matth.5.45, wird Gott auch als Schöpfer des Übels und des Bösen charakterisiert), was Luther nicht verkennt ( „In Christusist der unbegreifliche, schreckliche, allmächtige, majestätische Gott mir gnädig“; Brief vom 30. April 1531 an Barbara Lisskirchen, LD X Briefe, S. 246-228). Doch auch die Verleihung eines freien Willens an die Menschen zur Entscheidung zwischen Gut und Böse entlastet ihn nicht. Denn hierfür musste er in seiner Allmächtigkeit zunächst den Gegensatz zwischen Gut und Böse sowie den Gegensatz zwischen Freiheit und Notwendigkeit geschaffen haben. Und in seiner Allwissenheit musste er jede Entscheidung  für das Böse vorausgesehen haben, so dass sie  von seinem Schöpfer willen umfasst wird, abgesehen davon, dass er über diese menschliche Begriffswelt erhaben ist.
    Im übrigen ist überhaupt nicht einzusehen, weshalb die Willensfreiheit ein menschliches Privileg sein soll. Schon die alltägliche Beobachtung des tierischen Verhaltens spricht dagegen.
     
    V Erkenntnistheoretisch gesehen, geht das Problem von falschen Prämissen aus. Spätestens die modernen Naturwissenschaften  haben uns gelehrt, dass unser begriffliches Denken, insbesondere das Denken in Gegensätzen und in den Kategorien von Raum und Zeit, außerhalb  des sinnlichen Vorstellungsbereiches versagt. So besteht in der Quantenphysik zwischen Determinismus und Indeterminismus ein Verhältnis der Komplementarität (statistische Kausalität). Freiheit und Notwendigkeit der Willensbildung – ein Vorgang außerhalb unseres sinnlichen Vorstellungsbereiches - schließen sich daher nicht gegenseitig aus. Außerdem setzt der Wille die Zeit voraus, da er aufs eine Verwirklichung in der Zukunft gerichtet ist. Zeit und Raum sind aber nach der Relativitätstheorie und der Quantenphysik lediglich Vorstellungen, was bereits Kant erkannt hat.
     
    Die Aussage-und Beweiskraft der neueren Experimente, wonach Entscheidungen unbewusst getroffen und erst mit zeitlicherVerzögerung bewusst werden, kann daher dahinstehen.
     
    VI Erkenntnispsychologischer Aspekt
     
    Der Wille ist, wie ausgeführt,nicht frei von seinen Ursachen (Veranlagung, Sozialisation). Aber die Ursachen machen letztlich den Willensträger selbst, dessen Wesen aus. Sie sind für diesen nicht frei von ihm, nicht fremdbestimmt.Daher erlebt er sie als sich selbst. Er erlebt sich dabei so frei von der Außenwelt, wie er sich selbst in seiner ganzen Lebensführungvon dieser grundsätzlich frei hält.
    So wird er auch von den anderen gesehen.
     
    Der Mensch fühlt sich in seiner Lebensführung grundsätzlich frei von der Außenwelt, obwohl er deren Bestandteil ist. Das liegt daran, dass er sich seiner selbst bewusst ist und sich daher innerlich von der Außenwelt trennt. Die Willensfreiheit ist daher ein Problem des Subjekt-Objekt Gegensatzes,der sich in seiner Komplementarität (so die Erkenntnisse derQuantenphysik) auflöst.
     
    Wir sind insofern bei der Bildung unseres Willens frei, als die willensbildenden Faktoren in ihrer Gesamtheit letztlich wir selbst sind und wir uns in unserem Selbstbewusstsein von der Außenwelt, in deren Richtung wir uns entscheiden, abtrennen. Das Gefühl derWillensfreiheit rührt daher, dass wir uns mit unseren Entscheidungen– wenn sie nicht von außen beeinflusst worden sind –identifizieren und sie daher nicht als uns aufgedrängt empfinden.
     
    VII In ethischer Hinsicht enthebt uns eine Unfreiheit der Willensbildung nicht derVerantwortung für unser Verhalten. Denn die Verantwortung liegt nicht in einer Freiheit der Willensbestimmung, sondern in der eigenen Willensbestimmung, der Selbstbestimmtheit. Die nicht fehlbeeinflussten willensbildenden Faktoren sind Ausdruck der eigenen Persönlichkeitsprägung, des „Charakters“ ( grch.:χαρακτήρ). Der Mensch hat dafür einzustehen und sieht dies intuitiv auch so. Alles andere würde letztlich bedeuten, dass man sich mit seiner Existenz nicht abfindet („Entschuldige, dass ich geboren bin!“).Schon die bloße körperliche Existenz begründet “Verantwortung“, so zum Beispiel dass man bei einer Begegnung mit anderen gegenseitig ausweicht, um nicht zusammenzustoßen. Tut man das (bewusst) nicht, fühlt man sich im Falle eines Zusammenstoßes ganz selbstverständlich mitverantwortlich.
    Die Freiheit des Willens ist also allenfalls transzendental (Schopenhauera.a.O. : „ Die FREIHEIT ist also durch meine Darstellung nicht aufgehoben, sondern bloß hinausgerückt, nämlich aus dem Gebiete der einzelnen Handlungen, wo sie erweislich nicht anzutreffen ist, hinauf in eine höhere, aber unserer Erkenntniß nicht so leicht zugängliche Region: d.h. sie ist transcendental“), in Gottes Gnade begründet (Luther).Doch können diese Bereiche logischerweise nichtmehr von Gegensätzen wie Freiheit und Notwendigkeit transzendentiert werden.
     
    Ende des Exkurses.
     
    Mit Schopenhauer (siehe obenund unten) ist zu resümieren:
     
    „So nämlich fällt auch hier, trotz allen(sic!) Bemühungen und Sophismen des Augustinus, die Schuld der Welt und ihre Qual stets auf den Gott zurück, der Alles und in Allem Alles gemacht und dazu noch gewusst hat, wie die Sachen gehen würden.“(Die Welt als Wille und Vorstellung,§70 Fßn.)
     
    Weiser als das vorstehend abgehandelte ist daher ein anderes Zitat von Augustinus:
     
    „Si comprehendis, non est Deus – Wenn Du verstanden hast, dann ist es nicht Gott.“
     
    12) Thomas von Aquin (1225-1274):
     

„Wenn es das Schlechte gibt, gibt es Gott. Denn es gäbe das Schlechte nicht, wenn die Ordnung des Guten, dessen Privation das Schlechte ist, beseitigt würde. Diese Ordnung aber wäre nicht, wenn Gott nicht wäre.“

(Summa contra gentiles III/ I 301, 71.Kap.)

     
    „Gott steht außerhalbjeder Art zu sein“(„Deus non est in genere.“ Summatheologiae.I,quaestio 3,a.5 ).

     
    „Menschliche Gotteserkenntnis gipfelt darin, zu begreifen, dass Gott unbegreiflich ist“ ( „Illud est ultimum cognitionis humanae de deo quod sciatse deum nescire.“( De potentia, qu.7, a.5).

     
    „Wir wissen nicht, was Gott ist, sondern eher, was er nicht ist. Gott ist nicht schlecht und nicht böse. Aber die positive Aussage „Gott ist gut“ gibt nicht wieder, was Gott ist, denn der Begriff, den wir Menschen von „gut“ haben, bezieht sich auf die Gottheit, die in der endlichen Welt angetroffen werden kann. Das Gute in der Welt ist begrenzt und mangelhaft, die Gutheit, die zu Gott gehört, ist in der Welt eben nicht vorhanden. Was das herrschende Denken als „ gut“ präsentiert, ist nicht gut; und was wir normalerweise als „gut“ verkaufen, ist nicht ganz gut. Das, worauf das Wort „gut“ letztlich hinweisen will, ist im eigentlichen Sinne in Gott zu finden und erst in einem abgeleiteten Sinn in der Schöpfung. Wenn also die wahre Gutheit in Fülle nur bei Gott zu finden ist, so liegt dieseGutheit doch in der Richtung dessen, was Menschen in ihrem Leben an Gutheit, an Güte, als gut erfahren und was sie an Gutheit und Güte ersehnen. Deshalb ist es viel adäquater, Gott gut zu nennen, als irgendein Geschöpf. Und deshalb muss gewiss verneint werden, dass Gott schlecht ist, aber es muss gerade nicht verneint werden, dass Gott gut ist“ ( vgl. Summa theologiae I q.1 a.9 ad 3; I q.7 a.1;q.12 a.1;q.13 a.3; q.6 a. 1-4; nach Hans Kessler).
     
     

Da Gott von allem die Bewirkursache ist und am meisten ertrachtet werden muss, so ist er notwendig gut.“ (Summa theologiae, 1.Teil, 6. Untersuchung,1.Artikel, Feststellung)

Er ist erhaben im Vergleich zum anderen. Eine Vergleichung solcherart liegt bei ´Höchstes Gut` vor.“ ( Summa theologiae, 1.Teil, 6. Untersuchung, 2. Artikel, zu 3)

Da eine uneingeschränkteVollkommenheit einzig Gott besitzt...., so ist er allein durch Wesenheit gut (und nicht durch Teilhabe).“ (Summa theologiae,1.Teil, 6. Untersuchung, 3.Artikel, Feststellung)

Die letzteren drei Zitate besagen eigentlich nur, dass Gott deshalb „gut“ ist, weil es nichts Besseres geben kann. Übertragen auf seine Schöpfung, muss Gleiches gelten.

Logisch konsequenter erscheint es, Gott (und seine Schöpfung) mit all dem von uns als schlecht/böse Gewertetem als über jede Wertung erhaben anzusehen, wie im obigen Zitat aus Summa theologiae, 1.Teil, 6. Untersuchung, 2.Artikel, zu 3, anklingt.


 

     13) Meister Eckhart(1260-1328):
     

     Dass wir ...Gott ohne Warum lieben, dazu helfe

     uns Gott!“ (Meister Eckhart, DW I 113f – (186f))

      
    „Zerbrich alle Sprache und damit alle Begriffe und Dinge: Der Rest ist Schweigen. Dies Schweigen aber ist – Gott.“
    „Gott kommt nicht das Sein zu, noch ist er ein Seiendes, sondern er ist etwas Höheres als das Seiende.“
    „Sage ich demnach: Gott ist gut – es ist nicht wahr; ich vielmehr bin gut, Gott aber ist nicht gut! Sage ich ferner: Gott ist Sein – es ist nicht wahr; er ist vielmehr ein überseiendes Sein und eine überseiende Nichtheit!.... Hätte ich einen Gott, den ich erkennen könnte, ich würde ihn nimmer für Gott ansehen.“
    „Gott ist nicht liebenswert: Er ist über alle Liebe und Liebenswürdigkeit erhaben.“

     
    14) Nikolaus von Kues( 1401-1464 ) über Gott als ein über jeglichen Gegensatz, auch den von Sein und Nichts, erhabenes Nichts:
     
    „ Non esse ergo ibi est omnia esse.“
     
    „Nichtsein ist daher dort Alles sein“
     

(Theorem der coincidentia oppositorum-der Aufhebung derGegensätze:Gott ist... und ist zugleich nicht“ und, gestützt auf Proclus u. Ps.-Dionys: „Das höchste Prinzip ist überseiend und unerkennbar, die aristotelischen Kategorien und auch die sogenannten Kategorien der intelligiblen Welt (Seiendes, Bewegung, Ruhe,Selbigkeit, Andersheit) sind auf es nicht anwendbar.“).

     
     
    15) Martin Luther (1483-1546):
     

     

Der Glaube hat es mit Dingen zu tun, die man  nicht          sieht. Damit also Raum da sei für den Glauben, muss alles, was geglaubt wird, verborgen werden; es wird aber nicht tiefer verborgen als von gegensätzlichem Anblick, Empfinden, Erfahren. So, wenn Gott lebendig macht, tut er dies dadurch, dass er tötet; wenn er rechtfertigt, tut er es dadurch, dass er zur Hölle führt.... So verbirgt er seine ewige Güte und Barmherzigkeit unter ewigem Zorn, seine Gerechtigkeit unter Ungerechtigkeit

  

    „Der Theologe, der Gottes unverborgene Herrlichkeit sucht, nennt das Übel gut und Gutes Übel,der Theologe des Kreuzes nennt die Dinge beim rechten Namen.“(Heidelberger Thesen)
     
    „At Deum non inveniri nisi in passionibus et cruce, iam dictum est – Aber es ist schon gesagt, dass Gott nur in Leiden und Kreuz zu finden ist.“( These XXI.Disputatio Heidelbergae habita. 1518 )
     
    „Gott ist dann am allernächsten, wenn er am weitesten entfernt scheint.“
     
    „Ich selbst bin mehr alseinmal bis zum Abgrund und zur Hölle der Verzweiflung erschüttertgewesen, so dass ich sogar wünschte, ich wäre nie als Mensch  geschaffen worden, ehe denn ich wusste, wie heilsam eine solche Verzweiflung ist und wie nahe der Gnade.“ (LD 288/Mü 153)
     
    „Die menschliche Vernunft wird aufgebracht, welche, obwohl sie in allen Worten und Werken Gottes blind, taub, töricht, gottlos und gotteslästerlich ist, an dieser Stelle als Richterin über die Worte und Werke Gottes herangezogen wird.“ (LD 273/ Mü138)
     
    „Aus der Tiefe zu Gott rufen
     
    Du bist ein wunderbarer,liebevoller Gott.
    Du regierst uns wunderbarund freundlich.
    Du erhöhst uns, wenn du uns erniedrigst.
    Du machst uns gerecht, wenn du uns zu Sündern machst.
    Du führst uns gen Himmel,wenn du uns in die Hölle stößt.
    Du gibst uns Sieg, wenn du uns unterliegen lässt.
    Du tröstet uns, wenn du unstrauern lässt.
    Du machst uns fröhlich,wenn du uns heulen lässt.
    Du machst uns singen, wenndu uns weinen lässt.
    Du machst uns stark, wenn wir leiden.
    Du machst uns weise, wenn du uns zu Narren machst.
    Du machst uns reich, wenn du uns Armut schickst.
    Du machst uns zu Herren,wenn du uns dienen lässt.“
     
     
    16) Den bekanntesten Versuch einer Lösung des Theodizeeproblemes hat der bereits eingangs erwähnte Gottfried Wilhelm Leibniz(1646-1716) unternommen. Verkürzt ausgedrückt, lautet er: Wegen derAllgüte Gottes ist die von ihm geschaffene Welt die beste allermöglichen Welten.

    Damit beraubt Leibniz Gott seinerAllmächtigkeit Denn wenn Gott nur unter ihm vorgegebenen Möglichkeiten wählen konnte,wird er von Möglichkeiten überbestimmt (transzendiert).

    Arthur Schopenhauer (1788-1860) höhnte: „Diese Welt ist nicht die beste unter den möglichen,sondern die schlechteste, eine schlechtere könnte nicht einmal bestehen.“ Es sei „eine Absurdität, diese Welt, diesen Tummelplatz gequälter und geängstigter Wesen, welche nur dadurch besteht, dass eines das andere verzehrt,und in welcher mit der Erkenntnis die Fähigkeit Schmerz zu empfinden wächst, als die beste unter den möglichen Welten demonstrieren zu wollen.“
    „Wenn auch die Leibnizische Demonstration, dass unter den möglichen Welten diese immer noch die beste sei, richtig wäre, so gäbe sie doch noch keine Theodicee, denn der Schöpfer hat ja nicht bloß die Welt, sondern auch die Möglichkeit selber geschaffen, er hätte demnach diese darauf einrichten sollen, dass sie eine bessere zuließe.“
     

    17) Pierre Bayle(1647 – 1706)

    geht in seinem Werk „Dictionaire historique et critique“ mit Epikur davon aus, dass Gott angesichts der in der Welt herrschenden Übel nicht zugleich allmächtig und gut sein könne:

Wäre er beides, hätte er in seiner Allmächtigkeit die Möglichkeit der Übel nicht geschaffen. Das gelte nicht nur für die natürlichen, sondern auch für die moralischen. Da helfe auch die Augustinische Lösung nicht weiter, dass Gott uns den freien (Anmerkung: wovon frei?) Willen geschenkt habe, der die Möglichkeit, sich für das Böse zu entscheiden, voraussetze. Denn das wäre ein Danaergeschenk: Gott müsse ja in seiner Vorsehung auch alles Böse vorausgesehen haben (Anmerkung: Wo bleibt dann unsere Freiheit, wenn er sich in seiner Unfehlbarkeit nicht irren kann?). Trotzdem ermögliche er es und strafe dafür sogar!


 

Da es also die Übel in der Welt gibt, könne Gott in seiner Güte nicht allmächtig und in seiner Allmächtigkeit nicht gut sein. Der Verstand lasse daher nur die Annahme zu, dass es zwei gleich mächtige Götter gebe, einen guten und einen bösen (Manichäismus).

Es gebe nur die Alternative, statt an den Verstand an die religiösen Aussagen als darüber erhaben zu glauben. Dafür habe er(Bayle) sich entschieden, da der Verstand – hier rekurriert er auf den Descarteschen Skeptizismus – trügerisch sei.

Ob es sich bei diesem Bekenntnis lediglich um ein taktisches handelte, um der staatlichen und kirchlichen Verfolgung wegen seiner damals als ketzerisch angesehenen Fragestellungen zu entgehen, ist ugeklärt.


    18) Nach David Hume (1711-1746) ist eine Theodizee, die Sinnliches und Übersinnliches durch Gründe verknüpfen will, nicht nur deshalb unmöglich, weil ihre Probleme außerhalb jeder Erfahrung liegen,sondern auch deshalb, weil wir mit Begründen und Beweisen überhauptzu keiner objektiven Erkenntnis kommen. Zwischen dem, was wir Ursache(Grund), und dem, was wir Wirkung nennen, bestehe keine innergesetzliche Verbindung, sondern das bloße Band gewohnheitsmäßiger Erfahrung (.was den Erkenntnissen der Quantenphysik entspricht; Naturgesetz oder Kausalgesetz seien nur Namen für statistische Regelmäßigkeiten, so der Physiker Erwin Schrödinger). Das „post hoc“ ist kein „propter hoc“.

    Wenn wir nach Gründen und Zielen (Sinn und Zweck) fragen – hier: in Bezug auf die Übel der Welt-, fragen wir nach zeitlichen Zusammenhängen.Gott kann aber der Zeit nicht unterliegen, da er sie ja erst geschaffen hat (abgesehen davon,dass es sich bei der Zeit nach den Erkenntnissen der modernen Naturwissenschaften lediglich um ein geistiges Konstrukt handelt).

     
    „Was für ein besonderes Vorrecht hat diese kleine Bewegung des Gehirns, die wir Denken nennen, dass wir sie in dieser Weise zum Modell des  ganzen Universums machen?“( i. d. P. Philo )

     
    19) Voltaire ( 1694-1778):
    „Ein Vater, der seine Kinder umbringt, ist ein Ungeheuer; ein König, der seine Untertanen in eine Falle lockt, um einen Vorwandfür ihre Bestrafung zu finden, ist ein abscheulicher Tyrann. Wenn man sich Gott so gütig und so gerecht vorstellt, wie ein Vater und ein König es sein sollen, gibt es keine Möglichkeit mehr, ihn zurechtfertigen. Wenn man ihm unendliche Weisheit und Güte zuschreibt,macht man ihn grenzenlos verhasst, erweckt den Wunsch, dass er nicht existieren möge, und gibt dem Atheisten Waffen in die Hand, und er wird immer sagen dürfen: Es ist besser, überhaupt nicht an einen Gott zu glauben, als Gott gerade das zur Last zu legen, was man beiden Menschen bestrafen würde. - Stellen wir also zunächst fest: Es steht uns nicht an, Gott menschliche Eigenschaften zuzuschreiben und ihn uns nach unserem Bilde vorzustellen. Menschliche Gerechtigkeit,Güte und Weisheit passen nicht zu ihm. Auch wenn man sich diese Eigenschaften unendlich vergrößert denkt, bleiben sie doch immer nur erweiterte menschliche Eigenschaften. Ebenso gut könnten wir Gott unendliche Undurchdringlichkeit, unendliche Bewegung, runde Gestalt und unendliche Teilbarkeit zuschreiben. Solche Eigenschaften kann er nicht besitzen.
    Die Philosophie lehrt uns, dass diese Welt von einem unbegreiflichen, ewigen und durch sich selbst bestehenden Wesen eingerichtet worden sein muss; aber, um es noch einmal zu betonen,sie sagt uns nichts über die Eigenschaften dieses Wesens. Wir wissen zwar, was es nicht ist, aber wir wissen nicht, was es ist.
    Für Gott gibt es kein Gut und kein Übel, weder in physischer noch in moralischer Hinsicht.“

     
    20) Jean JacquesRousseau ( 1712 – 1778 )
    vertrat die Ansicht, das Böse sei weder das Werk Gottes noch einer gegengöttlichen Macht, sondern werde erst durch den Menschen(in seiner Vergesellschaftung) hervorgerufen.
    Woher hat der aber diese Möglichkeit?

     
    21) Immanuel Kant (1724-1804) hat in seiner Schrift „Über das Misslingen aller philosophischen Versuche in der Theodizee“(1791) dieses Misslingen damit begründet, „dass unsere Vernunft zur Einsicht des Verhältnisses, in welchem eine Welt, so wie wir sie durch Erfahrung immer kennen mögen, zu der höchsten Weisheit stehe,schlechterdings unvermögend sei“ (A 209f).

     
    „Die menschliche Vernunft hat das besondere Schicksal in einer Gattung ihrer Erkenntnisse: dass sie durch Fragen belästigt wird,die sie nicht abweisen kann, denn sie sind ihr durch die Natur der Vernunft selbst aufgegeben, die sie aber auch nicht beantworten kann,denn sie übersteigen alles Vermögen der menschlichen Vernunft.“

     
    „Aller Irrtum besteht darin, dass wir unsere Art, Begriffe zubestimmen oder abzuleiten oder einzuteilen, für Bedingungen der Sachen an sich halten.“

     
    22) Novalis (1772-1801):
    „Alles widerspricht sich.“

     
    23)Johann Wolfgang Goethe (1749-1832):
     
    „ Freud muss Leid, Leid muss Freude haben.“(Mephistopheles, Faust, Vers 2923)
     
    „Die Welt, durch Vernunft dividiert, geht nicht auf.“
     
    24) Stendhal ( 1783– 1842 ):
     
    „Die einzige Entschuldigung für Gott besteht darin, dass er nicht existiert.“
     

25) Heinrich Heine (1797-1856):

 

„Das Elend des Menschen ist zu groß. Man muss glauben.“

 

     
    26) Sören Kierkegaard (1813 – 1855 ):
     
    „Glauben bedeutet, den Verstand verlieren, um Gott zu gewinnen.“

     
    27)  Arthur Schopenhauer(1788-1860):
     
    „Es gibt nur einen  angeborenen Irrtum, und es ist der, dass wir da sind, um glücklichzu sein.“
     
    „Etwas erkennen nach dem,was es ganz an und für sich sei, ist für alle Ewigkeit unmöglich:weil es sich widerspricht. Denn sobald ich erkenne, habe ich eine Vorstellung: diese muss aber, eben weil sie meine Vorstellung ist,verschieden sein von dem Erkannten und kann nicht mit demselben identisch sein.“
     
    28) Friedrich Nietzsche (1844-1900):
     
    „Also gehört das höchste Böse zur höchsten Güte.“ (Zarathustra)
     
    29)  Oscar Wilde (1854-1900):
     
    „Der Weg zur Wahrheit ist mit Paradoxien gezeichnet.“
     
    30)  Sigmund Freud(1856-1939):
     
    „Die Absicht, dass der Mensch „glücklich“ sei, ist im Plan der „Schöpfung“ nicht enthalten.“
     
    31) C.G. Jung (1875-1961):
     
    „ Man ist nicht auf der Welt, um glücklich zu sein.“
     
    32) Christian Morgenstern (1871-1914):
     
    „ Gott wäre etwas ga rErbärmliches, wenn er sich in einem Menschenkopf begreifen ließe.“
     
    „Das Wunder ist das einzig Reale, es gibt nichts außer ihm. Wenn aber alles Wunder ist, das heißt durch und durch unbegreiflich, so weiß ich nicht, warum man dieser großen einen Unbegreiflichkeit, die alles ist, nicht den Namen Gott sollte geben dürfen.“
     
    33)  Gilbert K.Chesterton (1874 – 1936 ):
     
    „Die Rätsel Gottes sind befriedigender als die Lösungen der Menschen.“
     
    34) Hermann Hesse(1877-1962) liebt Gott im Trotz:
     
    „Gebet
     
    Lass mich verzweifeln, Gott,an mir,
    Doch nicht an dir!
    Lass mich des Irrens ganzen Jammer schmecken,
    Lass alles Leides Flammen an mir lecken,
    Lass mich erleiden alle Schmach,
    Hilf nicht mich erhalten,
    Hilf nicht mich entfalten!
    Doch wenn mir alles Ich zerbrach,
    Dann zeige mir,
    Dass du es warst,
    Dass du die Flammen und das Leid gebarst,
    Denn gern will ich verderben,
    Will gerne sterben,
    Doch sterben kann ich nur in dir.“
     
    „Der Einsame an Gott
    …......
    Trotzdem, o Gott, wenn auch Dein Finger tief
    Und voll blinder Wollust in meiner Wunde wühlt,
    Trotzdem sollst Du mich nicht verzagen,
    Nicht im Staube knieen und weinen sehn,
    Denn Dein heimlichster Wunsch, Grausamer,
    Tönt ja doch unbesiegbar im Herzen mir,
    Und das Leben zu lieben,
    Und das sinnlose Leben wild und sinnlos zu lieben
    Hab ich in aller Verfolgung,
    Aller Versuchung niemals völlig verlernt.
    Dich auch und Deine launischen Wege
    Liebt mein Herz, indem es Dich trotzend höhnt.
    Ja, ich liebe Dich, Gott,und ich liebe
    Heiß die verworrene Welt,die Du schlecht regierst.
    …...........“
     
    35) Joseph Wittig(1879-1949):
     
    „Der heilige Christophorus ...sagte sich: Gerade weil das Kindlein auf meiner Schulter gar so schwer drückt, muss es am Ende etwas Göttliches sein. Denn was man ertragen und verstehen kann, mit dem ist's nicht weit her.... nehmen Sie Gott, wie er ist. Er wäre ja gar nicht Gott, wenn er gut nach Ihrem Sinne und nach Ihrem Verständnis wäre, und wenn Sie bestimmen und fordern könnten, wie gut er sein müsse. Sie, mit ihm ist nicht gut spielen! Er hat die Löwen und Tiger geschaffen und alle ihre Wut und Grausamkeit.Sie werden ihn lassen müssen, wie er ist!  Malen und meißeln kann man ihn, wie man sich ihn denkt, aber sein muss man ihn lassen und glauben muss man an ihn, wie er ist, ob er nun nach unserem Verständnis und nach unserer Ausdrucksweise „gut“ oder „böse“ ist. Beides ist er nich tnach Menschenart. Werfen Sie einmal das ganze Nachdenken über „gut“ und „böse“ weg und ertragen Sie Gott, wie er ist!... “ (Das neue Antlitz, Kempen 1947,157 ff)
     
    Dazu derTheologe Hans Kessler: Gott sei „anders gut und viel mehr gut, als wir Menschen dies mit dem Wort „gut“ von“ ihm „ auszusagen imstande sind.“
     
     
    36) Franz Kafka (1883-1924):
     
    „Wir können nicht über Gott sprechen, wir können nur zu Gott sprechen.“
    Wir können nicht über Gott sprechen, weil unsere Begriffe versagen. Wir können nur zu  ihm sprechen, weil seine überbegriffliche Liebe nicht versagt.
     
    „Die Welt kann nur von der Stelle aus für gut angesehen werden, von der aus sie geschaffen wurde, denn nur dort wurde gesagt: Und siehe, sie war gut – und nur von dort aus kann sie verurteilt und zerstört werden.“
     
    „Wer die Fragen nicht beantwortet, hat die Prüfung bestanden.“
     
    37) Dietrich Bonhoeffer(1906-1945) schöpft aus eigener, extrem leidhafter Erfahrung:
     
    „...Und wir können nicht redlich sein, ohne zu erkennen, dass wir in der Welt leben müssen -,`etsi deus non daretur`“ (als ob es Gott nicht gäbe). „Und ebendies erkennen wir – vor Gott!... Gott gibt uns zu wissen, dass wir leben müssen als solche, die mit dem Leben ohne Gott fertig werden.Der Gott, der mit uns ist, ist der Gott, der uns verlässt (Markus15,34)! Der Gott, der uns in der Welt leben lässt ohne die Arbeitshypothese Gott, ist der Gott, vor dem wir dauernd stehen. Vor und mit Gott leben wir ohne Gott. Gott lässt sich aus der Welt herausdrängen ans Kreuz, Gott ist ohnmächtig und schwach in derWelt, und gerade und nur so ist er bei uns und hilft uns. Es ist Matthäus 8,17 ganz deutlich, dass Christus nicht hilft kraft seinerAllmacht, sondern kraft seiner Schwachheit, seines Leidens! Hierliegt der entscheidende Unterschied zu allen Religionen. Die Religiosität des Menschen weist ihn in seiner Not an die Macht Gottes in der Welt, Gott ist der deus ex machina. Die Bibel weist den Menschen an die Ohnmacht und das Leiden Gottes; nur der leidende Gott kann helfen....“
    „Der Mensch wird aufgerufen, das Leiden Gottes an der gottlosen Welt mitzuleiden. Er muss also wirklich in der gottlosen Welt leben und darf nicht den Versuch machen, ihre Gottlosigkeit irgendwie religiös zu verdecken,zu verklären....“
    (Widerstand und Erhebung. Briefe und Aufzeichnungen aus der Haft, München 1959,241).
     
    „So ist es gut, frühgenug zu lernen, dass Leiden und Gott kein Widerspruch ist, sondern vielmehr eine notwendige Einheit; für mich ist die Idee, dass Gottselbst leidet, immer eine der überzeugendsten Lehren des Christentums gewesen.“ (Brief vom eine 21.5.1942 an die Familie Leibholz)
     
    „`Wo ist nun dein Gott?`(Ps 42,4 ).Ist es wahr, dass Gott schweigt? Es ist nur für den wahr,dessen Gott der Gott seiner eigenen Ideale und Gedanken ist. Ihm wird die biblische Botschaft von der Macht und Furchtbarkeit des Schöpfers und Herren aller Welt gesagt werden müssen.`Wer darf denn sagen,dass solches geschähe ohne des Herrn Befehl, und dass nicht Böses und Gutes aus dem Munde des Allerhöchsten komme?`(Klagelieder 3.37ff ).`Ich bin der Herr und keiner mehr, der ich das Licht mache und schaffe die Finsternis, der ich Frieden gebe und schaffe das Übel`((Jes.45, ( 6 und ) 7))`.`Ist auch ein Unglück in der Stadt, das derHerr nicht tue?`( Amos 3.6 ).Dieser Gott, der die Völker trinken lässt aus seinem Zornesbecher und sie durcheinanderwirft (Jer.25,15ff ),ist der Vater unseres Herrn Jesu Christi, dessen Rat wunderbar ist und der es zuletzt herrlich hinausführt ( Jes.28,29).Schweigt Gott? Nein, er redet die stumme Sprache seiner furchtbaren Macht und Herrlichkeit, damit wir klein und demütig werden und ihn allein anbeten...“ (Illegale Theologenausbildung, Sämtliche Vikariate, 1937-1940).
     
    „Die Erde, die mich ernährt, hat ein Recht auf meine Arbeit und meine Kraft. Es kommt mir nicht zu, die Erde, auf der ich mein Leben habe, zu verachten.Treue und Dank bin ich ihr schuldig. Ich darf mein Los, ein Gast und Fremdling sein zu müssen, und damit dem Ruf Gottes in diese Fremdlingschaft nicht dadurch ausweichen, dass ich mein irdisches Leben in Gedanken an den Himmel vertäume. Es gibt ein sehr gottloses Heimweh nach der anderen Welt, dem gewiss keine Heimkehr beschiedenist. Ich soll ein Gast sein mit allem, was das einschließt, ich soll mein Herz den Aufgaben, Schmerzen und Freuden der Erde nicht teilnahmslos verschließen, und ich soll auf die Einlösung der göttlichen Verheißung geduldig warten, aber wirklich warten und siemir nicht im Voraus in Wünschen und Träumen rauben“(Amerikatagebuch, zu Psalm 119)
     
    „Einen Gott, den es gibt,gibt es nicht.“ (Gott steht über Sein und Nichtsein)
     
    38)  Ein Graffito im KZBuchenwald lautet:
     
    „Du bist mein Gott! Und darum muss ich rechten und darum zweifeln, spotten und dich kränken– und darum an dich glauben und verstummen.“
     
    39) Hans Jonas(1903-1992):
     
    „Die logische Situation ist in der Tat keineswegs die, dass göttliche Allmacht die vernunftmäßige plausible und irgendwie sich selbst empfehlende Lehre ist, während die ihrer Begrenzung querköpfig und der Verteidigung bedürftig ist. Ganz im Gegenteil. Es folgt aus dem bloßen Begriff der Macht, dass Allmacht ein sich selbst widersprechender, selbst aufhebender, ja sinnloser Begriff ist. Es steht damit wie im menschlichen Bereich mit der Freiheit. Weit entfernt, dass diese beginnt, wo die Notwendigkeit endet, besteht und lebt sie im Sichmessen mit der Notwendigkeit. Die Abscheidung vom Reiche der Notwendigkeit entzieht der Freiheit ihren Gegenstand, sie wird ohne ihn ebenso nichtig wie Kraft ohne Widerstand. Absolute Freiheit wäre leere Freiheit, die sich selber aufhebt. So auch leere Macht, und das wäre die absolute Alleinmacht. Absolute, totale Macht bedeutet Macht, die durch nichts begrenzt ist, nicht einmal durch die Existenz von etwas anderem überhaupt, etwas außer ihr selbst und von ihr Verschiedenem.Denn die bloße Existenz eines solchen anderen würde schon eine Begrenzung darstellen, und die eine Macht müsste dies andere vernichten, um ihre Absolutheit zu bewahren. Absolute Macht hat dann in ihrer Einsamkeit keinen Gegenstand, auf den sie wirken könnte.Als gegenstandslose Macht aber ist sie sinnlose Macht,die sich selbst aufhebt.`All` ist hier gleich `Null`.Damit sie wirken kann, muss etwas anderes da sein, und sobald es da ist, ist das eine nicht mehr allmächtig, obwohl seine Macht bei jedem Vergleich beliebig hoch überlegen sein kann. Die geduldete Existenz per se eines anderen Gegenstandes limitiert als Bedingung der Betätigung die Macht der mächtigsten Wirkkraft, indem sie ihr zugleicherst erlaubt, eine Wirkkraft zu sein. Kurz, `Macht` ist ein Verhältnisbegriff und erfordert ein mehrpoliges Verhältnis. Selbst dann ist Macht, die keinem Widerstand  in ihrem Bezugspartner begegnet, dasselbe wie überhaupt keine Macht. Macht kommt zur Ausübung nur in Beziehung zu etwas, was selber Macht hat. Macht, wenn sie nicht müßig sein soll, besteht in der Fähigkeit, etwas zu überwinden; und Koexistenz eines anderen ist als solche genug, diese Bedingung beizustellen. Denn Dasein heißt Widerstand und somit gegenwirkende Kraft. So wie in der Physik Kraft ohne Widerstand, also Gegenkraft, leer bleibt, so auch in der Metaphysik Macht ohne Gegenmacht, ungleich, wie sie sei.Dasjenige also, worauf die Macht wirkt, muss eine Macht von sich her haben, selbst wenn diese von jener ersten abstammt und dem Inhaber, in eins mit seinem Dasein, ursprünglich gewährt wurde durch einen Selbstverzicht der grenzenlosen Macht – eben im Akt der Schöpfung. Kurz, es kann nicht sein, dass alle Macht aufseiten eines Wirksubjekts allein sei.Macht muss geteilt sein, damit es überhaupt Macht gibt.
    Doch neben diesem logischen und ontologischen gibt es einen mehr theologischen und echt religiösen Einwand gegen die Idee absoluter und unbegrenzter göttlicher Allmacht. Göttliche Allmacht kann mit göttlicher Güte nur zusammen bestehen um den Preis gänzlicher göttlicher Unerforschlichkeit, das heißt Rätselhaftigkeit. Angesichts derExistenz des Bösen oder auch nur des Übels in der Welt müssten wir Verständlichkeit in Gott der Verbindung der beiden anderen Attribute aufopfern.Nur von einem gänzlich unvorstellbarem Gott kann gesagt werden, dass er zugleich absolut gut und absolut allmächtig ist und doch die Welt duldet, wie sie ist. Allgemeiner gesagt, die drei Attribute in Frage – absolute Güte, absolute Macht und Verstehbarkeit – stehen in einem solchen Verhältnis, dass jede Verbindung von zweien von ihnen das Dritte ausschließt.Die Frage ist dann: welche von ihnen sind wahrhaft integral für unseren Begriff von Gott und daher unveräußerlich, und welches dritte muss als weniger kräftig dem überlegenen Anspruch der anderen weichen? Gewiss nun ist Güte, das heißt das Wollen des Guten, untrennbar von unserm Gottesbegriff und kann keiner Einschränkung unterliegen.Verstehbarkeit oder Erkennbarkeit, die zweifach bedingtist: vom Wesen Gottes und von den Grenzen des Menschen, ist in letzterer Hinsicht allerdings der Einschränkung unterwarfen, aber unter keinem Umständen duldet sie totale Verneinung.Der Deus absconditus, der verborgene Gott (nicht zu reden vom absurden Gott),ist eine zutiefst unjüdische Vorstellung.Unsere Lehre, die Thora,beruht darin und besteht darauf, dass wir Gott verstehen können,nicht vollständig natürlich, aber etwas von ihm – von seinem Willen, seinen Absichten und sogar von seinem Wesen, denn er hat es uns kundgetan.Es hat Offenbarung gegeben, wir besitzen seine Gebote und sein Gesetz, und manchen – seinen Propheten – hat er sich direkt mitgeteilt, als seinem Mund für alle in der Sprache der Menschen und der Zeit, gebrochen daher in diesem beschränkenden Medium, doch nicht in dunklem Geheimnis.Ein gänzlich verborgener,unverständlicher Gott ist ein unannehmbare Begriff nach jüdischer Norm.
    Genau das aber müsste er sein, wenn ihm zusammen mit Allgüte auch Allmacht zugeschrieben würde.Nach Auschwitz können wir mit größerer Entschiedenheit als je zuvor behaupten, dass eine allmächtige Gottheit entweder nicht allgütig oder (in ihrem Weltregiment, worin allein wir sie erfassen können) total unverständlich wäre.Wenn aber Gott auf gewisse Weise und in gewissem Grade verstehbar sein soll (und hieran  müssen wir festhalten), dann muss sein Gutsein vereinbar sein mit der Existenz des Übels, und das ist es nur, wenn er nicht all-mächtigist.Nur dann können wir aufrechterhalten, dass er verstehbar und gut ist und es dennoch Übel in der Welt gibt. Und da wir sowieso den Begriff der Allmacht als zweifelhaft in sich selbst befanden, so ist es dieses Attribut, das weichen muss.“(aus: „Der Gottesbegriffnach Auschwitz“, Eine jüdische Stimme)
     
    40) Theodor Adorno(1903-1969):
     
    „... es ist eine kardinale Unwahrheit, das als schlecht erkannte Dasein für die Wahrheit auszugeben, nur weil es einmal erkannt war.“
     
    41) Georges Bataille(1922-1962):
     
    „Gott ist schlimmer ode rferner als das Böse, er ist die Unschuld des Bösen.“
    „Gott ist einzig erfahrbar durch die Form der Überschreitung, durch ein Ent-Setzen, das die Erscheinungen aus ihrer Ordnung fern lässt“
     
    42)  Marvin Minsky (geb. 1927 ):
     
    „Logik lässt sich nicht auf die wirkliche Welt anwenden.“
     
     

43) Teilhard de Chardin (1881-1955):

 

Keineswegs aus Ohnmacht,....sondern kraft der eigentlichen Struktur des Nichts, über das er sich neigt, kann Gott, um zu schaffen, nur in einer einzigen Weise vorgehen: unter Benutzung des tastenden Spiels der großen Zahlen eine unermessliche Vielzahl zunächst unendlich zahlreicher, äußerst einfacher und kaum bewusster Elemente – dann nach und nach seltenere, komplexere und schließlich mit Reflexion begabter Elemente unter seinem anziehenden Einfluss nach und nach anordnen, eins machen. Was ist aber die unvermeidliche Kehrseite jedes in einem Prozess dieser Art erzielten Erfolges, wenn  nicht, dass er mit einem gewissen Anteil von Abfällen bezahlt werden muss? Disharmonie oder physischer Zerfall im Vor-Lebendigen, Leiden beim Lebendigen, Sünde im Bereich der Freiheit: keine in Bildung begriffene Ordnung, die nicht auf allen Stufen folgerichtig Unordnung einschließt.“ (MeinWeltbild, 59f)

 

Einwand:

 

Wird denn Gott vom Nichts, der  Zeit (Entwicklung), dem „Spiel der großen Zahlen“, dem Gegensatz von Ordnung und Unordnung usw. überbestimmt? Ist denn die Evolution nicht, wie alles, von Gott geschaffen, sondern lediglich initiiert und ihr Verlauf für ihn in Einschränkung seiner Allmacht unvermeidlich?

     
     

44) Karl Barth (1886-1968):

 

Das „Nichtige“ -  wie das Übel -  habe Gott mit seiner Schöpfung ( opus proprium ) verworfen ( opus alienum ). Aber auch dieses Nicht – Wollen Gottes habe Macht, sei Gegenstand göttlicher Souveränität, könne „nicht ohne reale Entsprechung sein“, sei sozusagen Werk der linken Hand Gottes.

 

 Einwände:

 

Wenn Gott etwas nicht will, dann muss ihm die Möglichkeit des Nichtgewollten bereits vorgegeben sein, er ihr entgegen seiner Allmacht also unterworfen sein. Gleiches gilt für das Gewollte. Überhaupt ist Wille etwas auf die zukünftige Verwirklichung Gerichtetes, so dass Gott, wenn er einen Willen hätte, der Zeit unterworfen wäre, obwohl doch alles und damit auch sie auf ihn zurückzuführen ist.

Wenn das von Gott bei seiner Schöpfung Nichtgewollte gegen ihn mächtig sein kann, dann hätte er etwas geschaffen, was er nicht will.

 

 

45) Karl Rahner (1904-1984):

 

Die Unbegreiflichkeit des Leides ist ein Stück der Unbegreiflichkeit Gottes.“ (Schriften zur Theodizee XIV 463 )

Leid nötige zur „Ekstase“, zum „Aus- sich- heraus- Stehen“ in die Trauens- (Glaubens-) Beziehung zu Gott in seiner Unbegreiflichkeit ( a.a.O.462-466 ). In dieser vertrauenden Selbst-Übereignung an Gottes Geheimnis „erscheint die Liebe als die Leuchte der Erkenntnis des Endlichen“ ( Hörer des Wortes, 124 ). „Der endliche Geist muss notwendig Gott als den Unbegreiflichen annehmen.“ ( Sonderdruck, Text in “The Universe“, England-Karwoche 1984)

 

Einzuwenden ist, dass dieser Umgang mit dem Leid den Glauben vorausgesetzt, von dem es abschreckt.

 

46) Albert Camus (1913 - 1960 )

 

Theodizeefrage bei Albert Camus

 

„Man muss sich Sisyphos als glücklichen Menschen vorstellen!“

 

Interpretationsversuch:

 

Das Sein kann logischerweise nicht anders sein, als es ist. Denn die Möglichkeit des Andereseins ist bereits etwas Seiendes, setzt das Sein also voraus und kann daher für dieses selbst nicht gelten.

Uns bleibt daher nichts anderes übrig, als diese Kontingenz des Seins hinzunehmen.Man muss sie nicht – wie Camus - Sinnlosigkeit nennen, sondern kann sie ohne Wertung als Sinnfreiheit bezeichnen.Welchen Sinn sollte denn Sinn auch haben?

 

Camus Aufforderung: „Man muss sich Sisyphos als glücklichen Menschen vorstellen!“, verstehe ich daher so, dass das Glück nur darin bestehen kann, nicht nach Sinn zu suchen.  So heißt es im „Mythos des Sisyphos“: „..., dass Leben umso besser gelebt werden wird, je weniger sinnvoll es ist.“

 

 

 

47) Hans Urs von Balthasar ( 1905 – 1988 ):


Gott verfolge eine in Christus offenbarte Heilsabsicht. Christus bedeute „Anfang und Fundament für den geistigen Entscheidungskampf, der die Geschichte füllen wird“.Diese sei in die „übermenschliche Schlacht“ zwischen Gott und Gegengott eingespannt.“

„Das vollkommene Ja Christi zu Gott und zur Welt treibt erst das vollkommene Nein, das dämonische, antichristliche aus seiner Latenz hervor.“

Die Weltgeschichte sei „innerlich unvollendbar“, „weil die blutige Straße, die zu einem vielleicht relativ-glücklichen Endzustand führt, durch diesen niemals gerechtfertigt werden kann“, „das entsetzliche, grundlose Leiden der Kreatur überschreitet das`sehr gut´ des Schöpfers am Anfang“. Jesu Wirken gleiche einer „zweiten Schöpfung“.

Der freie Gott habe freie Geschöpfe geschaffen und dabei ihr Verlorengehen aufgrund des freien Nein in Kauf genommen, weil er dieses Wagnis habe verantworten können, da er „sich selber ins Wagnis mit hinein warf und von sich her einen Weg durch das Weglose eröffnete“. Durch seine Menschwerdung in Jesus bis in Tod, Verlassenheit, Hölle fange er alles Leid, alle Sünde und Verlorenheit auf, da er all dies „in sich selbst ertragen und ausdulden kann: durch einen göttlichen Schmerz, in dem die ewige Liebe sich ausblutet über alle inner – weltlichen Wunden hinaus.... Jeder Schmerz kann als solcher.. ..Teil erhalten an der Seligkeit dreieiniger Liebe.“


 

Auch hier also wieder – die crux der Theologie - die Gefangenheit Gottes in der Zeitlichkeit und in Gegensätzen! Das Leid wird hier Gott nicht zugerechnet, sondern im Gegenteil wird dieser von ihm transzendiert. Ein kläglicher Gott! Dann schon lieber Atheismus. Wie kann es zu solchen theologischen Demontagen Gottes kommen? Wohl aufgrund einer Neigung, „lieber Schranken der Macht Gottes als Schranken seiner Güte anzunehmen“ (Klaus P. Fischer, Schicksal in Theologie und Philosophie. Dieses Werk war auch Grundlage der hier vorgenommenen knappen Zusammenfassungen der Lehren der Vertreter der sog. Prozesstheologie).

 

48) John Hick (geb.1922):

 

Gottes Schöpfung sei noch nicht abgeschlossen („Prozess-Theologie“). Der Mensch brauche zu seiner Vervollkommnung (Gott-Ähnlichkeit, Gen 1,26) das Leid als Herausforderung, um es schließlich durch seine Mitwirkung zu überwinden.

 

Dagegen ist einzuwenden, dass Gott der Zeit nicht unterworfen ist, sondern sie – wie alles – erst „geschaffen“ hat. Nach der Genesis ist die Schöpfung einschließlich der Ermöglichung ihrer Entwicklung abgeschlossen und von Gott als „sehr gut“ befunden worden. Warum sollte das Leid ermöglicht worden sein, wenn es dessen Ziel ist, überwunden zu werden?

 

 

49) Wolfgang Pannenberg (geb. 1928):

 

Grund allen Leides sei die Auflehnung des Geschöpfes aufgrund seiner gottgegebenen Selbstständigkeit „gegen die Schranke der Endlichkeit“, da die Geschöpfe „durch ihre Verselbstständigung dem Schicksal der Entropie anheimfallen“ ( Systematische Theologie 2, S. 199), wie dies schon in der untermenschlichen Natur zu erkennen sei. Gott habe dies in Kauf nehmen müssen, um eine Welt endlicher und zugleich selbstständiger Geschöpfe zu schaffen (a.a.O. S. 200). „Erst die eschatologische Vollendung der Welt kann die Gerechtigkeit Gottes in seinem Schöpfungshandeln und damit auch seine Gottheit definitiv erweisen“ (a.a.O. S. 201).

Im Hinblick auf Rö 8.20 sei „Leiden an der Vergänglichkeit... die Grundform des Leidens“ („Die christliche Deutung des Lebens“ in: Beiträge zur Systematischen Theologie 2).

 

Einwendungen:

 

Der Erklärungsversuch Pannenbergs deckt nicht alle Arten des Leides ab, nämlich nicht das Leid, das von der Einstellung des Menschen unabhängig ist (z.B. Naturkatastrophen). Er lässt unbeantwortet, weshalb Gott die Endlichkeit und Selbstständigkeit seiner Geschöpfe als Grund ihres Leidens geschaffen hat. Er ist anthropomorph: Wenn Gott das Leid um der Endlichkeit und Selbstständigkeit seiner Geschöpfe willen in Kauf nehmen muss, unterliegt er Zwängen, Einschränkungen seinerAllmacht. Unerklärt bleibt auch, warum Gott die Welt erst eschatologisch zu  vollenden vermag. Ist er denn der Zeit unterworfen?

 

50) Peter Knauer (geb. 1935):

 

Er wendet sich gegen den Anthropomorphismus bei den Versuchen der Beantwortung der Theodizeefrage. Selbstverständlich habe Gott die Übel der Welt geschaffen ( Jes 45,7; Am 3,6 ) und gewollt ( Mt 10,29 ) und erbarmt sich, wessen er will ( 2. Mos 11,10; Rö 9,18 ).

Das aber sei der „verborgeneGott“ (Martin Luther, Bonhoeffer), der Schöpfer-Gott, der Allmächtige, der uns nichts angehe.

Da die Welt von Gott „aus dem Nichts geschaffen“ worden sei, sei sie das, was ohne Gott nichts ist. Diese totale Verwiesenheit auf Gott begründe zugleich die totale Verschiedenheit von ihm. Daher sei das Sein der Welt vom Nicht-Sein durchdrungen, aber eben auch nur durchdrungen, sei also nichts ohne das Sein, wodurch der Vorrang des Positiven vor dem Negativem begründet werde.

 

Das nun sei die von Jesus offenbarte Welt. In dieser sei Gottes Allmacht kein omnipotentes Können, sondern aktuale Mächtigkeit, seine Liebe nicht universal, sondern besonders (Thomas von Aquin), nämlich in der Beziehung zu seinem Sohn, worin die Schöpfung einbezogen sei, im „Heiligen Geist“.

 

Einwendungen:

 

Knauer lässt unbeantwortet, woher „das Nichts“, aus dem die Welt „geschaffen“ worden sei, kommt, ganz zu schweigen von der Paradoxie des Nichts, das dem Sein ja nicht vorgelagert gewesen sein kann, ohne selbst etwas Seiendes gewesen zu sein, und von der Zeit, die jedes Schaffen als zeitlicher Akt voraussetzt, so dass Gottes  „Schöpfung aus dem Nichts“ die Zeit und nicht das Nichts als das „Vorher“ vorausgegangen sein müsste.

 

Hier zeigt sich wieder das Grundübel aller Theologie und Philosophie, nämlich die anthropomorphe Prämisse einer Präexistenz der „noúmena“ (Kant), also des Ungegenständlichen, was wir mit abstrakten Begriffen ausdrücken (zumal in der Quantenphysik alles Gegenständliche auf Ungegenständliches zurückzuführen ist).

 

     
    51) JosephRatzinger/Papst Benedikt XVI (geboren 1927) behandelt das Thema in seinen Schriften merkwürdig beiläufig:
     
    „... dass die Freiheit gleichsam als die notwendige Struktur der Welt erscheint, und dies wieder heißt, dass man die Welt nur als unbegreifliche begreifen kann, dass sie Unbegreiflichkeit sein muss. Denn wenn der oberste Konstruktionspunkt der Welt eine Freiheit ist, welche die ganze Welt als Freiheit trägt, will, kennt und liebt, dann bedeutet dies, dass mit der Freiheit die Unberechenbarkeit, die ihr innewohnt, wesentlich zur Welt gehört. Die Unberechenbarkeit ist ein Implikat derFreiheit; Welt kann – wenn es so steht – nie vollends auf mathematische Logik zurückgeführt werden. Mit dem Kühnen und Großen einer Welt, die von der Struktur der Freiheit gezeichnet ist,ist so aber auch das dunkle Geheimnis des Dämonischen gegeben, das uns aus ihr entgegentritt. Eine Welt, die unter dem Risiko derFreiheit und der Liebe geschaffen und gewollt ist, ist nun einmal nicht bloß Mathematik. Sie ist als Raum der Liebe Spielraum der Freiheiten und geht das Risiko des Bösen mit ein. Sie wagt das Geheimnis des Dunkels um des größeren Lichtes willen, das Freiheit und Liebe sind.“ („Einführung in das Christentum“, unter de rÜberschrift: „Der persönliche Gott“, 5. Auflage, S. 147 f ).
     
    Demnach wäre Gott durch die präexistenten  Gegensätze von Freiheit und Notwendigkeit sowie Liebe und „Dämonie“ überbestimmt (transzendiert) und damit nicht allmächtig.Diese Gegensätze sollen nicht lediglich anthropomorph sein, der Gegensatz von Berechenbarkeit undUnberechenbarkeit jedoch schon, wenn nicht auch Gott unberechenbar sein soll.. Vor allem aber bleibt die (-wie die Theodizeefrage überhaupt- anthropomorphe) Frage offen, warum Gott die Welt in seiner Allmächtigkeit und Liebe nicht begreiflich  und risikolos gut geschaffen hat!
     
    52) Magnus Striet(Fundamentaltheologe, geb. 1967):
     
    „Nur, weil endliche Sinnerfahrungen gemacht werden, muss noch kein umfassender, diese Erfahrungen einbergender Sinnhorizont existieren.“
     
    53)  Thomas Gerlach (Pfarrer)
     
    wendet sich gegen alle Versuche, dem Bösen irigendeinen Sinn abzugewinnen, da es dadurch lediglich verharmlost werde. Denn die Natur des Bösem bestehe gerade darin, für nichts gut zu sein.Das Böse, das in Gottes Plänen irgendeinen Sinn macht, sei nicht mehr radikal böse, sondern nur relativ böse.
     
    Diese Relativität liegt jedoch im Wesen des Bösen begründet. Denn das Schlechte/Böse ist der Gegensatz zum Guten. Ohne das Schlechte wäre das Gute nicht gut,also etwas als positiv Bewertetes, sondern lediglich etwas wertneutral Gegebenes, dessen Gegenteil allein in seiner Abwesenheit,dem Normalen, läge.
     
     

54)  Klaus Berger (geb. 1940):

 

Ich habe lange gezögert, auch diesen Bibel-Theologen in diese Übersicht aufzunehmen. Denn sein Gott ist kein  monotheistischer Gott mehr, sondern lediglich eine – wenn auch letztlich siegreiche – Macht unter Mächten.

 

Böses besteht außerhalb des Herrschaftsbereiches  Gottes“. Es sei vorgegeben. „Der Gott Israels schenkt die Ausnahme.“ „Gott ist (unter Mithilfe der Menschen) dabei, das Böse und Lebensfeindliche zu vertreiben... hat seine Herrschaft noch nicht universal durchgesetzt.“

 

Gott hat also entgegen den oben zitierten Bibelstellen das Böse (besser: die Möglichkeit des Bösen) nicht geschaffen, seine Schöpfung war entgegen der Genesis nicht „gut“ und „sehr gut“. Er muss selbst erst noch den Gegengott des Bösen besiegen. Seine Macht ist lediglich ein Prozess, wird also von der Zeit als einer Übergöttin regiert. Und: Wenn der Sieg Gottes schon von vornherein feststeht, bleibt zu fragen, warum Gott ihn erst erringen muss!

 

Auf einen solchen Gott wird jeder Leidende liebend gerne verzichten. Er braucht die Hilfe Gottes jetzt, nicht erst nach dessen Sieg, den er nicht mehr erleben wird.

 

Diese sogenannte Prozesstheologie ist also – wenn die Theodizeefrage der „Fels des Atheismus“ ist (Georg Büchner) – geradezu ein Aufruf zum Atheismus! Tiefer kann Gottesglaube nicht mehr sinken.




    III Eigene Perspektiven:

     
    1) Scheinproblem:
     
    a) Allmacht kann nicht heißen,dass Gott nur das Gute hätte schaffen dürfen und schaffen darf. Denn dann wäre sie eingeschränkt.
     
    b) Güte kann nicht heißen, dass Gott die Übel nicht hätte schaffen dürfen und nicht schaffen darf. Denn  das geschaffene Gute  setzt in dieser positiven Wertung (Qualität) das Schlechte voraus , da es sonst ein bloßes (wertneutrales) Faktum (Entität) wäre.
    Daher widersprechen die Übel weder der Allmacht noch der Güte Gottes.
     
    c) Die Frage nach dem Grund, warum Gott die Welt so geschaffen hat, wie sie ist, insbesondere voller Unvollkommenheit und Leid, geht ins Leere:
     
    aa) Denn für Gott gelten keine Gründe, nämlich schon deshalb nicht,weil er selbst der letzte Grund ist und in seiner Allmächtigkeit durch Gründe nicht überbestimmt ( transzendiert ) sein kann.
     
    bb) Gründe sind bereits etwas Seiendes und können daher für das Sein selbst nicht gelten. Gott hat sie mit der Welt erst geschaffen.

    cc) Sie setzen im übrigen die Zeit voraus, in der sie zu Wirkungen führen (Kausalitätsprinzip) und Ziele zu verwirklichen ausgerichtet sind (Rationalitäts-, Sinnprinzip). Wer würde aber bestreiten wollen, dass Gott über Zeit und Raum erhaben ist (zumal es sich dabei nur um Vorstellungen handelt, wie die Philosophen des Idealismus - insbes.Kant mit seinen "Aporien"- aufgezeigt  und die modernen Naturwissenschaften bestätigt haben)?
     
    dd) Welche Gründe sollten Gründe und welchen Sinn sollte Sinn dennhaben?
     
    ee) Eine Welt ohne Leid wäre nicht besser, da sie das Leid nicht kennen würde und daher keine Vergleichsmöglichkeit hätte (wenn es in ihr überhaupt die Wertung als „gut“ gäbe, die doch die Möglichkeit einer Wertung als „schlecht“  voraussetzt, denn  das „Gute“ wäre ohne das „Schlechte“ als sein Gegenteil nichts Qualitatives, sondern lediglich ein Faktum, dessen Gegenteil die bloße Verneinung wäre).
    Gäbe es nicht -1, gäbe es auch nicht +1, sondern lediglich 1. Gäbe es kein Leid, gäbe es auch keine Freude, sondern lediglich Gefühl als solches. 
     
    ff)Jede Beurteilung setzt eine Überebene voraus, von der aus bewertet wird. Sie könnte allenfalls Gott und daher uns unzugänglich sein.
    gg) Jedes Sein muss irgendwie sein. Dieses  Sosein ist notwendigerweise kontingent ( „grundlos“),  da es nur aus sich heraus betrachtet werden kann (vergleiche auch Gödel)  und daher in jedem Sein gefragt werden könnte, warum es gerade so und nicht anders ist (falls dort überhaupt eine solche Frage möglich ist).
     
    d) So vordergründig also der Gottesglaube im Hinblick auf das Leid erscheint, so abgründig ist die Suche nach Hintergründen.
    DieTheodizeefrage kann daher, richtig gestellt,  nur lauten: Was hat Gott mit uns vor, die er in diese leidhafte Welt gestellt hat(Erlösungsfrage).

     
    2) evolutionsbiologischer Aspekt:
    ¨οὔτε ἀγαθόν τί ἐστι φύσει, οὔτε κακόν,ἀλλὰ πρὸς ἀνθρώπων ταῦτα νόῳ κέκριται, κατὰ τὸν Τίμωνα -VonNatur gibt es weder Gutes noch Böses, sondern  diesen Unterschied hat menschliche Meinung gemacht, wie Simon sagt.“( Sextus Empiricus, Adversus mathematicos, XI, 140 ).

Κατὰ δὲ φαινόμενον τούτων ἕκαστον ἔχομεν ἔθος ἀγαθὸν ἢ κακὸν ἢ ἀδιάφορον προσαγορεύειν –Im Sinne bloßer Erscheinung sind wir gewohnt, die einzelnenGegenstände als gut, schlecht oder indifferent zu bezeichnen (Pyrrhon von Elis )

    „Natura non contristatur – Die Natur wird nicht traurig.“ ( antike Sarkophagaufschrift )
     

„Der Herr tut weder Gutes noch Böses.“( Zef. 1,12 )

     
    Das konkrete Negative(Unvollkommenheiten, Übel, Leiden) ist nicht in der Natur an sich,sondern stellt eine – uns von der Evolution als Überlebensvorteil ermöglichte - Bewertung beziehungsweise Empfindung lebenswidriger Gegebenheiten als etwas dar, dem es vorzubeugen, auszuweichen, das es zu bekämpfen, und dem es zu entrinnen gilt.Zu den Lebenswidrigkeiten im weitesten Sinn gehören auch Beeinträchtigungen unseres Selbstwertgefühls, unseres Harmoniebedürfnisses, unseres ästhetischen Geschmackes und unserer ethischen Werthaltung; dem Schutz davor dienen unsere seelischen Missempfindungen und ästhetischen sowie moralischen Unwerturteile.

Die Theodizeefrage findet demnach – auch – darin ihre Lösung, dass Gut und Böse (als unsere Wertungen) unserem Lebenserhalt dienen. Wäre alles gut oder neutral, könnten wir dies nur als selbstverständlich empfinden und daher nicht als stimulierend für das Weiterleben. Wäre alles schlecht, könnten wir dies ebenfalls nicht so einschätzen und uns dagegen schützen.

Wir freuen uns, um gerne weiterzuleben, und leiden, um die Freude schätzen zu können und (durch Flucht vor dem Leid oder dessen Überwindung) sie zu suchen.

Freilich lässt sich oft das Leid nicht überstehen und Freude nicht finden. Auch kann die Freude ins Verderben führen bei Übergenuss. Diese Extreme sind jedoch – wie der Tod – dem Leben in seiner Begrenztheit immanent.


     
    3) begrifflicher Aspekt:
     
    Das Problem der Theodizee ist in erster Linie ein solches der  Begrifflichkeit.
     
       a) „ Allmacht“ ist ein durch und durch paradoxer Begriff.Sie umfasst auch die Macht, nicht allmächtig zu sein. Außerdem setzt sie Zeit und Kausalität voraus, um sich zu verwirklichen, also etwas Präexistentes und sie damit Transzendierendes. Sie wird daher durch sich selbst und durch andere „Mächte“ überbestimmt und ist daher nicht allumfassend. Ferner setzt jede Macht ein Objekt voraus ( Hans Jonas; siehe oben).Da die Allmacht begrifflich jedoch alles umfasst, ist für ein Objekt kein Raum mehr. Sie ist daher überhaupt keine Macht. Da sie sich selbst genügt, schließt sie auch einen Wirkungsbedarf aus. Auch daher ist sie überhaupt keine Macht.
    Alle „All“-Beriffe sind paradox. „Sein“ ist alles, also auch das Nicht – sein  des Nicht – Seienden (das ja genauso „real“ ist wie alles Seiende). Darüber hinaus muss  das Alles aber auch das Nichts, also sein Gegenteil, umfassen, zumal auch dieses (wie das einzelne Nicht- Seiende) ein paradoxer Begriff ist, weil, wenn es das Nichts (oder das einzelne Nicht-Seiende) „gibt“, es ja doch nicht nichts (bez. doch nicht etwas Nicht-Seiendes), sondern seiend (bez.etwas Seiendes) ist. Das Nichts aber wiederum muss ebenso wie das Alles allumfassend sein (darf nichts „übriglassen“) und daher auch das Alles umfassen, so dass sich ein Denkzirkel ergibt.Das gilt, wie ausgeführt, auch für den „All“-Begriff der„Allmacht“. Sie muss auch die Nicht – Allmacht einschließlich der Ohnmacht, ja auch die Macht zum Nicht – Sein  des Allmächtigen einschließen, der dann zwar – positiv ausgedrückt – über alles einschließlich des Nichts erhaben ist, dies aber – negativ ausgedrückt – bedeutet, dass es nichts mehr gibt, wovon er sich unterscheiden könnte, so dass er keine Identität aufweist. Die Allmacht wird vom Ausdruck für etwas Transzendentes zum Leer-Begriff.
    Jede Begrifflichkeit, die ja lediglich Abstraktion ist, ist ungenau (Man denke auch an die Quantenphysik, wo sich nach der Heisenbergschen Unschärferelation Ort und Impuls eines Elementarteilchens – ontologisch bedingt, nicht lediglich epistemologisch - nicht zugleich beliebig genau bestimmen lassen).
    Bei genauer Betrachtung ist alles  ungenau und alle Grenzen verschwimmen. Gehörten diese zum einen oder zum anderen voneinanderAbgegrenzten oder zu beidem, wären sie keine Grenzen, weil sie im Abgegrenzten aufgingen..Gehörten sie weder zum einen noch zum anderen,wären sie ebenfalls keine Grenzen, sondern etwas –wenngleich unendlich teilbares - Drittes zwischen dem Getrennten.Es gibt sie also überhaupt nicht, ebenso wenig wie die Grenzen zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft,wo dies besonders offenkundig wird. Daher ist alles eines und dieses Eine mangels Identität (es kann ja nicht von etwas anderem unterschieden werden) nichts. Dieses Nichts kann es aber nicht geben, da es sonst ja doch etwas wäre.
    Es bleibt dabei: Alle Begriffe sind Abstraktionen und daher im Konkreten bei genauer Betrachtung unscharf.
     
       b) „ Güte“ ist ein wertender Begriff. Sie setzt einen Vergleich mit etwas voraus, das als nicht gut oder gar als schlecht bewertet wird. Gott kann von uns daher nur dann als „gut“bewertet werden, wenn wir etwas kennen, was wir als nicht gut oder gar als schlecht bewerten.
    Gott kann demnach  nicht zugleich allmächtig und gut sein, da er, wenn er allmächtig ist, nicht auf das Gutsein festgelegt sein kann,und, wenn er gut ist, es außerhalb von ihm auch Nicht-Gutes oder gar Schlechtes geben muss.
    Andererseits kann man auch wie folgt argumentieren:
    Der Allmacht kann nichts widersprechen, da sie sonst auf Grenzen stieße. Sie kann daher auch Gegensätze überwinden und zwar auch in der Weise, dass sie im Übel gut ist.
    Liebe dagegen ergibt als Begriff einer Beziehung nur dann Sinn, wenn es auch Beziehungslosigkeit oder – zur Erhöhung des Wertes der Liebe –sogar auch negative Beziehungen wie Bosheit, Hass und Grausamkeit gibt. Um uns in Liebe zu erscheinen, muss Gott also auch die Möglichkeit der Abwesenheit von Liebe und, um die Liebe zu erhöhen,die Möglichkeit des Liebeswidrigen geschaffen haben können .
     
    4)semantischer Aspekt:

    Gäbe es nur Positives – als welches wir lebensgünstige Umstände bewerten und empfinden -, wäre es nicht positiv (könnte nicht so bewertet beziehungsweise empfunden werden), sondern selbstverständlich.
    Auch wenn es nur das Negative nicht gäbe,wäre das Positive nicht positiv,sondern lediglich die Alternative zu seiner Abwesenheit.
    Gäbe es nicht -1, gäbe es auch nicht +1, sondern lediglich 1. Gäbe es kein Leid, gäbe es auch keine Freude, sondern lediglich Gefühl als solches.
     
    Da in höchster Abstraktion nur das allgemeine Sein als solches (einschließlich des Nichtseins des Nichtseienden, das ja genau so real ist wie das Seiende) positiv ist,während sein Gegenteil, das bloße Nichtsein als solches, das Nichts, nicht ohne Selbstwiderspruch „sein“ kann, kommt dem Negativem keine Eigenständigkeit zu .Das Negative bezieht seine Identität erst durch den Vergleich mit dem konkreten Positiven,dessen Gegensatz es darstellt. Das Positive ist primär , das Negative davon abgeleitet. Das Negative ist als Gegensatz auf das primäre Positive bezogen und verleiht diesem erst seine Wertigkeit als positiv. Daher gehört es als etwas letztlich Positives zum Positiven. Das Positive bestätigt sich durch das Negative selbst in seiner Wertigkeit.Ohne das Negative wäre das Positive lediglich die Alternative zu seiner Abwesenheit, dem Neutralen.
    Die Zwischenschaltung dieses Neutralen zwischen den Gegensätzen von Positiv und Negativ steigert die Wertigkeit des Positiven als etwas,das auch durch die bloße Abwesenheit des Negativen nicht zur Selbstverständlichkeit entwertet wird.
    Das alles ist nicht umkehrbar.

    5) a) formallogischer Aspekt:

    Eine perfekte Welt wäre Gott selbst ( vgl.auch Leibnitz: Gott habe demMenschen nicht alles verleihen können, ohne ihn selbst zu einem Gott zu machen; es habe also verschiedene Stufen in der Vollkommenheit der Dinge und ebenso Beschränkungen jeder Art geben müssen ).

    Wenn Gott allmächtig ist, dann umfasst diese Macht auch die Macht, nicht zu sein- er ist erhaben über Sein und Nichtsein (Dietrich Bonhoeffer: „Einen Gott, den es gibt, gibt es nicht.“) -, auch nicht allmächtig zu sein. Er ist über alle Vorstellungen, also auch Begriffe, erhaben (wie ja sogar die Erkenntnisse der Quantenphysik:zum Beispiel ist ein Elektron in der unbeobachteten Superposition gleichzeitig überall und nirgends);         sonst wäre er nicht allmächtig, sondern durch diese überbestimmt (vgl.2.Mos.3,14;20,4;33,18ff;5.Mos.5,8;Pred.8,17;11,5;
    Jes.55,9; 1.Kö.8;27;Math.11,27;Luk.10,21; Joh.16,23;Ps.22.3).
    Auch kann Gott in seiner Allmacht nicht auf das Gute festgelegt sein und muss in ihr auch im Bösen gut sein können und umgekehrt (Erhabenheit auch über Widersprüche).
    Die Erhabenheit über Gut und Schlecht kann nach unseren Maßstäben zwar für uns schlecht sein, aber- von uns losgelöst betrachtet- in einem höheren Sinn(da sie einem solchen Maßstab nicht mehr unterliegt) - nur als „bestens“ gewertet werden;denn Letztbegründetes (inGott) ist nicht abgründig,sondern verankert. Unser Schiff ist Stürmen ausgesetzt, aber geschützt.
     
    b) systemlogischer Aspekt:
     
    Die Theodizeefrage beruht auf einer unzulässigen μετάβασις εἰς ἄλλο γένος,d.h. hier: auf einem unzulässigen Schluss vom Konkreten (Individuellem, Besonderen, Teil,Glied, Einzelnen) auf das Abstrakte (Universelle, Allgemeine, Ganze,System, Alles).
    Man konstatiert, dass jedes konkrete Leid einen Grund hat, zum Beispiel eine körperliche oder seelische Verletzung, und fragt weiter, welchen Grund dann das Leid an sich habe.
    Diese Verallgemeinerung einer Frage ist genauso unsinnig wie in den folgenden Beispielsfällen:
    Jede Pflanze hat irgendwelche Wurzeln,jedes Tier irgendwelche Beine. Welche Wurzeln hat die Flora, welche Beine die Fauna?
    Jeder Mensch hat Eltern. Welche Eltern hat die Menschheit?
    Jedem Zeitpunkt ist ein Zeitraum vorgelagert. Welcher ist der Zeit (deren Beginn) vorgelagert?
    Jenseits jeden begrenzten Raumes ist ein Außerhalb gegeben.Was ist außerhalb des unbegrenzten Raumes (des Alls )?
    Alles Seiende (Geschehende) hat einenGrund (einschließlich des Zufalles).Welchen Grund hat das Sein ?
     
    6) erkenntnistheoretischer Aspekt:
     
    „ἀλλ΄εἴ τοι χεῖρας ( γ΄) εἶχον βόες ἠ ὲλέοντες, ὡς γράψαι χείρεσσι καὶ ἔργατελεῖν ἅπερ ἄνδρες, ἵπποι μὲν δ΄ἵπποισι, βόες δέ τε βουσὶ ὁμοίας καί( κε ) θεῶν ἰδέας ἔγραφον καὶ σώματ΄ἐποίουν τοιαῦθ΄ οἷόν περ κ΄ αὐτοὶδέμας εἶχον ἕκαστοι ”
    „Doch wenn Ochsen oder Löwen Hände hätten, so dass sie mit den Händen malen und Bildwerke herstellen könnten wie Menschen, dann würden Pferde pferdeähnlich und Ochsen ochsenähnlich die Gestalten derGötter malen und solche Körper bilden, wie sie gerade jeweilsselbst die Gestalt hätten.“( Xenophanes, Clem.Strom. 5.14, 109.3;DK 21 B 15 )
     
    „Der Mensch begreift niemals, wie anthropomorphisch er ist.“ (Johann Wolfgang Goethe,1749-1832)
     
    Die Theodizee-Frage lässt sich verallgemeinern:
    Warum ist die Welt – in unserem Bewusstsein – kontradiktorisch, insbesondere vom Gegensatz Gut/Böse beherrscht?
     
    Diese Frage lässt sich weiter abstrahieren:
     
    Warum ist das Sein gerade so wie es ist? Diese Frage ist widersinnig, da jedes Sein eines Soseins bedarf, beides also kontingent ist.
     
    Das führt aber zu der letzten Frage:
     
    Warum ist überhaupt etwas und nicht nichts?(Leibnitz) Auch diese Frage ist widersinnig, da ein Grund als etwas Seiendes das Sein bereits voraussetzt.
     
    Damit aber ist ein Denkzirkel geschlossen. Denn die Ausgangsfrage setzt voraus – nämlich ein universales Kausalitätsprinzip -, was zu hinterfragen ist. Solche auf eine allgemeine, gar letzte Antwort abzielenden und somit immer abstrakter werdenden Fragen lassen schließlich für eine von ihnen intendierte, noch abstraktere Antwort keinen Raum mehr.
     
    Letztlich führt jede Frage zu einem Zirkel, weil sie von Denkinhalten ausgeht und ausgelöst wird (Prämissen), die auch dieAntwort bestimmen sollen, um begreiflich zu sein.
     
    Das Theodizee-Problem stellt sich nur in der aristotelischen,zweiwertigen Logik ( „ tertium non datur“ ). Demnach gibt es nur Allmacht oder nicht, nur Liebe oder nicht. Nach der mehrwertigen  Logik der Quantenphysik dagegen sind Gegensätze, auch der von Bejahung und Verneinung, nur Erscheinungsformen- bez. Beurteilungen  Ein-und Desselben.Auf das Theodizee – Problem übertragen: Es mag das höhere Gute in der Allmacht geben.
     
    Bei der Theodizee-Frage stellt sich das philosophische Problem derLetztbegründungen.
     
    Schon die Vorsokratiker haben dargetan, dass unser Denken inletzter Konsequenz immer zu Paradoxien führt. So ist nach Zenon (circa 490-430 vor Christi Geburt ) eine Bewegung unmöglich, da sie über unendlich viele Teilstrecken führen müsste. Nach Gorgias (circa 480-380 vor Christi Geburt ) ist nichts ( „οὐδὲν ἔστιν” ), da Sein und Nichts sich gegenseitig bedingen, es  das Nichts aber nicht geben kann, weil es sonst etwas wäre ( wobei zusätzlich anzuführen ist, dass  das Sein nicht sein kann, ohne sich selbst vorauszusetzen ).
     
    Der philosophische Skeptizismus/Idealismus ( vgl. insbesondere Berkeley, Hume, Kant, Schopenhauer ) hat aufgezeigt, dass bewusstseinsunabhängige Aussagen über etwas außerhalb des Bewusstseins Gedachtes – also auch über Gott – nicht getroffen werden können.
     
    Der MathematikerGödel hat bewiesen, dass sich kein System aus sich selbst heraus erklären kann.
    Es fehlt also für die Beantwortung von Verständnisfragen in Bezug auf unser Sein und erst recht in Bezugauf den transzendenten Gott die nötige Metaebene der Betrachtung.
     
    Die beiden Relativitätstheorien, die Quantenphysik, die Chaosforschung und die Kognitionswissenschaften haben unsere Bewusstseinswelt als bloßes geistiges Konstrukt zur abstrahierenden, selektierenden und imaginierenden, ja kreirenden Orientierung in unserem Lebensbereich entlarvt. Diese Vorstellungswelt versagt bei der Betrachtung von Seinsbereichen, die außerhalb unserer gewöhnlichen Erfahrungswelt liegen, nämlich im Allerkleinsten, der atomaren Welt (Quantenphysik), im Komplexen (Chaosforschung), und im Allergrößten,der kosmischen Welt (Relativitätstheorien). Es bleibt hier nur die abstrakte mathematische Beschreibung.
     
    Schon begrifflich müssen unsere Vorstellungen natürlich in Bezug auf die Transzendenz(Gott) ins Leere laufen.
     
    Gottesfragen sind daher unlösbar. Im Glauben stellen sie sich nicht. Jesus vermittelt zwischen Transzendenz und Lebenswirklichkeit.
     
    Im besonderen führt auch die Frage nach dem letzten Grund des Leidens zu Aporien des Denkens:
     
    Eigenschaften und Beziehungen (Gründe und Zwecke) begründen das Individuelle. Sie können daher dem Universalen nicht zukommen.
    So hat jedes individuelle Leid einen Grund, der universale Umstand, dass es überhaupt Leid gibt, aber nicht. Das Sein und seine Ausgestaltung als Sosein sind kontingent. Eigenschaften und Beziehungen sind selbst etwas Seiendes und können daher nur innerhalb des Seins, nicht für das  Sein selbst und das damit zwangsläufig verbundene Sosein gelten.
    Die Unmöglichkeit von Letztbegründungen beschreibt Hans Albert (geboren 1921) als „Münchhausen-Trilemma“ wie folgt:

 

    Wenn man „für alles eine Begründung verlangt, muss man auch für die Erkenntnisse, auf die man jeweilsdie zu begründende Auffassung … zurückgeführt hat, wieder eine Begründung verlangen.“ Das führt zur „Wahl zwischen

 

  1. einem infiniten Regress, der durch die Notwendigkeit gegeben erscheint, in der Suche nach Gründen immer weiter zurückzugehen, der aber praktisch nicht durchzuführen ist und daher keine sichere Grundlage liefert;

  2. einem logischen Zirkel  in der Deduktion, der dadurch entsteht, dass man im Begründungsverfahren auf Aussagen zurückgreift, die vorher schon als begründungsbedürftig aufgetreten waren, und der ebenfalls zu keiner sicheren Grundlage führt; und schließlich:  

  3. einem Abbruch des Verfahrens an einem bestimmten Punkt, der zwar prinzipiell durchführbar erscheint, aber eine willkürliche Suspendierung des Prinzips der zureichenden Begründung involvieren würde."

Alles muss durch etwas anderes bewiesen werden, und jede Beweisführung wird sich entweder im Kreise bewegen oder als endlose Kette in der Luft hängen. In keinem Falle lässt sich etwas beweisen. ( Timon von Phlieus, 320-230 v. Chr.,  Schüler des Pyrrhon von Elis)  

 

„Wenn nämlich das, aus dem etwas erkannt wird, immer aus etwas anderem erkannt werden muss, so gerät man in die Diallele oder den unendlichen Regress.Möchte man aber etwas, aus dem etwas anderes erkannt wird, als aus sich selbst erkannt annehmen, so widersteht dem, dass …  nichts aus sich selbst erkannt wird. Wie jedoch das Widersprüchliche entweder aus sich selbst oder aus etwas anderem erkannt werden könnte,  sehen wir keinen Weg, solange sich das Kriterium der Wahrheit oder der Erkenntnis nicht zeigt.“ (Sextus Empiricus, 2. Jh. )

 

7) ontologischer Aspekt:

Ein besseres Sein kann es nicht geben,da ein „Bessersein“ ein Sein bereits voraussetzt und daher nicht für ein Sein gelten kann. Der Maßstab von Gut und Schlecht (in unserem Bewusstsein) ist als etwas Seiendes Gegenstand des Soseins , das jedem Sein zwangsläufig eigen ist. Er kann also nicht an das Sein selbst angelegt werden. Gott hat ihn erst geschaffen und unterliegt ihm daher selbst nicht. Er wird in seinerAllmächtigkeit nicht durch einen solchen überbestimmt.
Die Welt an sich ist einfach so, wie sie ist. Erst der Mensch legt an sie einen – ihm von Gott verliehenen - Maßstab an, der ihn über sie erhebt.Statt Gott für diese Erhabenheit dankbar zu sein, kritisieren wir Gott dafür, dass das, worüber wir erhaben sind, von ihm nicht optimal geschaffen worden sei.Ein von uns gedachtes optimales anderes Sein wäre für uns aber dort, wenn wir in ihm lebten, nicht optimal.Denn jedes Sein ist notwendig so, wie es ist (sonst wäre es ein anderes); das Sosein ist also kontingent . Ein Vergleich mit anderen hypothetischen Soseinsmöglichkeiten ist nur aus dem gegebenen Sosein heraus möglich (falls ein anderes Sosein überhaupt Vergleiche kennt) und gälte daher nicht in einem hypothetischen anderen Sosein .Zum Beispiel wäre ein anderes Sosein ohne Leid aus ihm heraus gesehen nicht besser als unser leidvolles Sosein, da dort das Leid überhaupt unbekannt wäre und daher die dortige Leidlosigkeit nicht mit der hiesigen Leidhaftigkeit verglichen werden könnte.

Es kann keine Möglichkeit eines anderen Seins geben, da eine Möglichkeit bereits etwas Seiendes ist und daher für das Sein selbst nicht gelten kann.
Ebenso kann es keine Gründe für ein Sein – zum Beispiel für unser leidvolles Sein- geben, da Gründe bereits etwas Seiendes sind, für das Sein selbst also nicht gelten können.
Gott hat Möglichkeiten und Gründe erst geschaffen. Er selbst wird in seiner Allmächtigkeit nicht durch solche überbestimmt


8) schöpfunggeschichtliche Aspekte :

 

Gott selbst unterliegt in seiner Allmächtigkeit nicht dem Wertungsgegensatz von Gut und Schlecht. Er hat diesen Bewertungsmaßstab erst geschaffen(Hiob 38.5).Nach der biblischen Schöpfungsgeschichte ist er daher bei jedem Schöpfungsschritt zunächst ohne Wertung vorgegangen und hat erst nachträglich das Geschaffene gutgeheißen ( 1. Mos. 1,10; 12; 18; 21; 25; 31 ), d.h.er hat den geschaffenen Wertungsmaßstab so justiert, dass die Schöpfung als solche unter die Kategorie „gut“ bez. „sehr gut“ fällt, das einzelne Geschaffene  sich aber in der Bewertung unterscheidet.Seine Geschöpfe können den Maßstab somit nur auf bereits von ihm Geschaffenes , nicht auf die göttliche Schöpfung selbst anlegen. Ihnen erscheint so vieles als nicht gut, damit sie selbst immer wieder Gutes schaffen können, ohne  das „ Nicht –Gute“ als solches abschaffen zu können, da sie sonst in der Indifferenz erstarrten.

 

Indem uns Gott zur Beurteilung der Welt, in der wir leben, als im einzelnen gut oder schlecht befähigt hat,hat er uns über sie erhöht und uns eine (gottesebenbildliche 1.Mos.1,27) Freiheit des Handelns in Eigenverantwortung (vor Gott) zuerkannt. Obwohl wir Teil seiner Schöpfung sind, gehen wir nicht einfach in ihr auf ( Luk.17,21:¨Ἰδοὺ γὰρ ἡ βασιλεία τοῦ θεοῦ ἐντὸς ὑμῶν ἐστίν– denn sehet , das Reich Gottes ist inwendig in euch.“)

 

Gott hat den Menschen nicht zu seinem bloßen Spiegelbild, zu Marionetten, geschaffen, sondern zu seinem Ebenbild ( 1. Mos. 1,27 ) und daher in eine Welt gestellt, in der er nicht – wie die unbelebte Materie und die Tiere – aufgeht, sondern über die er sich erhebt, indem er sie hinterfragt, sie im Leid ablehnt und in der Freude annimmt, aber doch in allem letztlich auf das Unbegreifliche stößt, auf sein Urbild, das kein Abbild wiedergeben kann ( 2. Mos.20,4; 5. Mos. 5.8 ), und das nicht geschaut werden kann ( 2. Mos.33.20 ), mag es „Gott“ oder – von den Atheisten - „Zufall“genannt werden (denn was ist Zufall anderes als das selbst „Grund“- lose, also „Ur“ - sprüngliche, wie schon die christliche Mystik des Mittelalters erkannt hat?).

 

„Wenn der Endzustand, den Gott  zustandebringen möchte, einer ist, in dem endliche Personen aus eigener Freiheit dahin gelangt sind, ihn zu erkennen und zu lieben, verlangt das, dass er sie ursprünglich in einem Zustand erschafft, in dem sie ihn nicht bereits erkennen und lieben.“(J.Hick, Soul-making Theodicy ) - ,was allerdings die Zeit prämittiert.


9) Aspekt der Liebe Gottes:

Ein Gott der Liebe lässt uns aus gutem Grunde leiden. Diesen kann er uns aber nicht offenbaren, weil wir dannja nicht litten! Denn was uns gut erscheint, bereitet uns kein(seelisches) Leid. Schlimmstenfalls leiden wir (körperlichen) Schmerz im Guten (zum Beispiel bei ärztlicher Behandlung) .

 

Gott führt uns aber durch das Leid.

 

Gingen wir in der Welt glücklich und zufrieden auf, wäre sie für uns ohne Gott. Dadurch, dass wir sie auch als grausam und ungerecht empfinden und in ihr unschuldig leiden, betrachten wir sie von einem höheren Standpunkt und blicken nach einem höchsten,von dem aus alles zum Besten gerichtet ist.
Auch das Böse stammt von Gott (siehe die obigen Bibelzitate), da er allmächtig ist Das Böse ist nicht in der Außenwelt, sondern ein moralisches Urteil über etwas in dieser (einschließlich des wahrgenommenen Ichs) , nämlich über Lebensfeindliches (zum Beispiel: Töten, Betrügen, Stehlen und soweiter, vergleiche die Zehn Gebote). Dieses Urteil ist uns möglichzum Schutz vor diesem Lebensfeindlichen und zur Vermeidung und Bekämpfung durch uns selbst.
Doch da Gott nicht nur allmächtig, sondern auch gut ist, ist er so allmächtig gut, dass er auch im Bösen gut ist .
Gott erscheint uns schrecklich, wenn wir ihn als unser Wunschbild missverstehen, statt auf seine Selbst –Verständlichkeit zu vertrauen, welche die Unverständlichkeit für uns bedeutet.

 

10) Zusammenfassung:

 

Die Theodizee– Frage (Warum hat Gott trotz seiner Allmacht und Güte die Möglichkeit des Unheils geschaffen?) beruht auf folgenden selbstwidersprüchlichen Prämissen:

 

1) Der Wertungsgegensatz zwischen Gut und Schlecht (Böse) lässt das Gute ohne das Schlechte (und umgekehrt) nicht zu. Ohne das Schlechte wäre das Gute nicht gut, sondern lediglich etwas Normales oder Nichtnormales (und umgekehrt). Wenn also Gott nur gut ist, ist dies keine positive Wertung.

Seine Güte ist demnach so zuverstehen, dass er nicht lediglich gut im Sinne eines Gegensatzes zu schlecht ist, sondern über diesen Gegensatz erhaben ist, also so gut ist, dass in ihm sogar das Schlechte aufgehoben ist und zwar im doppelten Sinne des Wortes: gegenstandslos geborgen.

 

2) Allmacht setzt ein Objekt voraus (Hans Jonas). Was soll jedoch Gott in seiner Allmacht gegenüberstehen? Gäbe es so etwas, wäre er nicht allmächtig.

Außerdem müsste die Allmacht auch die Macht umfassen, nicht allmächtig zu sein.

Schließlich wäre Allmacht etwas Seiendes und damit Gott vom Sein transzendiert (Bonhoeffer: Einen Gott, den es gibt, gibt es nicht).

Allmacht ist daher im Sinne von Allerhabenheit, Transzendenz zu verstehen.

 

3) Die Frage nach dem Warum ist die Frage nach einem Grund. Da aber Gott, um allmächtig zu sein, alles „geschaffen“ haben muss, muss er auch Gründe erst geschaffen haben. Für ihn selbst können daher solche nicht gelten. Sonst wäre er durch solche überbestimmt.

 

Ergebnis: Der Gegensatz von Gut und Schlecht widerspricht der übergeordneten Güte Gottes nicht. Für diesen Gegensatz kann es aufgrund derTranszendenz (Allmacht) Gottes keine Gründe geben.

 

Weltlich ausgedrückt:

Da Gründe etwas Seiendes sind, kann es sie nicht auch außerhalb des Seins für dieses geben; da die Negativbewertung des Leides etwas Seiendes ist, kann es sie nicht auch außerhalb des Soseins dieses Seins für dieses geben.

 

 

Weitere Gedankensplitter:

 

Die Theodizeefrage, warum es das Leid, das Böse und die Unvollkommenheit in der Welt gibt, obwohl Gott allmächtig und gut ist, lässt sich durch ihre Umkehrung beantworten: Warum gibt es einen allmächtigen und guten Gott, obwohl das Leid, das Böse und die Unvollkommenheit in der Welt sind? Irdische Vorstellungen lassen sich nicht auf Überirdisches übertragen!

 

 

Ohne den Wertungsgegensatz von Gut und Schlecht (Übel, Böse) wäre das Leben nur ein bewusstes Geschehen, kein gefühltes Erlebnis. Das in unserem realen Leben als gut und schlecht Bewertete  wäre in einem solchen hypothetischen Leben lediglich etwas „Anderes“ als das Normale, das in unserem realen Leben als wertneutral erlebt wird. Ohne Bewertung der Welt als bedrohlich oder beglückend wäre unser Leben nur ein bewusster passiver Prozess, kein subjektiv aktives Erlebnis.

 

 

Alles kommt von Gott in seiner Allmächtigkeit und Allwissenheit, auch das Allerschlimmste. Aber wenn alles von Gott kommt, dann kann eben nichts Besseres kommen, als was von ihm kommt. Denn woher sollte es denn kommen, wenn nicht wieder von Gott?

Es gibt also nichts Besseres als das, was von Gott kommt,  und sei es das Allerschlimmste. So gesehen ist es also immer das Allerbeste.

 

„Wo warst du,als ich die Erde gründete?....

Weißt du wer ihr das Maß gesetzt hat, oder wer über sie eine Richtschnur gezogen hat?“ hält Gott dem klagenden Hiob entgegen (Hiob38,4f). Unter „Maß“ und  „Richtschnur“ sind im übertragenen Sinn auch die Kriterien von Gut und Schlecht zu verstehen.Demnach sagt Gott sinngemäß: Ich als der einzige, erste und letzte Grund von allem habe auch die Möglichkeit von Freud und Leid geschaffen und bin daher selbst keinem Grund hierfür unterworfen und daher auch keiner sinnvollen Möglichkeit der Kritik ausgesetzt.

Wie sollte man ernsthaft kritisieren können, dass das Sein so ist, wie es ist? Es kann nicht anders sein, als wie es ist, da doch jede Möglichkeit eines anderen Seins selbst etwas bereits Seiendes wäre und daher das Sein voraussetzt, das sie verändern könnte.

Gott hat Möglichkeiten erst geschaffen. Er selbst ist solchen also nicht unterworfen, genausowenig wie der Töpfer der Möglichkeit seines Gefäßes, zu zerbrechen oder gefüllt zu werden (vgl. Jes. 45,9; Rö9.20  ).

 

Gott hat keinen Übergott der Möglichkeiten über sich. Es gibt keine anderen Möglichkeiten als diejenigen, die er geschaffen hat, insbesondere auch nicht die Möglichkeit der Leidlosigkeit auf Erden. Gott hat dies in Jesu vorgeführt.

 

 

 

Die Theodizeefrage lässt sich wie folgt formulieren:  Wie sind all die Übel, an denen wir unschuldig leiden müssen, mit der Liebe eines Gottes vereinbar, der sie in seiner Allmacht ermöglicht

(  5.Mos32,39;Jes.45.7; Jer.45.5; Ps.51,12 im Umkehrschluss,88.7; Kl.3.36,37,38;Spr,16.4; Am3.6; Sach.3.1; Hiob1.6,2.1,10; 1. Sam 2,6f; Spr 16,4;Pred. 7,14; Mat 5.45; 10.29; Luk.12.6; 1.Kor. 4.7; Rö.5,13; 8.20,22)
und vorausgesehen haben muss?

 

Hier ein Versuch einer Antwort:

 

Bei Gottes  Liebe handelt es sich nicht um eine Liebe, die uns die – für uns, die wir ja nicht allmächtig sein können ohne selbst Gott zu sein – unbegreiflichen Tiefen einer Allmacht vorenthält, sondern um eine Liebe, die wegen dieser Unbegreiflichkeit der Allmacht Gottes darin besteht, dass wir in dieser Allmacht, in der wir selbstverständlich nicht verloren gehen können, durch Vertrauen, das uns selbst zur Liebe befähigt, Geborgenheit in einem höheren Sinne finden können, dazu aber nicht gezwungen werden. In der Liebe Gottes sind wir also nicht bloßes Objekt, sondern zur Teilnahme freies Subjekt der Allmacht.

 

 

 

Die Theodizeefrage ist die Frage nach letzten Gründen. Diese Frage ist aber selbstwidersprüchlich, führt jedenfalls zu einem unendlichen Regress:

 

Die Frage ist nicht, warum Gott die Übel geschaffen hat – denn ohne unsere Wertung als Übel gäbe es auch nicht die Wertung als gut (τῶν γὰρ ἐναντίων τὰ ἐνεντία αἰτία –denn vom Entgegengesetzten ist das Entgegengesetzte die Ursache, Aristoteles, De generatione et corruptione, II, 10 )-, sondern, warum er überhaupt Gegensätze geschaffen hat und damit letztlich, warum das Sein so und nicht anders oder warum es überhaupt ist. Gründe setzen aber das Sein bereits voraus und können daher für dieses selbst nicht gelten. Letztgründe sind also ein Widerspruch in sich selbst. Gott als Urgrund ist selbst keinen Gründen mehr unterworfen, weder in seinem Wirken, noch in seinem Übersein.

Und selbst wenn es Gründe für das Sein und Gott gäbe, bliebe immer noch die zu einem unendlichen Regress führende Frage, warum es gerade diese und warum es überhaupt Gründe gibt.

 

 

Gegensätze und Unterschiede werden auf einer Metaebene aufgehoben: Schwarz und Weiß vermischen sich, aus der Distanz betrachtet, zu Grau. Die einzelnen Sterne einer fernen Galaxie erscheinen mit dieser als ein einziger Stern. Raum und Zeit vermischen sich im Makrokosmos zur Raumzeit. In komplexen Systemen sind die Teile mit dem Ganzen dynamisch – strukturell vernetzt. Im Mikrokosmos verschwimmt die raum – zeitliche Existenz subatomarer Partikel, die Trennung von beobachtendem Subjekt und beobachtetem  Objekt wird aufgehoben.

 

Ist so auch der Gegensatz zwischen Vollkommenheit und Unvollkommenheit, Gut und Böse (in letzter Abstraktion sogar zwischen Wahrheit und Unwahrheit, Sein und Nichtsein) auf der Hyperebene Gott aufgehoben?

Hat uns dies Gott durch Jesus anschaulich gemacht?

Dieser hat aufgezeigt und vorgelebt, wie wir die bedeutendsten Gegensätze, die von Vollkommenheit und Unvollkommenheit und von Gut und Böse überwinden können: durch Nächstenliebe (Verständnis für die Unvollkommenheit und Schlechtheit des Mitmenschen durch Erkenntnis der eigenen Unvollkommenheit und Schlechtigkeit) und durch den Glauben (Vertrauen) an unser Geborgensein in Gott.

Sein Tod und seine Auferstehung haben die Aufhebung der Gegensätze in Gott sinnfällig gemacht: In seiner Kreuzigung hatte sich das Böse manifestiert, in seinem Tod die Unvollkommenheit. Seine Auferstehung symbolisiert, dass das Böse und die Unvollkommenheit zwar gottgewollt sind, aber nur uns (ebenfalls gottgewollt) als negativ und unverständlich erscheinen, lohnend überwunden werden können und bei Gott aufgelöst sind. So, wie ein Vater dem Kind, dem er das Schwimmen lehrt, die leidvollen Erfahrungen mit dem nicht tragfähigen Wasser nicht erspart, um daraus zu lernen, ihm aber durch eigenes Unter – und Wiederauftauchen Mut macht, auf ihn zu vertrauen und ihm nachzueifern, damit das Wasser seine Schrecken verliert.

 

Die Botschaft Christi ist so anschaulich, weil sie jedem Menschen, unabhängig von seiner geistigen Kapazität und seinem Bildungsgrad, zugänglich sein soll. Sie ist historisch so wenig abgesichert und inhaltlich im einzelnen so wenig präzisiert und widerspruchsfrei festgelegt, da sie zeitlos gelten und für alle Bewusstseinshorizonte offen sein soll. Sie ist ein Angebot, kein geschichtlicher Zwang. Sie hat Symbol-, nicht Anweisungscharakter. Sie kann nicht eindeutig sein, weil sie übergreifend ist. Rein rational betrachtet, ist sie nichts anderes als eine der Falsifizierung entzogene, sich selbst bestätigende Theorie. Aber sie soll dieser Betrachtungsebene nicht angehören, sondern auf die Metaebene  weisen.

 

 

 

Anhang: 

 

Diktat der Geburt“ ( Begriff von Immanuel Kant,1724-1804 )

( Zynismus des Lebens )

 

Wir werden ungefragt gezeugt, um ein Leben lang leiden zu müssen und, ohne den Grund dafür je erfahren zu haben, endlich zu sterben.Jede Freude dient nur der Enttäuschung durch neues Leid und damit der Verlängerung des Leidensweges. Von einer Abkürzung durch Suizid werden wir dadurch abgehalten, dass uns das Wesen des Todes verborgen wird und wir daher nicht einmal gewiss sein dürfen, dass er uns wieder ins Nichts zurückführt und damit eine Erlösung bringt, von der wir nichts mehr haben.Stattdessen bleibt die Befürchtung, dass uns noch Schlimmeres erwartet. Der religiöse Glaube an eine Erlösung durch Gott lästert diesen,da er ihm den Sadismus unterstellt, uns leiden zu lassen, um uns zu erlösen.


Nur oberflächliche Seelen,Dumme und Skrupellose (so Voltaire, Candide) leben glücklich.


Nur dem Verrückten erscheint das Leben als ein Gut (Hegesias)


 

Nur Dummheit macht glücklich: „Ἐν τ φρονεῖν γὰρ μηδὲν διστος βίος(Sophokles, Ajax, 550 )

 

Ubi mens plurima, ibi minima fortuna – Wo am meisten Verstand, da am wenigsten Glück“

                                                                                                                (LateinischeSentenz)

 

Fröhliche Menschen sind nicht glücklich, sondern dumm.“ (Voltaire)

 

Besser ist Kummer als Lachen, denn bei ernster Miene ist glücklich das Herz.

Das Herz der Weisen ist imTrauerhaus, das Herz der Toren aber ihm Haus der Freude.“( Kohelet7,3f )

 

¨ πάντες ὅσοι περιττοὶ γεγόνασιν ἄνδρες, ἢ κατὰ φιλοσοφίαν,ἢ πολιτικήν, ἢ ποίησιν, ἢ τέχνας,φαίνονται μελαγχολικοὶ ὄντες¨- „Alle Menschen, die sich ausgezeichnet haben, sei es in der Philosophie, in der Politik, in der Dichtkunst oder in den bildenden Künsten, scheinen melancholisch zu sein.“ (Aristoteles, Problémata, 30,1,p.953 a 10)

 

Die Traurigkeit ist das Los der tiefen Seelen und der starken Intelligenzen.“ (Alexandre Vinet)

 

Der, in welchem der Genius lebt, leidet am meisten.“(Arthur Schopenhauer)

 

 

Dass die Geburt – besser die Zeugung – das Schlimmste ist, was einem passieren kann, haben so gut wie alle Dichter und Denker der Welt zum Ausdruck gebracht.

 

Beispiele:

 

Der Waldgott Seilenós gegenüber dem phrygischen König Midas:

 

„Elendes Eintagsgeschlecht der Mühsal und der Not, was zwingst du mich, dir zu sagen, was nicht zu hören für dich ersprießlicher ist. Denn in Unkenntnis des eigenen Elends verstreicht das Leben am leidlosesten. Das Allerbeste nämlich ist für dich gänzlich unerreichbar: nicht geboren zu sein, nicht zu sein, nichts zu sein. Das Zweitbeste aber ist für dich, nachdem du einmal geboren bist, möglichst bald zu sterben.“( Aristoteles,  Eudemos, Fr 44 Rose; Cicero , Gespräche in Tusculum, 1.Buch,114f )

 

Theognis von Megara( 495?-428 v.Chr..):

 

Πάντων μὲν μὴ φῦναι ἐπιχθονίοισιν ἄριστον

    μηδ´ ἐσιδεῖν αὐγὰς ὀξέος ἠελίου

φύνταδ' ὅπως ὤκιστα πύλας Ἅιδαο περῆσαι

    καὶ κεῖσθαι πολλὴν γῆν ἐπαμησάμενον.¨

 

„Von allem ist, nicht geboren zu werden, für die Erdbewohner am besten,

und nicht zu erblicken die Strahlen der hellen Sonne,

geboren aber möglichst schnell die Pforten des Hades zu erreichen, und im Grab zu liegen, nachdem man viel Erde auf sich gehäuft hat.“

 

Der Mensch ist  zum Unglück geboren.Nicht geboren sein und früher Tod sind das Beste.

 

Sophokles(497/96-468 v.Chr.; Ödipus auf Kolonós, V. 1224 ff):

 

μὴ φῦναι τὸν ἅπαντα νι-

κᾷ λόγον · τὸ δ' , ἐπεὶ φανῇ,

βῆναι κεῖσ' ὁπόθεν περ ἥ-

κε ιπολὺ δεύτερον ὡς τάχιστα .”

 

„Nicht geboren zu sein, das geht

über alles; doch, wenn du lebst,

ist das zweite, so schnell du kannst,

hinzugelangen, wo du kamest“

 

Euripides (ca.480-406v.Chr.; Cresphontes; bei Plutarch in : De audiendis poetis, cap. 14,p. 36 f. ) :

 

Τόν δ' αὖ θάνοντα καὶ πόνων πεπαύμενον

Χαίρον τας εὐφήμοντας ἐκπέμπειν δόμων.”

 

„Geborene zu beklagen, weil viel Schlimmem sie/ entgegengehen, aber die Gestorbenen /mit Freude zu geleiten und mit Segnungen,/ weil sie so vielen Leiden jetzt entronnen sind“

 

Aischylos (525-456v.Chr.; Stob. Anth. IV 53.17 – Hense V. 1102 ):

 

Ζοῆς πονηρᾶς θάνατος αἱρετώτερος ·

τὸ μὴ γενέσθαι δ' ἐστὶν ἢ πεφυκέναι

κρεῖσσον κακῶς πάσχοντα.”

 

 

„Mühseligem Leben vorzuziehen ist der Tod

Und nicht geboren besser als geboren sein

Zu schlimmer Not und Qual.“

 

Bakchylides (505-450v.Chr.):

 

...θνάτοισι μὴ φῦναι φέριστον

μηδ'ἀελίου προσιδεῖν φέγγος.

 

„Für die Sterblichen ist, nicht geboren zu werden, das Beste

und nicht der Sonne Licht zu schauen.“

 

 

 

Empedokles ( 483 –424 v.Chr.):

 

οἴμοι ὅτι οὐ πρόσθεν με διλεσεν ηλεὲςμαρ

 

Weh´mir, dass mich nicht früher vernichtete der unentrinnbare Tag!“

                                                                      (Porphyr. De abst. II 31 )

 

 

Herodot (490/80-ca.424v.Chr.):


Ἕτερα τούτου παρὰ τὴν  ζόην πεπόνθαμεν οἰκτρότερα. Ἐν γὰρ οτω βραχέϊ βίῳ οὐδεὶς οὕτως ἄνθρωπος ἐὼν εὐδαίμων πέφυκε, οὔτε τούτων οὔτε τῶν ἄλλων, τῷ οὐ παραστήσεται πολλάκις καὶ οὐκὶ ἅπαξ τεθνάναι βούλεσθαι μᾶλλον ἢ ζώειν. Αἵ τε γὰρ συμφοραὶ προσπίπτουσαι καὶ αἱ νοῦσοι συνταράσσουσαι καὶ βραχὺν ἐόντα μακρὸν δοκέειν εἶναι ποιεῦσι τὸν βίον. Οὕτως ὁ μὲν θάνατος μοχθηρῆς ἐούσης τῆς ζόης καταφυγὴ αἱρετωτάτη τῷ ἀνθρώπῷ  γέγωνε, ὁ δὲ θεὸς γλυκὺν γεύσας τὸν αἰῶνα φθονερὸς ἐν αὐτῷ εὑρίσκεται ἐών.

Es gibt etwas noch viel Jammervolleres in unserem Leben. Denn in diesem kurzen Dasein ist keiner unter den Menschen glücklich geboren – und nicht nur unter diesen, sondern unter allen -, dem oftmals, nicht bloß einmal, der Gedanke gekommen wäre, lieber tot als am Leben zu sein. Denn es kommen Unglücksfälle, Krankheiten beunruhigen uns und bewirken, dass dieses so kurze Leben dennoch so lang erscheint. So ist der Tod für den Menschen in seinem mühevollen Dasein eine sehr erwünschte Zuflucht. Diese Gottheit, die uns die Süßigkeiten des Lebens kosten ließ, zeigt sich darin als neidisch.

(Artábanos zu Xerxes, Historien VII 45,6 ff)

 

Διέδεξέ τε ἐν  τούτοισι ὁ θεός, ὡς ἄμεινον εἴη ἀνθρώπῳ τεθνάναι ἢ ζῆν.

 

„Es zeigte an diesen der Gott, dass es besser sei für einen Menschen, tot zu sein, statt zu leben“

 

Herodot berichtete von der Sitte derThraker, einen Neugeborenen mit Wehklagen zu begrüßen und ihm die zu erwartenden Übel zu erzählen, die Toten aber mit Freude und Scherz zu bestatten, weil sie das große Labyrinth der Leiden hinter sich hätten.

 

Diogenes ( ca.391/90 – 323 v. Chr. ) :

 

„Wenn Du es richtig überlegst, so müsstest Du den Neugeborenen beklagen, denn ihm steht viel Ungemach bevor, doch wer, erlöst vom Schmerz, begraben wird, den preise selig und sei froh.“ ( Max. Conf. 36, 20 = G. 296 )

 

Heraklit ( 544 –483 v.Chr.):

 

¨Ἡράκλειτος γοῦν κακίζων φαίνεται τὴν γένεσιν, ἐπειδὰν φῆι· γενόμενοι ζώειν ἐθέλουσι μόρους τ' ἔχειν, μᾶλλον δὲ ἀναπαύεσθαι, καὶ παῖδες καταλείπουσιν μόρους γενέσθαι.¨

 

Heraklit scheint die Geburt als ein Unglück zu betrachten, wenn er sagt: Wann sie geboren sind, haben sie Willen, zu leben und dadurch ihr Todeslos zu haben – oder vielmehr auszuruhen –, und sie hinterlassen Kinder, dass wieder Todeslose entstehen.“ (Clem. Strom. III 14; II 201, 23 )

 

Epikur (341-271/70 v.Chr.) spricht vom „tödlichen Gift des Geborenseins “( „θανάσιμον...τὸτῆς γενέσεως φάρμακον)


Hegesias (3.Jh.v.Chr.):


Nur dem Verrückten erscheint das Leben als ein Gut“.

 

Plinius (62-113n.Chr.;Hist. Nat. 28,2.):

 

„ Quapropter hoc primum quisque in remediis animi sui habeat, ex omnibus bonis, quae homini natura tribuit , nullum melius esse tempestiva morte.“

 

“ Deshalb möge jeder als Heilmittel seines Gemüts zu allererst den Gedanken anerkennen, dass unter allenGütern, welche die Natur dem Menschen beschert hat, keines wertvoller ist als ein zeitiger Tod“

 

Lateinische Sentenz:

 

„Optimum est  non nasci.“

 

„Das Beste ist, nicht geboren zu werden.“

 

 

Kohelet ( AltesTestament, Pred. 7.1; 4.2,3 ):

 

„..besser der Todestag als der Geburtstag.

 

Da pries ich die Toten,die längst gestorben, glücklicher als die Lebenden, die noch am Leben sind, und höher als beide den, der noch nicht ins Dasein trat und das üble Geschehen nicht sah, das vorgeht unter der Sonne.“

 

Jeremia(20,14)

 

Verflucht sei der Tag, an dem ich

geboren wurde; der Tag, an dem

meine Mutter mich gebar, sei nicht

gesegnet.

 

Hiob(3,3)

 

Vertilgt sei der Tag, an dem ich geboren..

 

Jesus Christus (4 v.Chr. bis 30/31 n.Chr.):

 

μακάριαι αἱ στεῖραι καὶ αἱ κοιλίαι, αἳ οὐκἐγέννησαν, καὶ μαστοὶ, οἳ οὐκ ἔθρεψαν”

 

Selig sind die Unfruchtbaren und die Leiber, die nicht geboren haben, und die Brüste, die nicht  genährt haben.“

 

Augustinus (245 – 430 n. Chr.)

 

Würde man sich vor die Wahl gestellt sehen,

denTod oder noch einmal die Kindheitsjahre

über sich ergehen zu lassen, man würde bei

dem bloßen Gedanken erschrecken und sich

für den Tod entscheiden

(De civitate Dei ).

 

 

Mohammed (570 – 632 ):

 

„Hätte mich Gott doch nicht ins Dasein gerufen!“

(Attar, Buch der Leiden 35/8, 318 )

 

 

Omar Chayyam (pers.Dichter, 1017-1123):

 

Da die Gestirne nichts als Leid mehren,

kein Ding ersetzen, ohne es wieder zu rauben:

Wenn die Ungeborenen wüssten, was wir vom All

an Leid erfahren – sie würden uns nicht entgegengehen.“

 

Faridoddin Attar (pers.Dichter,1145-1221):

 

Das Buch der Leiden“:

 

O wäre ich nie geboren, weh! Und wäre ohne Namen!

Und wäre nie in diesen Trubel hier geraten!“ (E10,373)

 

Nur jene beneide ich in alle Ewigkeit,

Die nie geboren werden in diese Welt.

Könnt´ich zurück bloß in des Vaters Rücken,

Und wäre nie gelandet in der Mutter Bauch.

Weh´, hätt´ meine Mutter mich bloß nie geboren,

Dann blieb meiner ungläub´gen Seele erspart der Tod..“ (E11,373)

 

Oh Gott, sprach er, Seelenspender, warum hast du

Die Seele überhaupt gegeben, wenn Du sie wieder nimmst?

Besser wär´ mir, wenn ich nicht wär´,

Wär´sicher dann vor so viel Sterbensqual,

Müsst´ nicht das Leben hergeben für den Tod,

und Dir wär` erspart der Seelen  Spende wie ihren Raub.“ (E4/4,91

 

 

Calderon ( 1600-1681; Das Leben ein Traum I 2):

 

„Pues el delito mayor

Del hombre es haber nacido“

 

„Da die größte Schuld des Menschen

Ist, dass er geboren ward.

 

Andreas Gryphius (1616– 1664 ):

 

„Diß alles stinckt mich an

drumb wündch ich mir den Tod!“

(Gedichte 96.Verleugnung der Welt)


Jean-Jaques-Rousseau (1712-1778):


„Meine Geburt war mein größtes Unglück“.

 

Johann Peter Uz( 1720- 1796 ):

 

„Der Tor stirbt, wei ler muss,  mit Freuden stirbt der Weise.“

 

Georg Gordon Byron( 1788-1824;Euthanasia, Str. 9 ):

 

„Count o´er the joys thine hours have seen,

Count o´er thy days from anguish free.

And know, whatever thou hast been,

´Tis something better not to be.

 

Überzähle die Freuden, welche deine Stunden gesehen haben;

überzähle die Tage, die von Angst frei gewesen;

und wisse, dass, was immer Du gewesen sein magst,

es etwas Besseres ist, nicht zu sein.“

 

Jonathan Swift (1667-1745):

 

“Die Geburt ist der eigentliche Skandal“

 

Georg Büchner  (1813-1837;Dantons Tod, 2. Akt, 1. Szene, 29f ):

 

“ Endlich – ich müsste schreien,das ist mir der Mühe zu viel, das Leben ist nicht die Arbeit wert,die man sich macht, es zu erhalten.“

 

Heinrich Kleist (1777-1811;Geburtslied ) :

 

„Weh dir, dass du geboren bist!

Das große Narrenhaus, die Welt,

erwartet dich zu deiner Qual.“

 

Charles-Louis..Montesquieu(1689-1755):

 

“ Man muss die Menschen bei ihrer Geburt beweinen, nicht nach ihrem Tode“

 

Immanuel Kant (1724-1804):

 

„... kein Mensch von gesundem Verstand, der über den Wert des Lebens nachgedacht hat, das Spiel des Lebens noch einmal durchzuspielen Lust haben würde.“ (Kant, Über das Misslingen aller philosophischen Versuche in der Theodizee)


Johann Wolfgang Goethe (1749 – 1832)

„..denn alles, was entsteht, ist wert, dass es zugrunde geht. Drum besser wär´s, dass nichts entstünde“ (Faust I Vers 1339)

 

Friedrich Schiller (1759-1805):

 

„Ach, wie glücklich sind die Toten!“(Gedichte, Das Siegesfest)


Marquis de Sade (1770-1814):

„Die Seele ist von einem so starken Ekel vor dem Leben erfüllt, dass kein Mensch noch einmal von vorne leben wollte, und machte man ihm dieses Angebot auch am Tage seines Todes“.

 

 Arthur Schopenhauer(1793-1860, „Von der Nichtigkeit und dem Leiden des Lebens“, „Bejahung und Verneinung des Willens“):

 

„... daß unser Daseyn dann am glücklichsten ist, wenn wir es am wenigsten spüren: woraus folgt, daß es besser wäre, es nicht  zu haben .“

 

„...daß wir über das Daseyn der Welt uns nicht zu freuen, vielmehr zu betrüben haben; - daß ihr Nichtseyn ihrem Daseyn vorzuziehen wäre; - daß sie etwas ist, das im Grunde nicht seyn sollte;...“

 

„Unser Zustand ist ein so elender, daß gänzliches Nichtseyn entschieden vorzuziehen wäre. Wenn  nun der Selbstmord uns dieses wirklich darböte, so daß die Alternative „Seyn oder Nichtseyn“ im vollen Sinn des Wortes vorläge; dann wäre er unbedingt zu erwählen, als eine höchst wünschenswerthe Vollendung...Allein in uns ist etwas, das uns sagt, dem sei nicht so; es sei damit nicht aus, der Tod sei keine absolute Vernichtung.“

 

Und klopfte man an die Gräber und fragte die Toten, ob sie wiederauferstehen wollten; sie würden mit den Köpfen schütteln.


„ Es gibt nur einen angeborenen Irrtum, und es ist der, dass wir da sind, um glücklich zu sein.“


 

Friedrich W.J. Schelling

dem „Leben anklebende Traurigkeit“

 

Heinrich Heine(1797-1856):„ Besser wär´s ,nie geboren zu sein.“

 

„Die allerschlimmste Krankheit ist das Leben,und heilen kann sie nur der Tod.“

 

Friedrich Nietzsche(1844-1900):

 

„Das Allerbeste ist für dich gänzlich unerreichbar: nicht geboren zu sein, nicht zu sein, nichts zu sein. Das zweitbeste aber ist wirklich – bald zu sterben“ (siehe oben Seilenós)

 

Sören Kierkegaard(1813-1855):“.. glücklich, wer in seinem Alter starb; glücklicher, wer in seiner Jugend starb; der glücklichste der, der in der Stunde seiner Geburt starb; der allerglücklichste der, der niemals geboren war.“

 

Virginia Woolf (1882 - 1941):

 

„Ich kann mich nicht erinnern, dass ich um das Geschenk des Lebens gebeten habe.“


C.G.Jung (1875 – 1961)
„Wir sind nicht auf der Welt, um glücklich zu sein.“

 

Hermann Hesse (1877-1962)

 

„Alles stirbt, alles stirbt gern.“

 

Marcel Mariên(1920 – 1993 ):

 

„Der Tod ist die Belohnung für das Leben.“

 

E. M. Cioran (1911- 1995 ):

 

„ Das wahre , einzige Pech : das Licht der Welt  zu erblicken.“

 

„ Nicht geboren zu sein. Schon der Gedanke daran – welches Glück, welche Freiheit, welche Weite!“

 

„Wer ein bisschen Verstand hat, wird gar nicht erst geboren.“

 

Karl Valentin(1882-1948):

 

„Glauben S` mir, am besten san die Menschen dran, de wo gar net geborn wern!“  

 

Ilse Aichinger (geb.1921):

 

„Ich halte meine Existenz für völlig unnötig. Egal, wie sie verlaufen ist, egal, was ich an Schönem und Schlechtem erlebt habe – ich habe es schon als Kind als eine absurde Zumutung empfunden, dass man plötzlich vorhanden ist. Da müsste man zumindest gefragt werden, ob man nicht einfach wegbleiben will. Dann wäre ich weggeblieben. (Unglaubwürdige Reisen,herausgegeben von S. Fässler und T. Hammerbacher/Frankfurt 05)181-187,181; das Interview war zuerst im Nachrichtenmagazin „profil“(Nummer 45/2003) veröffentlicht worden)

 

Rajev Singh ( geb.1974 ):

 

„Hinter dem Leben jedes Einzelnen steht ein göttlicher Irrtum.“

 

Wolfgang Ettl

 

auf geborenwerden

steht die todesstrafe

die lebenslänglich

zur bewährung ausgesetzt wird

 

 

Trost

 

Leid ist

 

I  entweder selbst verschuldet. Dann klagt man lediglich aus Selbstmitleid.

 

II Oder es ist nicht selbst verschuldet. Dann ist es

 

1) entweder behebbar, so dass man sich damit nicht länger aufhalten sollte.

 

2) Oder es ist nicht behebbar. Dann ist es

 

a) entweder vorübergehend, so dass Geduld hilft und die Einsicht, dass Leiden immer wiederkehren, so dass wir, wenn wir nicht heute leiden, eben morgen leiden.

 

b) Oder es ist nicht nur vorübergehend. Dann wird es gemildert durch Gewöhnung und Anpassung sowie die Einsicht, dass es einem offensteht, aus dem Leben zu scheiden, und wenn man das nicht will, man keinen Grund hat, das selbstgewählte Überleben zu beklagen.

 

 

Suizid?

 

I Zitate

 

Ἀλλὰ εἰπόν τι ῥῆμα εἰς Κύριον καὶ τελεύτα-

also sage irgendein Wort zum Herrn und stirb!

                                            (Hiob 2.9e Sept.)

 

 

Τὸδὲ κεφάλαιον· μέμνησο ὅτι ἡ θύρα ἤνοικται. Μὴ γίνου τῶν παιδίων δειλότερος·  ἀλλ' ὡς ἐκεῖνα, ὅταν αὐτοῖς μὴ ἀρέσκῃ τὸ πρᾶγμα, λέγει¨οὐκέτι παίξω¨· καὶ σὺ, ὅταν σοιφαίνεταί τινα εἶναι τοιαῦτα, εἰπὼν¨οὐκέτι παίξω¨ ἀπαλλάσσου· μένων δὲ μὴ θρήναι.

 

Die Hauptsache ist: Erinnere dich, dass die Türe offensteht. Sei nicht ängstlicher als die Kinder, sondern mach es wie diese: Wenn ihnen die Sache keinen Spaß mehr macht, sagen sie: „Ich will nicht mehr mitspielen.“ Sag auch du, wenn dir die Verhältnisse untragbar erscheinen: „Ich will nicht mehr mitspielen“, und entferne dich einfach; falls du aber bleibst, so klage nicht! (Epiktet, ca. 50 – 130. Lehrgespräche, Wie man gegen die Schwierigkeiten kämpfen muss, 1,24,20)

 

Werden aber die Widerwärtigkeiten des Lebens zu stark, so steht uns die Tür offen, und wir werden aus dem Leben scheiden, nicht in trotziger Auflehnung gegen Gott, sondern in der Überzeugung, dass er selbst uns das Zeichen zum Aufbruch gibt, weil ein naturgemäßes Leben für uns nicht mehr möglich ist.(Epiktet)

 

Hegesias(3.Jh.v.Chr.):

 

Nur dem Verrückten erscheint das Leben als ein Gut“.

 

 

Memineris maximos morte finiri; parvos multa habere intervalla requietis: mediocrium nos esse dominos: ut si tolerabiles sint, feramus: sin minus, e vita, quum ea non placeat, tanquam et theatro exeamus.

Erinnere dich, dass die großen Schmerzen mit dem Tode ein Ende nehmen, dass die kleinen viele Zwischenräume der Ruhe haben, dass wir Herren über die mittelmäßigen sind, damit wir sie, wenn sie ertragbar sind,ertragen, wenn aber weniger, aus dem Leben, wenn es uns nicht mehr gefällt, wie von einer Schaubühne abtreten können. (Cicerode Finibus L. 1.c. 15.)

 

Nemo tam timidus est, ut malit pendere quam semel cadere – Niemand ist so furchtsam, dass er lieber (ständig) zu fallen droht als einmal zu fallen ( Seneca,Epistulae 22 )

 

Placet? Vive! Non placet? Licet eo reverti, unde venisti.

Gefällt dir das Leben? Lebe! Gefällt dir´s nicht? Du darfst dorthin zurückkehren, wo du hergekommen bist (Seneca Epistulae 70).

                                                                                                                                                                                                                                            

 

Ἢ ζῆν ἀλύπως ἢ θανεῖν εὐδαιμόνως – Entweder leidfrei leben oder glücklich sterben.

 

Καλὸν τὸ θνήσκειν, οἱς ὕβριν τὸ ζῆν φέρει– Gut ist es für diejenigen zu sterben, denen das Leben Ungemach bringt.

 

Κρεῖσσοντὸ μὴ ζῆν ἔσι, ἢ ζῆν ἀθλίως –Es ist besser, nicht zu leben, als unglücklich zu leben.

 

                                                                               (ohneQuellenangabe)

 

Herodot (484-425 v.Chr,)

 

Ἕτερα τούτου παρὰ τὴν  ζόην πεπόνθαμεν οἰκτρότερα. Ἐν γὰρ οτωβραχέϊ βίῳ οὐδεὶς οὕτως ἄνθρωπος ἐὼν εὐδαίμων πέφυκε, οὔτε τούτων οὔτε τῶν ἄλλων, τῷ οὐπαραστήσεται πολλάκις καὶ οὐκὶ ἅπαξτεθνάναι βούλεσθαι μᾶλλον ἢ ζώειν. Αἵ τε γὰρ συμφοραὶ προσπίπτουσαι καὶ αἱ νοῦσοι συνταράσσουσαι καὶ βραχὺνἐόντα μακρὸν δοκέειν εἶναι ποιεῦσιτὸν βίον. Οὕτως ὁ μὲν θάνατος μοχθηρῆς ἐούσης τῆς ζόης καταφυγὴ αἱρετωτάτητῷ ἀνθρώπῷ  γέγωνε, ὁ δὲ θεὸς γλυκὺν γεύσας τὸν αἰῶνα φθονερὸς ἐν αὐτῷ εὑρίσκεται ἐών.

Es gibt etwas noch viel Jammervolleres in unserem Leben. Denn in diesem kurzen Dasein ist keiner unter den Menschen glücklich geboren – und nicht nur unter diesen, sondern unter allen -, dem oftmals, nicht bloß einmal, der Gedanke gekommen wäre, lieber tot als am Leben zu sein. Denn es kommen Unglücksfälle, Krankheiten beunruhigen uns und bewirken, dass dieses so kurze Leben dennoch so lang erscheint. So ist der Tod für den Menschen in seinem mühevollen Dasein eine sehr erwünschte Zuflucht. Diese Gottheit, die uns die Süßigkeiten des Lebens kosten ließ, zeigt sich darin als neidisch.

(Artábanoszu Xerxes, Historien VII 45,6 ff)

 

 

Ich sehe es fallen, enden,

und wie alles zusammenbricht.

Ich kann den Tag nicht wenden,

aber leben will ich ihn nicht!

(Theodor Fontane)

 

 

Wenn die „Gebürtigen“ schon nicht gefragt werden, nach Lage der Dinge nicht gefragt werden können, ob sie hätten geboren werden wollen, dann muss ihnen wenigstens der Ausgang freigestellt sein. Die Freiheit zum Tode kompensiert das Diktat der Geburt.

                                                                                                                            (Ludger Lüdkehaus)

 

 

Alles stirbt, alles stirbt gern.(Hermann Hesse)

 

 

Seines Todes ist man gewiss: warum sollte man nicht heiter sein? Der Gedanke an den Selbstmord ist ein sehr starkes Trostmittel. Man kommt damit gut über die „böse Nacht“ hinweg. Dass ich eine gute Handvoll Mut zum Leben habe: das macht, ich habe einen kleinen Schlüssel bei mir.... (Friedrich Nietzsche).

 

Stirb zur rechten Zeit! (Friedrich Nietzsche, Zarathustra, Vom freien Tode)

 

 

Der Tor stirbt, weil er muss, mit Freuden stirbt der Weise. (Johann Peter Utz)

 

 

τεθνάκην δ΄ ἀδόλως θέλω – tot sein – wirklich! - will ich. ( Sappho,fr. 94 LP=96D)

 

 

Aus dem babylonischen „Zwiegespräch eines Herrn mit seinen Knecht“:

 

Sklave, gehorche mir!

 

Ja, mein Herr, ja!

 

Jetzt, was ist denn gut?

 

Meinen Hals, deinen Hals brechen, in den Fluss (sich) werfen, das ist gut! Wer ist so lang (gewesen), dass er zum Himmel gestiegen wäre? Wer (so) breit, dass er die Erde ganz umfasst hätte?

 

Nein, Sklave, ich werde dich töten, dich mir vorangehen lassen!

 

(Dann) möge es, mein Herr, (nur) drei Tage (währen), dass er (d.h. der Herr) nach meinem Tod leben bleibt.“

 

(Meißner,B., Babylonien und Assyrien, Heidelberg 1925, Bd.II 433f;Altorientalische Texte zum Alten Testament, hrsg. von H. KGreßmann,2. Aufl.1926, 284-287; Ancient Near Eastern Texts relating to the Old Testament ed. By J.B.Pritchard, 1950, 437-438;Lambert,W.G.,Babylonian Wisdom Literature, Oxford 1960)

 

Arthur Schopenhauer (1793-1860, „Von der Nichtigkeit und dem Leiden des Lebens“, „Bejahung und Verneinung des Willens“):

 

„Unser Zustand ist ein so elender, daß gänzliches Nichtseyn entschieden vorzuziehen wäre. Wenn  nun der Selbstmord uns dieses wirklich darböte, so daß die Alternative„ Seyn oder Nichtseyn“ im vollen Sinn des Wortes vorläge; dann wäre er unbedingt zu erwählen, als eine höchst wünschenswerthe Vollendung...Allein in uns ist etwas, das uns sagt, dem sei nicht so; es sei damit nicht aus, der Tod sei keine absolute Vernichtung.“

 

Albert Camus (1913– 1960):

 

Selbstmord stelle eine Flucht aus der absurden Situation dar, die mit deren Aufhebung auch das Motiv für die Flucht vernichtet. „.. es kein Schicksal gibt, das nicht durch Verachtung überwunden werden könnte.“

 

 

„Der Mensch hat ein Recht zu sterben,wenn er keine Hoffnung mehr sieht auf ein nach seinem ureigenen Verständnis humanes Leben. (Hans Küng, Gelebte Menschlichkeit,  Am Abend des Lebens).

 

„Das höchste ist: Freiheit zu sein und nicht zu sein.“( Friedrich Wilhelm Joseph Schelling, 1775-1854, System der Weltalter 132)

 

 

 

 

II Kommentar

 

Wir sind ungefragt in die Welt geworfen worden, um zu leiden, zu leiden und nochmals zu leiden! Jede –ohnehin nur sehr seltene und nur kurze – Freude dient lediglich dazu, das Leid zu verschlimmern und zu verlängern, damit wir uns nicht ans Leid gewöhnen oder es durch Suizid beenden. Hoffen wir auf die nächste Freude, sind wir umso mehr enttäuscht, wenn sie nicht eintritt oder zwar eintritt, aber durch das nächste Leid wieder jäh abgelöst wird. Und wer sich von vornherein auf das nächste Leid einstellt, dem wird dadurch jede Freude getrübt.

 

Vom Suizid vermögen uns außer der trügerischen Hoffnung auf immer wiederkehrende Freuden die Gewissheit, dass wir ohnehin einmal sterben werden und der Tod bereits im nächsten Moment eintreten kann, sowie die Ungewissheit darüber abzuhalten, dass wir nicht wissen, ob und was der Tod uns bringt. Bringt er uns nichts, dann auch nicht die Erfahrung einer Erlösung vom Leben. Bringt er uns die christliche Erlösung, dann kommt sie zu spät, denn sie kann unsere Leiden nicht mehr rückgängig machen. Bringt sie uns die Hölle, dann kann diese mit Sicherheit nicht schlimmer sein als das Leben.

 

Auch die Möglichkeit des Suizides vermag uns daher nicht für die ungewollte Geburt zu entschädigen! Es bleibt daher nur die Hoffnung, dass möglichst bald eintritt, was ohnehin einmal eintreten wird, um uns die Entscheidung abzunehmen.

 

Nur diejenigen, deren Bewusstsein so flach ist, dass sie nicht leben, sondern in den Oberflächenkräuselungen des Alltages aufgehen oder sich mit vordergründigen Vergnügungen oder hintergründigen Meditationen betäuben, wünschen ihren Tod nicht herbei. Man braucht nur die Handygespräche mitzuhören, um zu der tröstlichen Erkenntnis zu gelangen: lieber unglücklich als doof! Das ist keine überhebliche und selbstgerechte Verurteilung geistig und seelisch einfach strukturierter Mitmenschen, sondern ein Dank an Gott, nicht an der Psychose der Normalität zu leiten.

 

 

 

Das einzige, was über das unerbetene Leben hinwegtröstet, ist die Gewissheit des Todes. Doch begründet sie andererseits eine überwältigende Sehnsucht, die  jeden Trost erstickt. Verfügte man über eine Möglichkeit, seinem Leben  kurz und schmerzlos ein Ende zu setzen, würde man keinen Augenblick zögern! Das menschliche Leben ist ein Angebot mit der jederzeitigen Möglichkeit der Ablehnung als Ausgleich für das Diktat der Geburt. Das Unmenschlichste an unserem Gesellschaftssystem ist, dass dieses es uns erschwert, dieses Angebot auszuschlagen

 

 

 

Wir wissen nicht einmal, was das ist, zu sein oder nicht zu sein. Worauf sollte sich also die Hoffnung. stützen, durch Suizid dem Sein entgehen zu können? Spricht man denn nicht auch vom Tot -„sein“?

 

 

 

 

 

Gottesglaube

 

Dialog:

 

Glauben Sie an Gott?

 

Gegenfrage: Glauben Sie, dass überhaupt etwas ist?

 

Wollen Sie mich auf den Arm nehmen? Dass etwas  ist, ist doch offensichtlich - im Gegensatz zu Gott!

 

Das Sein ist genau so wenig beschreibbar und beweisbar – denn diese rationalen Operationen setzen es ja bereits voraus – wie Gott – denn er wäre ja sonst dem von ihm in seiner Allmacht erst geschaffenen Sein unterworfen - , und doch leben wir so, als ob wir wären. Und so bete ich auch zu Gott, als ob er wäre. Transzendenz heißt „überseiend“!

 

A  Vorbemerkungen

 

Gott mag eine Illusion sein, aber was ist nach den Erkenntnissen der modernen Physik kein geistiges Konstrukt (solche sind zum Beispiel Sein und Nichtsein, Raum und Zeit, Materie und Geist, Einheit und Vielfalt, Ganzes und Teil, Subjekt und Objekt, Ursache und Wirkung) ? Unsere Bewusstseinskonstrukte sind Realität und für uns die einzige. Helligkeit zum Beispiel gibt es in der physikalischen Welt nicht, sondern lediglich Photonen. Sie ist ein bloßer Sinneseindruck. Ist sie deshalb weniger real als Photonen? Gott gibt es lediglich im Glauben, nicht in unserer unvollkommenen und leidvollen Wissenswelt. Ist er deshalb irreal?

 

Das Manko der monotheistischen Religionen ist, dass sie den Menschen zum Übergott machen, indem sie Gott in ihren Vorstellungen gefangennehmen und, wenn diese versagen, ihn in die Unbegreifbarkeit aussetzen. Ein begreifbarer Gott ist kläglich und ein unbegreifbarer beliebig.

 

Doch: Ein begreifbarer  Gott wäre im Griff des Verstehens gefangen!

 

B  Gott als Marionette von Denkkategorien ?

 

Der monotheistische wesenhafte Gott ist nach der Vorstellung des „vulgären Theismus“ (Karl Rahner) nichts anderes als eine Zusammenfassung aller antiken Götter in einem. Wie diese ist er nicht  letzte Instanz, sondern, obwohl doch alles auf ihn zurückzuführen sein soll, unseren menschlichen Denkkategorien unterworfen.

Die griechischen Götter waren der „Notwendigkeit“ (anánke) von Sein und Sosein unterworfen, also einem letzten, sebst nicht mehr auf einen Grund zurückführbaren Grund, weshalb diese „Notwendigkeit“ auch als „Zufall“ übersetzt werden kann.Die monotheistischen Religionen sehen zwar Gott als den letzten Grund, unterwerfen ihn aber im Widerspruch dazu insbesondere den nachfolgend behandelten Kategorien,die demnach die eigentlich letzten und damit kontingenten Instanzen sind.

Diese Widersprüchlichkeit vermeidet die sog. Negative Theologie (vgl. die nachfolgenden Zitate), indem sie Gott im Einklang mit der Bibel

 

2. Mos 3,14: „Jahwe“ = „Ich bin, der ich bin“ (also wegen Einzigartigkeit keine Identität mangels Vergleichbarkeit)

 

2. Mos 20,4; 5. Mos 5,8: Zweites Gebot: Man soll sich keine Vorstellung von Gott machen,weil man sich keine machen kann.

 

2. Mos 33,20: kein Schauen Gottes

 

Jes 55,9: Gott ist höher als unsere Gedanken.

 

1. Kö 8,27: Gott ist über dem Himmel.

 

Pred 8,17; 11,5: Gott ist unergründlich.

 

Hos 11,9: wider den Anthropomorphismus

 

22. Ps 2: Gott ist antwortlos.

 

Mt. 11,27: Jesus: „Niemand kennt den Vater.“

 

Lk 10,21: Gott ist verborgen vor den Weisen und Klugen.

 

Joh 16,23: Gott ist fraglos.

 

1. Kor 12,6;15,28: Gott ist alles in allem.

 

Kol 1,17: Gott ist vor allem, und es besteht alles aus ihm.

 

Ap 17,28: Wir sind in Gott.

 

als wirklich transzendent, nämlich auch über den Gegensatz von Sein und Nichtsein erhaben und damit als unbegreiflich, nicht positiv beschreibbar ( vgl.das Zweite Gebot) auffassen, wobei sie schon auf die alten griechischen Philosophen, insbesondere auf Platon, zurückgreifen können:

 

„Das Eine ist weder seiend noch nicht seiend, weder ist es noch besteht es, weder ist es eigenständig noch durch sich eigenständig noch Ursprung,sogar noch nicht einmal Eines. Sogar die Aussage ´das Eine ist Eines´ wäre nicht angemessen, da die Copula ´ist´ dem Einen nicht zukommen kann; und wenn man ohne Verwendung der Copula sagte ´das Eine Eine`, so wäre auch das keine angemessene Aussage, weil jede Aussage, die ohne Andersheit und Zweiheit nicht gemacht werden kann, dem Einen nicht zukommt.“( Nikolaus von Kues,Tu quis es, n.19,unterZusammenfassung von Platon, Parmenides 137c4-142a8; er selbst: „Es ist in höchster Weise wahr, dass das einfachhin Größte ist oder nicht ist oder ist und nicht ist oder weder ist noch nicht ist.“;Vgl Pyrrhonaus Elis :

über jeden einzelnen Gegenstand müsse man sagen, dass er nicht mehr “sei“ als „nicht sei“, oder: dass er sowohl „sei“ als „nicht sei“, oder: dass er weder „sei“ noch „nicht sei“ ( Aristokles bei Eusebius Praep.evang. 14.18.4 – Caizzi 53 ))

 

 

Nachfolgend seien die drei wichtigsten Kategorien herausgegriffen, denen die monotheistischen Religionen im populären Verständnis Gott unterordnen:

 

 

1) Er „ist“ und ist damit auch dem Gegensatz von Sein und Nichtsein unterworfen,noch dazu, ohne nicht sein zu können (oder zu wollen, was auf das Gleiche hinausläuft, da er dann nicht wollen kann, nicht  zu sein).

 

Jedes Quantenobjekt ist daher in seinen raumzeitlichen Eigenschaften in der Position der Überlagerung (Superposition beziehungsweise Verschränkung) „erhabener“ als Gott, indem es insoweit „überseiend“ ist. Die Quantenphysik hat die zweiwertige aristotelische Logik des „tertium non datur“ seit über einem Jahrhundert durch eine mehrwertige Quantenlogik ersetzt.

 

Die Aussage dagegen, dass Gott über den Gegensatz von Sein und Nichtsein „erhaben“, „überseiend“ ist

 

(Meister Eckhart, Pr.83; EW II,S.190, 24f ; Thomas von Aquin: „können wir das Sein Gottes nicht erkennen;Summa theologiae I quaestio 3,articulum 4, ad 2; Nikolaus von Kues: „Gott ist...und ist zugleich nicht“; Proclus: „Dashöchste Prinzip ist überseiend und unerkennbar, die aristotelischen Kategorien und auch die sogenannten Kategorien der intelligiblen Welt (Seiendes, Bewegung, Ruhe, Selbigkeit, Andersheit) sind auf es nicht anwendbar.“ Kabbala:„Spricht man von Gott, so spricht man, ach, von Gott nicht mehr.“),

 

versteht Gott lediglich im aussagenden (Satzprädikat), nicht im gegenständlichen (Satzsubjekt) Sinn als seiend.

 

(Bonhoeffer:  „Einen Gott, den es gibt, gibt es nicht.“; Akt und Sein, Kapitel B, Abschnitt 3b: Paul Tillich: „Gott existiert nicht.“; Systematische Theologie I 239; Karl Rahner, “Grundkurs desGlaubens“: „Denn  den Gott gibt es wirklich nicht, der als ein einzelnes Seiendes neben anderem Seienden sich auswirkt und waltet und so gewissermaßen selber noch einmal in dem größeren Haus der Gesamtwirklichkeit anwesend wäre.Suchte man einen solchen Gott, dann hätte man einen falschen Gott gesucht. Der Atheismus und ein vulgärer Theismus leiden an derselben falschen Gottesvorstellung; nur lehnt der eine diese ab, während der andere meint, sie dennoch denken zu können.Beides ist im Grunde falsch. Das zweite (die Vorstellung des vulgeren Theismus), weil es diesen Gott nicht gibt; das erste (der Atheismus), weil Gott doch die radikalste,ursprünglichste und in einem gewissen Sinne selbstverständlichste Wirklichkeit ist .“).

 

Wenn Gott als vollkommen transzendent begriffen wird (vergleiche das Zweite Gebot), dann steht überhaupt jede Aussage über ihn im Widerspruch dazu. Der Glaube an einen solchen Gott ist nur dann lebensrelevant, wenn man seine Transzendenz – die ja letztlich auch lediglich eine kategoriale  Vorstellung ist – in einer Verknüpfung mit dem Irdischen sieht wie zum Beispiel im Jesusglauben.

 

2) Er ist der Zeit unterworfen.

 

Er hat alles „geschaffen“ und zwar in Unvollkommenheit (nur er ist vollkommen )und führt uns erst über den Umweg des Leidens und der Selbstbestimmung in Verantwortung vor ihm zur zeitlosen („ewigen“) Erlösung oder Verdammung.

Die Zeit kann er aber nicht  „geschaffen“ haben. Denn jede Entstehung, erst recht durch Schöpfung, ist ein zeitlicher Vorgang, eine Veränderung eines vorherigen Zustandes in einen nachherigen, setzt also die Zeit bereits voraus (jedenfalls im empirischen Sinn, also abgesehen von der naturwissenschaftlichen Streitfrage, ob es Zeit überhaupt gibt). Auch die Schaffung aus dem Nichts geht von einem Vorher des Nichts aus (wobei es sich bei dem Nichts um einen

selbstwidersprüchlichen Begriff handelt, da es das Nichts nicht geben kann, ohne dass es dann eben doch etwas ist).

Das zeitliche Schöpfungswerk strebt aber dann doch einer (von Gott in seiner Allwissenheit von vornherein vorausgesehenen) zeitlosen Sinnerfüllung zu (wobei sich die Frage stellt: Warum ist nicht gleich, was erst werden soll?). Hier klafft ein Widerspruch: Einerseits war Gott bei der Schöpfung die Zeit bereits vorgegeben, also nicht von ihm geschaffen worden; andererseits vermag er sie mit der kommenden Ewigkeit abzuschaffen! Doch allein schon, dass er einen Willen hat, einen Plan, ein Ziel verfolgt, unterwirft ihn der Zeit, denn das alles ist ja zukunftsorientiert und -gerichtet, also zeitbedingt.

 

3) Er ist nicht nur dem Gegensatz von Sein und Nichtsein unterworfen (siehe Ziff.1), sondern überhaupt Gegensätzen wie zum Beispiel Wahrheit und Unwahrheit und insbesondere dem Gegensatz von Freiheit und Notwendigkeit sowie dem Wertungsgegensatz von Gut und Schlecht (Böse).

 

Gott soll uns einen „freien Willen“ verliehen haben. Aber abgesehen davon, dass es sich dabei um einen selbstwidersprüchlichen Begriff handelt

(Wovon soll der Wille denn frei sein? Seinen Willen kann man sich nicht auswählen, ohne ihn dabei bereits zu haben. Wenn Gott in seiner Allwissenheit jede menschliche Entscheidung voraussieht, kann sich der Mensch gar nicht anders entscheiden, als von Gott vorausgesehen),

 

hätte sich Gott dadurch mitschuldig an allen „sündigen“ Entscheidungen gemacht, wenn er nicht den Gegensätzen von Freiheit und Notwendigkeit sowie von Gut und Böse unterworfen wäre. Denn er hätte dann ja erst überhaupt die Möglichkeit, sich für das Böse zu entscheiden, geschaffen, indem er für eine freie Entscheidung zwischen Gut und Böse erst einmal den Gegensatz von Gut und Böse

 

( 5.Mos32,39; Jes.45.7; Jer.45.5;  Ps.51,12 im Umkehrschluss,88.7; Kl.3.36,37,38; Spr,16.4;  Am3.6;  Sach.3.1;  Hiob1.6,2.1,10; 1. Sam 2,6f; Spr 16,4; Pred. 7,14; Mat 5.45; 10.29; Luk.12.6; 1.Kor. 4.7; Rö.5,13; 8.20,22)

 

und von Freiheit und Notwendigkeit hätte geschaffen haben müssen.

Hinzukommt, dass er ja alle unseren freien Entscheidungen für das Böse in seiner Allwissenheit vorausgesehen hätte. Seine Mitschuld würde noch dadurch verstärkt, dass Gott ja, wenn er den angeführten Gegensätzen nicht unterläge, auch die Versuchung durch den Teufel ermöglicht hätte, indem er einen Engel sowie dessen Möglichkeit des „Abfalls“ geschaffen hätte, und dies, obwohl er diesen Abfall vorausgesehen hätte.

 

Gott ist also entweder nicht „allmächtig und allwissend“, oder auch das Böse ist ihm zuzurechnen, wie es insbesondere bei Jesaja und Jeremia(s.o.) heißt.

Diese zwingenden Konsequenzen aus der Wesenhaftigkeit Gottes werden vermieden, wenn man Gott als „überseiend“ und damit auch über alle Gegensätze erhaben ansieht ( „Ich bin der, der ich bin“ ).Dann unterliegt Gott auch keinem Grund für seine gegensätzliche Schöpfung, da er mit dem Sein auch Gründe als Gegenstände dieses Seins erst geschaffen hätte und daher für ihn selbst als letztem Grund keine Gründe gelten könnten. Er wäre dann auch über alle Gegensätze der Schöpfung erhaben, auch deshalb, weil – von unserem irdischen Standpunkt aus betrachtet – auch alles objektiv und subjektiv Negative (Unvollkommenheiten, Übel, Böses) in dem Sinn „gut“ ist, dass eben alles auf Gott zurückzuführen ist und es daher nichts Besseres geben kann. Von der „Güte“ Gottes ist dann in dem Sinne zu sprechen, dass alles letztlich in Gott in seiner Unbegreiflichkeit „aufgehoben“ ist im doppelten Sinne des Wortes: gegenstandslos (Kohelet 1,2; 12,8) und unverloren. Erlösung und Verdammnis bedeuten dann: Einheit von Diesseits und Jenseits oder Verhaftetsein im Diesseits, jeweils zeitunabhängig, denn  "Leben und Tod sind dasselbe" (Heraklit).

 

 

C Das Scheinproblem von Gottesbeweisen

 

 

Gott beweisen zu können, hieße paradoxerweise, Transzendenz widerlegen zu können.

Denn Transzendentes kann schon begrifflich nicht Gegenstand und Ergebnis einer bloßen Denkoperation wie einer Beweisführung sein.

Da Gott als transzendent definiert ist, widerspräche seine Beweisbarkeit also schon dem Gottesbegriff, denn ein beweisbarer Gott wäre bloßer Gegenstand irdischen Wissens. Gott erschließt sich aber nach dem Verständnis der Gläubigen erst im Glauben.

 

1) Gott ist als überseiend überhaupt nicht bloßer Gegenstand des Seins (oder Nichtseins), erst recht nicht Gegenstand der im Sein begründeten und auf das Sein bezogenen Beweisbar- oder Widerlegbarkeit.

„Einen Gott, den es gibt, gibt es nicht.“(Dietrich Bonhoeffer, „Akt und Sein“, Kapitel B. Abschnitt 3b).

„Gott existiert nicht.“ (PaulTillich, Systematische Theologie I 239)

Er ist nicht bloßer Gegenstand des Seins, wird nicht vom Gegensatz zwischen Sein und Nichtsein transzendiert (überbestimmt) – was seiner „Allmacht“ widerspräche -, sondern hat ihn – wie alles – erst „erschaffen“ ( natürlich nicht im raum -  zeitlich – kausalen, sondern im zuordnenden  Sinn des hebräischen Sonderbegriffes „bara“,  daGott auch  die Raumzeit und damit auch Ursache und Wirkung erst „erschaffen“ hat ).

Auch „Allmacht“ bedeutet keine Eigenschaft des Seins – denn das führte zu Paradoxien wie der Macht, nicht allmächtig zu sein, oder der Macht ohne Objekt, da ihr ein solches ja notwendigerweise entgegenstünde (Hans Jonas) - ,sondern Erhabenheit über Sein und Nichtsein.

 

Hierzu ist auch noch auf die folgenden christlichen Denker und Vordenker zu verweisen:

 

Vordenker

Proclus (412-484):

 

„Das höchste Prinzip ist überseiend und unerkennbar, die aristotelischen Kategorien und auch die sogenannten Kategorien der intelligiblen Welt (Seiendes, Bewegung,Ruhe, Selbigkeit, Andersheit) sind auf es nicht anwendbar.“ (Zitiert nach Karl Bormann, Nikolaus von Kues, Über den Ursprung,Felix Meiner Verlag, Hamburg). „ Das Eine ist weder seiend noch nicht seiend, weder ist es noch besteht es, weder ist es eigenständig noch durch sich eigenständig noch Ursprung, sogar noch nicht einmal Eines. Sogar die Aussage `das Eine ist Eines´ wäre nicht angemessen“ ( Tu quis es n. 19). Proclus stützt sich dabei auf Platon, Parmenides ,137 c 4-142 a 8 ).Nach Pyrrhon von Elis (365/60-275 v.Chr. ) gilt das sogar allgemein:

περὶ ἑνὸς ἑκάστου λέγοντας ὅτι οὐ μᾶλλον ἔστιν ἢ οὐκ ἔστιν ἢ καὶ ἔστιν καὶ οὐκ ἔστιν ἢ οὔτε ἔστιν οὔτε οὐκ ἔστιν

über jeden einzelnen Gegenstand müsse man sagen, dass er nicht mehr “sei“ als „nicht sei“, oder: dass er sowohl „sei“ als „nicht sei“, oder: dass er weder „sei“ noch „nicht sei“ ( Aristokles bei Eusebius Praep.evang. 14.18.4 – Caizzi 53 )

Vgl, auch Heraklit von Ephesus(545-475 v, Chr.):

ταὐτὸν...εἶναι καὶ μὴ εἶναι

dasselbe...( ist ) Sein und Nichtsein ( A 7; Arist. Metaph.Γ 3. 1005b23 )

 

„Alles Göttliche selbst ist schon durch seine überwesentliche Einheit unaussprechlich und unerkennbar für alles Zweite, Abgeleitete..... denn die Götter sind über alles Seiende hinaus....“ ( Proklos,Initia Theologiae)

 

Pseudo-Dionysios Areopagida (Ende des 5. Jh.):

 

„Jegliche Denktätigkeit ist das über alles Denken Erhabene, das Eine unausdenkbar; jeglicher Rede ist das alle Rede übersteigende Gute unaussprechlich. Es ist nämlich jene Einheit, welche jeder Einheit Einheitlichkeit verleiht. Es ist jene überwesentliche Wesenheit, jene keiner Vernunft zugängliche Vernunft und jenes durch kein Wort auszudrückende Wort. Es ist ein Nicht-Wort, ein Nicht-Wissen, ein Nicht-Name. Es ist alles nach keiner Art von dem, was ist. Es ist Grund des Seins für alle Dinge,und ist doch selbst nicht seiend, weil über alle Wesenheit erhaben,und so beschaffen, wie es nur selbst eigentlich und wissend über sich Kunde geben möchte.“ (Über die Gottesnamen)

 

Gott ist ὑπερούσιοςüberseiend. (Mystische Theologie, Kap. V )

 

Das Buch der 24 Philosophen“(wohl 12.Jh. n.Chr.):

 

XI

Gott ist jenseits des Seins.....(Deus est super ens...)

 

 

 Thomas von Aquin (1225-1274):

Gott darf  nicht als erste in einer Reihe gleichrangiger Ursachen gedacht werden. Er verhält sich zur Welt nicht, wie Dinge verschiedener Gattungen sich zueinander verhalten. Gott steht vielmehr außerhalb jeder Art zu sein ("Deus non est in genere";S.th.I,qu.3,a.5)


In dem Satz  "Gott ist" muss das "ist" sorgfältig interpretiert werden ("Esse multipliciter dicitur") .Denn auch das "Dass" Gottes, obwohl es von uns gedacht werden kann, wird in seiner Wirklichkeit nicht begriffen (S.th.I,qu.3,a.4 ad 2 ) .


Menschliche Gotteserkenntnis gipfelt darin, zu begreifen, dass Gott unbegreiflich ist ("Illud est ultimum cognitionis humanae de deo quod sciat se deum nescire"; "De potentia“,qu.7,a.5) .

 

 

Meister Eckhart (1260-1328):

 

„Sage ich ...: Gott ist ein Sein –es ist nicht wahr; er ist vielmehr ein überseiendes Sein und eine überseiende Nichtheit!“ (zitiert nach Friedrich Lauxmann, DieSchöpfung, Nymphenburger Verlag)

 

„Gott kommt nicht das Sein zu, noch ist er ein Seiendes, sondern er ist etwas Höheres als das Seiende.“( zitiert nach Wilhelm Weischedel, Die philosophische Hintertreppe)

 

„Gott ist nicht liebenswert: er ist über alle Liebe und Liebenswürdigkeit erhaben.“ „ Sage ich demnach: Gott ist gut – es ist nicht wahr; ich vielmehr bin gut, Gott aber ist nicht gut!“

„Gott ist gut, Gott ist weise, Gott ist unendlich, Gott ist gerecht- das alles ist so unsinnig, als wenn ich das Schwarze weiß nennen würde.

Du bist es, was du über deinen Gott denkst, und lästerst ihn, wenn du ihn damit behängst. Nimm ihn ohne Eigenschaft als überseiendes Sein und eine überseinde Nichtigkeit“ (Reden der Unterweisung)

 

Gott ist „weder dies noch das“.

 

 

 

Nikolaus von Kues (1401-1464):

 

„Gott ist... und ist zugleich nicht.“( zitiert nach: Theologische Realenzyklopädie, Nikolaus von Kues,Ziff. 3 )

 

„Das Eine ist weder seiend noch nicht seiend... sogar nicht einmal Eines – (unum) nec est ens nec non ens...immo nec unum.(Tu quis es, n.19)

 

„Es ist in höchster Weise wahr, dass das einfachhin Größte ist oder nicht ist oder ist und nicht ist oder weder ist noch nicht. (De docta ignorantia I,n.16)

 

„Spricht man von Gott, so spricht man, ach, von Gott nicht mehr.“ (Kabbala)

 

„Si comprehendis, non est Deus –wenn du verstanden hast, dann ist es nicht Gott“ (Augustinus,354-430)

 

 

Karl Rahner, der bekannte katholische Theologe, schrieb in seinem Buch “Grundkurs des Glaubens“:

 

„Denn  den Gott gibt es wirklich nicht, der als ein einzelnes Seiendes neben anderem Seienden sich auswirkt und waltet und so gewissermaßen selber noch einmal in dem größeren Haus der Gesamtwirklichkeit anwesend wäre.Suchte man einen solchen Gott, dann hätte man einen falschen Gott gesucht. Der Atheismus und ein vulgärer Theismus leiden an derselben falschen Gottesvorstellung; nur lehnt der eine diese ab, während der andere meint, sie dennoch denken zu können. Beides ist im Grunde falsch. Das zweite (die Vorstellung des vulgären Theismus), weil es diesen Gott nicht gibt; das erste (der Atheismus), weil Gott doch die radikalste,ursprünglichste und in einem gewissen Sinne selbstverständlichste Wirklichkeit ist .“

 

Der katholische Theologe Hans Küng schreibt in seinem Buch: „Einführung in den christlichen Glauben“:

 

„Einen Gott, den es gibt, gibt es nicht“, sagte der evangelische Theologe und Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer einmal zu Recht. Denn: Gott – im Tiefsten und Letzten verstanden – kann nie einfach Objekt, ein Gegenstand sein.Ist er das, wäre dies nicht Gott. Gott wäre dann der Götze der Menschen. Gott wäre ein Seiendes unter Seiendem, über das der Mensch verfügen könnte, und sei es auch nur in seiner Erkenntnis.

Gott ist per definition das Un-definierbare, Un-begrenzbare: eine buchstäblich unsichtbare, unermessliche, unbegreifliche, unendliche Wirklichkeit.“

 

 

 

Nach den Erkenntnissen der Quantenphysik „verschwimmen“  die Elementarteilchen der Materie zwischen Sein und Nichtsein (sie sind – unbeobachtet –„sowohl überall als auch nirgends“; sog.  Superposition, Verschränkung).Es herrscht statt der zweiwertigen aristotelischen Logik vom ausgeschlossenen Dritten die mehrwertige, komplementäre Quanten-Logik: Sein und Nichtsein sind lediglich Erscheinungen von etwas Drittem (Quantenfeld, Potentialität, Information).In der Kosmologie geht man davon aus, dass es über die sogenannten Primärdimensionen Sein/Nichts hinaus unendlich viele weitere Dimensionen „gibt“ ( Insichbezüglichkeit des „Urknalls“ in den vier Sekundärdimensionen der Raumzeit ).

 

Umso weniger kann Gott auf eine bloße „Existenz“ festgelegt sein!

 

Die komplementäre Quantenlogik aufgreifend schrieb Joseph Ratzinger, Papst Benedikt XVI,  in seinem Buch: „Einführung in das Christentum“:

 

„Der Jansenist  Saint-Cyran hat einmal das denkwürdige Wort gesagt, der Glaube bestehe in einer Reihe von Gegensätzen, welche durch die Gnade zusammengehalten werden. Er hatte damit im Bereich der Theologie eine Erkenntnis ausgesprochen, die heute in der Physik als  Gesetz der Komplementarität zum naturwissenschaftlichen Denken gehört. DemPhysiker wird heute zunehmend bewusst, dass wir die gegebenen Realitäten, etwa die Struktur des Lichts oder die der Materie überhaupt, nicht in einer Form von Experiment und so nicht in einer Form von Aussage umgreifen können, dass wir vielmehr von verschiedenen Seiten her je einen Aspekt zu Gesicht bekommen, den wir nicht auf den anderen zurückführen können.Beides zusammen – etwa die Struktur von Korpuskel und Welle – müssen wir, ohne ein Umgreifendes finden zu können, als Vorgriff auf das Ganze betrachten, das uns als Ganzes in seiner Einheit ob der Beschränkung unseres Blickpunktes nicht zugänglich ist. Was hier im physikalischen Bereich als Folge der Begrenzung unseres Sehvermögens zutrifft, gilt in noch ungleich höherem Maß von den geistigen Wirklichkeiten und von Gott. Auch hier können wir immer nur von einer Seite her hinschauen und so je einen bestimmten Aspekt erfassen, der dem anderen zu widersprechen scheint und der doch nur zusammengehalten mit ihm ein Verweis auf das Ganze ist, das wir nicht zu sagen und zu umgreifen vermögen.Nur im Umkreisen, im Sehen und Sagen von verschiedenen, scheinbar gegensätzlichen Aspekten her gelingt uns das Hinüberweisen auf die Wahrheit, die uns doch nie in ihrer Gänze sichtbar wird.

Vielleicht wird uns hier der Denkansatz der heutigen Physik eine bessere Hilfe bieten, als die aristotelische Philosophie sie zu geben vermochte. Physik weiß heute, dass über die Struktur der Materie nur in Annäherungen von verschiedenen Ansätzen her gesprochen werden kann.Sie weiß, dass vom jeweiligen Standort des Betrachters das Ergebnis seiner Befragung der Natur abhängt. Warum sollten wir von hier aus nicht auch ganz neu verstehen können, dass wir in der Frage nach Gott nicht aristotelisch nach einem letzten Begriff suchen dürfen, der das Ganze um-greift, sondern gefasst sein müssen auf eine Mehrheit von Aspekten, die vom Standort des Beobachters abhängen und die wir nicht mehr letztlich zusammenschauen, sondern nur miteinander hinnehmen können, ohne das Letzte zur Aussage zu bringen? Wir begegnen hier der verborgenen Wechselwirkung von Glaube und modernem Denken.Dass die heutige Physik über das Gefüge der aristotelischen Logik hinausgehend in dieser Weise denkt, ist doch wohl auch schon Auswirkung der neuen Dimension, die die christliche Theologie eröffnet hat, ihres notwendigen Denkenmüssens in Komplementaritäten.

Noch auf zwei physikalische Denkhilfen möchte ich in diesem Zusammenhang kurz hinweisen. E. Schrödinger hat die Struktur der Materie als “Wellenpakete“ definiert und damit den Gedanken eines nicht substantiösen, sondern rein aktualen Seins gefasst, dessen scheinbare „Substantialität“  in Wahrheit allein aus dem Bewegungsgefüge sich überlagernder Wellen resultiert.... er bleibt ein erregendes Gleichnis für die actualitas divina, für das schlechthinige Akt-Sein Gottes, und dafür, dass das dichteste Sein-Gott-allein in einer Mehrheit von Beziehungen, die nicht Substanzen, sondern nichts als „Wellen“ sind, bestehen und darin ganz eines, ganz die Fülle des Seins bilden kann....diesen Gedanken,der sachlich bereits bei Augustinus formuliert ist, wenn er den Gedanken der reinen Akt-Existenz (des „Wellenpaketes“) entwickelt...

….noch der zweite Hinweis auf eine Verstehenshilfe von der Naturwissenschaft her: Wir wissen heute, dass im physikalischen Experiment der Beobachter selbst in das Experiment eingeht und nur so zu physikalischer Erfahrung kommen kann. Das bedeutet, dass es die reine Objektivität selbst in der Physik nicht gibt, dass auch hier der Ausgang eines Experiments, die Antwort der Natur, abhängt von der Frage, die an sie gerichtet wird. In der Antwort ist immer ein Stück der Frage und des Fragenden selbst anwesend, sie spiegelt nicht nur die Natur in ihrem In-sich-Sein, in ihrer reinen Objektivität, sondern gibt auch etwas vom Menschen, von unserem Eigenen wieder, ein Stück menschlichen Subjekts. Auch dies gilt entsprechend abgewandelt von der Gottesfrage wieder. Den bloßen Beschauer gibt es nicht. Die reine Objektivität gibt es nicht. Man wird sogar sagen können: Je höher ein Gegenstand menschlich steht, je mehr er ins Zentrum des Eigenen hineintrifft und das Eigene des Beschauers mitengagiert, desto weniger ist die bloße Distanziertheit der reinen Objektivität möglich. Wo immer sich also eine Antwort als leidenschaftslos objektiv gibt, als die Aussage, die endlich über die Voreingenommenheit der Frommen hinausgeht und bloß sachlich wissenschaftlich aufklärt, muss man sagen, dass hier der  Redende einem Selbstbetrug verfallen ist. Diese Art von Objektivität ist nun einmal dem Menschen versagt. Er kann gar nicht als bloßer Beschauer fragen und existieren. Wer versucht, bloßer Beschauer zu sein,erfährt nichts. Auch die Wirklichkeit „Gott“ kann nur in den Blick kommen für den, der in das Experiment mit Gott eintritt – in das Experiment, das wir Glaube nennen. Nur indem man eintritt, erfährt man; nur indem man das Experiment mitmacht,  fragt man überhaupt, und nur wer fragt, erhält Antwort.“

 

 

2) Gott unterliegt nicht der Beweisbarkeit. Er hat diese ja erst – wie alles – „erschaffen“. Wäre er beweisbar, unterläge er – im Widerspruch zu seiner Allmächtigkeit – formalen Denkstrukturen des menschlichen Gehirns. Er ist nicht wissbar – als etwas unter Vielem - , sondern nur glaubbar -  in einem Urvertauen begründet. „Wir können nicht über Gott reden, wir können nur zu Gott reden“ (Franz Kafka)..An Gott zu glauben und an die Existenz eines Gottes zu glauben ist ein Unterschied.

 

3) Letztlich ist ohnehin nichts beweisbar (auch die Beweisbarkeit nicht).

 

Das bekannteste Beispiel hierfür hat Descartes mit seinem Zirkelschluss „cogito ergo sum“ vorgeführt. Selbst der Versuch, das Allerselbstverständlichste, das eigene Sein, zu beweisen, ist selbstbezüglich: „Ich denke, daher bin ich“,aber es gilt auch umgekehrt: Ich bin, daher denke ich. Wie beweise ich mein Denken? Das Denken setzt zwar das Sein voraus, es ist aber bereits eine Erscheinung des Seins. Um dieses zu beweisen, kann ich nicht auf das Denken zurückgreifen, da dieses bereits dasjenige voraussetzt, was es erst zu beweisen gilt! Die Prämisse, dass "ich" denke, nimmt die Schlussfolgerung, dass ich "bin" bereits voraus! 

 

„Der Glaube an die Existenz von irgendetwas, einschließlich meiner selbst, kann unmöglich als wahr erwiesen werden und beruht, wie jeder Glaube, auf einer irrationalen Überredung oder Eingebung des Lebens“ (George Santavana).

Siehe auch:

Johann Gottlieb Fichte(1762-1814):

Ich weiß überall von keinem Sein und auch nicht von meinem eigenen.Es ist kein Sein. - Ich selbst weiß überhaupt nicht und bin nicht.“

Georg Wilhelm Friedrich Hegel(1770-1831):

Die, welche auf dem Unterschiede von Sein und Nichts beharren wollen, mögen sich auffordern, anzugeben, worin er besteht „(Wissenschaft der Logik).

Erwin Schrödinger (1882-1961;Quantenphysiker; Nobelpreisträger):

Die in Raum und Zeit ausgedehnte Welt existiert nur in unserer Vorstellung. Dass sie außerdem noch etwas anderes sei, dafür bietet jedenfalls die Erfahrung – wie schon Berkeley wusste – keinen Anhaltspunkt“.

Werner Heisenberg(1901-1976 ; Quantenphysiker- “Unschärferelation“-;Nobelpreisträger):

...dass nicht einmal die Eigenschaft des “ Seins“, wenn man hier überhaupt von Eigenschaft reden will, den Elementarteilchen ohne Einschränkung zukommt. Es ist eine Möglichkeit oder eine Tendenz zum Sein“(Physik und Philosophie).

Hans-Peter Dürr (Quantenphysiker,*1929):

Es gibt … gar nichts Seiendes, nichts, was existiert.“

Eberhard Zeidler(Quantenphysiker,*1940)

Es ist eine wesentliche Erkenntnis der Physik und der Mathematik des 20.Jahrhunderts, dass der sogenannte gesunde Menschenverstand versagt, sobald wir in Erkenntnisbereiche vorstoßen, die weit von unserer täglichen Erfahrungswelt entfernt sind. Das betrifft die Quantentheorie (atomare Dimensionen), die Relativitätstheorie (hohe Geschwindigkeiten und kosmische Maßstäbe) sowie die Mengentheorie (der Begriff des Unendlichen).“

 

 

.

Alles muss durch etwas anderes bewiesen werden, und jede Beweisführung wird sich entweder im Kreise bewegen oder als endlose Kette in der Luft hängen. In keinem Falle lässt sich etwas beweisen. (

Timon von Phlieus

, 320-230 v. Chr.,  Schüler des Pyrrhon von Elis )

 

„Wenn nämlich das, aus dem etwas erkannt wird, immer aus etwas anderem erkannt werden muss, so gerät man in die Diallele oder den unendlichen Regress.Möchte man aber etwas, aus dem etwas anderes erkannt wird, als aus sich selbst erkannt annehmen, so widersteht dem, dass …  nichts aus sich selbst erkannt wird. Wie jedoch das Widersprüchliche entweder aus sich selbst oder aus etwas anderem erkannt werden könnte,  sehen wir keinen Weg, solange sich das Kriterium der Wahrheit oder derErkenntnis nicht zeigt.“ (Sextus Empiricus, 2. Jh. )

 

Eigenschaften und Beziehungen (Gründe und Zwecke) begründen das Individuelle. Sie können daher dem Universalen nicht zukommen.

So hat jedes individuelle Leid einen Grund, der universale Umstand, dass es überhaupt Leid gibt, aber nicht. Das Sein und seine Ausgestaltung als Sosein sind kontingent. Eigenschaften und Beziehungen sind selbst etwas Seiendes und können daher nur innerhalb des Seins, nicht für das  Sein selbst und das damit zwangsläufig verbundene Sosein gelten.

 

Die Unmöglichkeit von Letztbegründungen beschreibt  Hans Albert (geboren 1921) als „Münchhausen-Trilemma“ wie folgt:

Wenn man „für alles eine Begründung verlangt, muss man auch für die Erkenntnisse, auf die man jeweils die zu begründende Auffassung … zurückgeführt hat, wieder eine Begründung verlangen.“ Das führt zur „Wahl zwischen

  1. einem infiniten Regress, der durch die Notwendigkeit gegeben erscheint, in der Suche nach Gründen immer weiter zurückzugehen, der aber praktisch nicht durchzuführen ist und daher keine sichere Grundlage liefert;

  2. einem logischen Zirkel  in der Deduktion, der dadurch entsteht, dass man im Begründungsverfahren auf  Aussagen zurückgreift, die vorher schon als begründungsbedürftig aufgetreten waren, und der ebenfalls zu keiner sicheren Grundlage führt; und schließlich:  

  3. einem Abbruch des Verfahrens an einem bestimmten Punkt, der zwar prinzipiell durchführbar erscheint, aber eine willkürliche Suspendierung des Prinzips der zureichenden Begründung involvieren würde.“

 

 

Kein System kann sich aus sich heraus (ohne Metaebene) beweisen (vergleiche die Gödelschen Unvollständigkeitssätze), letztlich also auch nicht das Sein (vergleiche insbesondere Gorgias von Leontinoi ).

 

4) Beweisbarkeit ist – wie alle Denkinhalte, Denkstrukturen und Denkprozesse – lediglich ein geistiges Konstrukt (vergleiche insbesondere  Berkeley sowie die moderne Kognitionswissenschaft, insbes.Varela und Maturana).

Das von der Evolution als Überlebensstrategie (für die Orientierung im Überlebensbereich) entwickelte Denken versagt außerhalb seines Bestimmungsbereiches. DieQuantenphysik hat dies für den Bereich des Elementaren in der materiellen Natur aufgezeigt (unsere Begriffe sind nicht geeignet, subatomare Vorgänge widerspruchsfrei zu erfassen), die Relativitätstheorie für den Bereich des Universums („gekrümmte Raumzeit“), die Chaosforschung für den Bereich dynamisch komplexer Strukturen (der Reduktionismus scheitert als Erklärungsmodell),

 

5) Die Bibel postuliert daher die Unvorstellbarkeit, erst recht die Unbeweisbarkeit Gottes.

Nach dem Alten Testament kommt Gott keine Identität ( d.h.Eigenschaften, Abgrenzbarkeit) zu ( 2.Mos.3.14: „Gott entgegnete dem Moses:Ich bin, der ich bin!´ “ =“Jahwe“; 2.Mos.20,4: „ Du sollst dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen, weder des, das oben im Himmel, noch des, das unten auf Erden, oder des, das im Wasser unter der Erde ist.“; 5.Mos.5,8: “Du sollst dir kein Bildnis machen, einigerlei Gleichnis, weder oben im Himmel, noch unten auf Erden, noch im Wasser unter der Erde.“ = „Zweites Gebot“; vgl. auch insbes. 2. Mos.33,18 ff; Pred. 8,17;11,5; Jes.55,9;1.Kön.8,27 )

 

„ Si comprehendis, non est Deus – Wenn du verstanden hast, dann ist es nicht Gott“ (Augustinus)

 

Gerade deshalb ist Jesus „Mittler zwischen Gott und den Menschen“(1.Tim. 2 )

 

Überblick:

 

2. Mos 3,14: „Jahwe“= „Ich bin,der ich bin“ (also wegen Einzigartigkeit keine Identität mangels Vergleichbarkeit)

 

2. Mos 20,4; 5. Mos 5,8 : Zweites Gebot: Man soll sich keine Vorstellung von Gott machen, weil man sich keine machen kann, und auch nicht von der Welt, da man auch diese Schöpfung Gottes letztlich nicht begreifen kann ( Was ist überhaupt „Sein“ und „Nichtsein“? )

 

2. Mos 33,20: kein Schauen Gottes

 

Jes 55,9: Gott ist höher als unsere Gedanken.

 

1. Kö 8,27: Gott ist über dem Himmel.

 

Pred 8,17; 11,5: Gott ist unergründlich.

 

Hos 11,9: wider den Anthropomorphismus

 

22. Ps 2: Gott ist antwortlos.

 

Mt. 11,27: Jesus: „Niemand kennt den Vater.“

 

Lk 10,21: Gott ist verborgen vor den Weisen und Klugen.

 

Joh 16,23: Gott ist fraglos.

 

1. Kor 12,6;15,28: Gott ist alles in allem.

 

Kol 1,17: Gott ist vor allem, und es besteht alles aus ihm.

 

Ap 17,28: Wir sind in Gott.

 

 

6) Historische Gottesbeweise

 

Gottesbeweise sind nach der Bibel ausgeschlossen (1.Kor.1,19). Denn Gott und seine Schöpfung sind unvorstellbar (2. Mos. 20.4;  5. Mos. 5.8). Gott ist überseiend, weil er das Sein/Nichtsein erst „erschaffen“ hat(1.Mos.1.1).

 

I

Von den historischen Gottesbeweisen verdienen lediglich der sogenannte ontologische von Anselm von Canterbury und die kausalistischen vonThomas von Aquin und Descartes eine spezielle Würdigung.

Alle anderen sind, wenn nicht intellektuell unredlich, jedenfalls naiv. So sieht der kosmologische Gottesbeweis im Kosmos einen Sinn (Zweckmäßigkeit) walten, ohne die Fragen zu beantworten,

welchen Sinn denn ein Sinn haben sollte;

weshalb es sich dabei um einen positiven Wert statt um Zwang, zumindest um eine triviale Ex-post-Betrachtung, handeln sollte;

wie „Gottes Schöpfung“, also das Sein (und Nichtsein), als solches selbst Sinn aufweisen kann, obwohl dieser doch als etwas schon Seiendes das Sein voraussetzt, ihm also nicht vorgegeben sein kann;

wieso sich Sinn als Entwicklungsziel und damit Element der Zeit erst verwirklichen muss, statt von vornherein zu gelten.

Er ignoriert die Unvollkommenheiten, Unordnungen, Zerstörungen, Ungerechtigkeiten,Grausamkeiten und die unverschuldeten Leiden in der Welt (Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung, Ergänzungen zum 4. Buch, Kapitel 46: „Nun ist diese Welt so eingerichtet, wie sie seyn mußte, um mit genauer Noth bestehen zu können: wäre sie aber noch ein wenig schlechter, so könnte sie schon nicht mehr bestehen.Folglich ist eine schlechtere....gar nicht möglich..“).

 

II

Anselm von Canterburys (1033/34 - 1106) sogenannter ontologischer Gottesbeweis (Proslogion 1077/78) soll – wie oft verkannt wird- nicht die reale Existenz Gottes beweisen, sondern lediglich, dass Gott begrifflich nur als existent, also nicht als nicht existent, gedacht werden kann, es sich also bei der Gottesvorstellung nicht lediglich um ein reines Fantasieprodukt (wie bei der Vorstellung von Göttern, die man sich als existent und als nichtexistent denken kann) handelt.

 

Die Beweisführung besteht aus folgenden Schritten:

 

1) In der Realitä zu sein (esse in re), ist größer als bloß im Denken zu sein (esse in intellectu), denn Sein ist besser als Nichtsein (melius est esse quam non esse).

 

2) Gott ist definiert als „ etwas, über das hinaus nichts Größeres gedacht werden kann (aliquid quo maius cogitare non potest)“

 

3) Wegen 1) - also, weil das Größte nie bloß gedacht, sondern nur real sein kann- kann Gott als das Allergrößte (Ziff. 2) nur als real existierend, nicht als nicht existierend, gedacht werden.

 

Ähnlich schon Cicero, Seneca, Augustinus und Boethius.

 

Die Einwände insbesondere von Gaumilo, Thomas von Aquin, Kant ( Anselms Argument unterliege einem Kategorienfehler, nämlich dem Schluss vom begrifflichen Denken auf das Sein) verkennen, dass Anselms Beweis nicht die objektive  Existenz  Gottes, sondern lediglich dessen denknotwendige Existenz beweisen soll (Verteidigt wurde Anselm insbesondere von Duns Scotus, Descartes, Leibniz, Hegel).

 

Meine Einwände:

 

zu 1): Warum soll die äußere Realität über den Denkinhalten stehen? Ein Maßstab wäre ja doch nur im Denken. Im übrigen ist auch dieses selbst Realität und eine äußere Realität nur gedacht.

 

Zu 2): Der Begriff des Allergrößten (Allerhöchsten, Vollkommensten) ist selbstwidersprüchlich, weil er inhaltlich zu einem unendlichen Progress (Wo soll die Grenze liegen?) und zur Selbstbezüglichkeit (Der Superlativ müsste sich auch selbst transzendieren) führt.

Außerdem bleibt Gott gegenständlich, statt als allumfassend und überseiend (erhaben über Sein und Nichtsein, welchen Gegensatz er ja – wie alles – erst erschaffen haben soll) gedacht.

Im übrigen: Wie ist mit der höchsten Perfektion Gottes dessen unvollkommene, ungerechte und leidhafte Schöpfung vereinbar (Theodizeefrage)? Die Anselm´sche Definition Gottes stellt eine menschliche Wertung dar (Anthropomorphismus), die sich daher auch an der menschlichen Wertung von Gottes Schöpfung messen lassen muss.

 

Zu 3): Welchen Erkenntnisgewinn soll ein Denken als zwingend real gegenüber einem solchen als nur gedacht (reine Fantasieprodukte) oder auch als gedacht real (Götter) bringen?

Auch das zwingend als real Gedachte beinhaltet noch nicht seine Verifikation.

 

Nur unter diesem Aspekt erscheinen die Einwände der oben angeführten Denker als berechtigt.

 

III

Thomas von Aquins (1225 – 1274) Gottesbeweis (De ente et essentia cap 5;S.th. I qu. 2, a.3; S.c.g. I 13) liegt die Lehre des Aristoteles vom „ersten Beweger“ zugrunde. Sie findet sich angelegt und zusammengefasst bereits in seinem Werk „De ente et essentia“:

 

„ Daher muss jedes Ding, dessen Sein etwas anderes ist als seine Natur, sein Sein von woanders her erhalten haben. Weil nun alles, was von einem anderen her ist, letztlich auf das, was von sich aus ist, auf die erste Ursache, zurückgeht, so muss es etwas geben, was für alle Dinge dadurch die Ursache des Seins ist, dass es selbst nur das Sein ist.“

 

Meine Einwände:

 

1) Das strenge Kausalitätsprinzip, von dem Thomas ausgeht, ist nach den Erkenntnissen der Quantenphysik nicht haltbar. Demnach ist im elementaren Bereich von einer lediglich statistischen Kausalität (Wahrscheinlichkeit) auszugehen, die sich aus elementaren Zufallsprozessen ergibt.

 

2) Jeder ontologische (nicht nur epistemologische) Zufall, wie er in den elementaren physikalischen Bereichen der Quantenphysik und der Evolutionsbiologie regiert, ist nichts anderes als eine Ursache (für Folgewirkungen), die selbst nicht verursacht worden ist. Die eine erste Ursache nach Aristoteles und Thomas von Aquin gibt es also nicht.

 

3) Das Kausalitätsprinzip als Kette von Ursachen und Wirkungen setzt die Zeit voraus, in der es wirkt. Es kann daher nicht allumfassend sein,weil es die Zeit nicht verursacht haben kann.

 

IV

Descartes (1569– 1650) argumentiert wie folgt:

Die Ursache der Idee von Gott als dem höchst vollkommenen, unendlichen Wesen könne nicht vom unvollkommenen, endlichen Menschen, sondern nur von Gott gesetzt worden sein, da jeder Ursache mindestens ebensoviel Sein zukommen müsse wie der von ihr hervorgerufenen Wirkung, so dass die Beschränktheit des Menschen die unbeschränkte Gottesidee nicht hervorgebracht haben könne.

 

Meine Einwände:

 

1) Der Mensch kann sehr wohl über sich hinaus denken, wie schon das Bewusstsein seiner selbst (Apperzeption) und damit auch die Erkenntnis seiner Beschränktheit zeigt.

Das Argument Descartes hätte zur Konsequenz, dass die das menschliche Vorstellungsvermögen übersteigenden Erkenntnisse der Relativitätstheorien und der Quantenphysik direkt von Gott eingegeben sein müssten!

 

2) Dem Beweis liegt - wie dem von Anselm -  eine Verabsolutierung des Kausalitätsprinzips zugrunde.

Im übrigen ist es ein Kategorienfehler, das irdische und lediglich materielle Kausalitätsprinzip auf den als überirdisch gedachten Gott zu übertragen.

 

3) Dass jeder Ursache mindestens die gleiche ontologische  Qualität zukommen müsse wie der von ihr hervorgerufenen Wirkung, ist nicht einsichtig und durch die Erkenntnisse der Quantenphysik widerlegt: Die letzten Elemente der Materie sind immateriell ( Potentialität, Information,Struktur), ohne dass ein ontologischer Unterschied erkennbar ist.

 

V

Es soll noch der logische Gottesbeweis des Mathematikers und Logikers Kurt Gödel (1906-1978), dessen Unvollständigkeitssätze heute wissenschaftliches Allgemeingut sind – kein System kann sich aus sich selbst herleiten - angeführt werden:

 

Die Gleichungen der Allgemeinen Relativitätstheorie erlauben Zeitreisen (im sogenannte Gödel – Universum). Dies beweist, dass es Zeit nicht gibt, da solche Reisen Vergangenheit und Zukunft zur Gegenwart machen. Wenn es aber keine Zeit gibt, sind Möglichkeiten identisch mit Notwendigkeiten, da sie sich nicht erst verwirklichen müssen.

Alles, was ist, ist daher zwangsläufig, da es sonst nicht wäre. Die Möglichkeit, dass es ist, beinhaltet seine Notwendigkeit. Eine unerfüllbare Möglichkeit, zu sein, ist keine Möglichkeit. Eine erst zu verwirklichende Möglichkeit gibt es mangels Zeit nicht.

Nichts spricht gegen die Möglichkeit der Existenz Gottes. Daher existiert er.

 

Ich enthalte mich einer Kritik,da Gödels Gottesbeweis auch für Fachleute so kompliziert ist, dass ich ihn möglicherweise missverstanden habe. Gödel selbst hat verboten, diesen Beweis zu veröffentlichen, da er in den atheistischen Wissenschaftskreisen nicht für einen Theisten gehalten werden mochte.

Mir bleibt also nur der Grundeinwand gegen alle Gottesbeweise: Ein beweisbarer  Gott würde vom Sein und den menschlichen Denkinhalten transzendiert.

 

7) Negativer Gottesbeweis

 

Gott kann nicht existieren, da sich dies selbst widersprechen würde.

 

Denn Gott ist wie folgt definiert:

 

1) Er hat alles „geschaffen“.

 

Jeder Ursprung ist aber ein Ereignis in der Zeit, setzt also die Zeit voraus, so dass sie Gott nicht geschaffen haben kann.

 

2) Er ist allmächtig.

 

Dann muss er auch nicht allmächtig, ja nicht existent sein und wollen können.

 

3) Er ist allwissend und gebietend.

 

Dann können wir aber nichts tun, was seiner Vorsehung widerspricht, da im Falle eines solchen Widerspruchs  Gott geirrt hätte, also nicht allwissend gewesen wäre. Jede Sünde ist daher unvermeidbar. Gottes  Gebote gehen ins Leere.

 

4) Er ist vollkommen und allgütig.

 

Die Unvollkommenheiten und Übel seiner Schöpfung sind aber offenkundig (zum Beispiel Naturkatastrophen im All und auf der Erde ,gegenseitiges Täuschen, Quälen und Töten im Tierreich und darüber hinausgehendes Unrecht im menschlichen Bereich).

 

 

Wie gegen die positiven Gottesbeweise kann auch gegen die negativen insbesondere eingewandt werden, dass es sich um Anthropomorphismen in Form menschlicher Denkoperationen handelt, denen ein transzendenter Gott nicht unterworfen sein kann ( logischer Denkfehler in Form einer Kategorienüberschreitung, sog. μετάβασις εἰς ἄλλο γένος ).

 

 

D  Gott und Transzendenz

 

Es ist einfach paradox, unsere Denkvorstellungen – und damit in letzter Abstraktion auch die Gegensätze von Sein und Nichtsein sowie Wahrheit und Unwahrheit –in einen gedachten Bereich zu übertragen, den wir als transzendent, also als alle Vorstellungen übersteigend, denken. Auch mit unseren Denkvorstellungen können wir im übrigen nur denken, dass es Unvorstellbares gibt, aber nicht,  wie es ist oder nicht ist. Qualität kommt immer nur einer Quantität zu, nicht einer Generalität.

 

E  Göttliche Paradoxien

 

Kind: „Mama, wenn Gott allmächtig ist, kann er dann auch nicht sein?“

Mutter: „Er kann es, aber er will es nicht!“

Kind: „Kann er es wollen?“

 

Gott steht nicht unter seiner Allmacht, sondern darüber. Seine Allmacht umfasst auch sich selbst. Er ist an sie nicht versklavt.

 

Allmacht bezeichnet nicht eine Potentialität, also eine notwendigerweise nur in der Zeit mögliche Wirkkraft in Bezug auf Objekte. Sie wäre dann durch die Zeit überbestimmt und nur ein Gegenstand neben den bereits vorgegebenen Objekten. Außerdem müsste sie auch sich selbst umfassen und daher abschaffen können.

Sie bezeichnet vielmehr die eine, überseiende, allumfassende Totalität.

 

 

Allmacht umfasst auch die Macht zur Ohnmacht und die Freiheit des Willens hierzu. In unserem Empfinden von Übel und Leid.erniedrigt und verleugnet sich Gott in seiner Allmacht selbst – wie von  Jesus vorgelebt - , um  uns seine – in unserer Endlichkeit und Bedingtheit unzugängliche – Unendlichkeit und Erhabenheit über Sein und Nichts, vor der wir nur erschaudern können, zu offenbaren und uns in seiner unaufdringlichen,nur durch das Vertrauen auf ihn offenstehenden,

allerhabenen Liebe aufzunehmen, die er uns in der Erlösung - wie durch die Auferstehung Jesu gezeigt - von den Übeln und den Leiden zuteil werden lassen wird, und die wir bereits jetzt durch die Selbstüberwindung zur Nächstenliebe in uns und für andere erkennbar machen können.Übel und Leid sind daher nicht sinnloser Umweg zur göttlichen Offenbarung und Erfahrung, sondern gehören dazu.

Wir können den unbegreiflichen Gott nur im Unbegreiflichen erfahren, im sinnlos erscheinenden Leid, das sich in der zeitlosen Erlösung als sinnfreie Liebe offenbart. Gottes   Güte ist nicht lediglich das Gegenteil des Schlechten, sondern sinnfreie, über diesen Gegensatz erhabene  Liebe. Gottes Allmacht umfasst auch die Macht zum Negativen und die Erhabenheit über Gegensätze, die als seine Liebe unser Leiden in seiner unbegreiflichen Allmacht durchdringt.

 

Da Gott wesensmäßig allmächtig sein muss, aber nicht sein kann, ohne durch seine Allmacht überbestimmt und daher doch nicht allmächtig zu sein, kann er nur negativ dahin bestimmt werden,dass er alles nicht und daher nichts ist. Dadurch ist er auch nicht negativ überbestimmt, da das Nichts weder sein noch nicht sein kann, ohne doch etwas Positives oder Negatives sein.

Diese Undenkbarkeit des Nichts ist das Geheimnis „Gott“.

 

Franz Kafka: „Wir können nicht  über Gott reden, wir können nur zu Gott reden.“

 

1)  "Allmacht"ist in dreifacher Hinsicht ein selbstbezüglicher Begriff ( wie -nach Karl Popper - alle sogenannten All-Begriffe einschließlich des Begriffs des Nichts ) :

a) Allmacht muss logischerweise auch die Macht umfassen, nicht allmächtig zu sein.

b) Allmacht setzt wie jede Macht begrifflich eine Gegenmacht voraus, die von ihr beherrscht wird (Hans Jonas). Sie ist also nicht allein und daher nicht all - mächtig.

c) Allmacht setzt ein Wirken voraus und damit die Zeit (in der sie wirkt). Dann aber steht die Zeit über ihr. Gott wird von der Zeit transzendiert, sie ist sein Übergott (das gleiche Paradox wie bei der Schöpfungsgeschichte, da ja auch die Schöpfung ein zeitlicher Vorgang ist).
Nur am Rande sei bemerkt, dass die Zeit (ebenso wie der Raum) nach der Relativitätstheorie und der Quantenphysik ( wie schon bei Kant in seinen "Antinomien" ) lediglich eine menschliche Vorstellung ist, was mathematisch die Wheeler-de-Witt-Gleichung zum Ausdruck bringt.

 

Also: Gott ist nicht allmächtig, sondern so, wie er ist!

 

2) " Allwissenheit" bei jemandem, auf den alles zurückzuführen ist - so das kirchliche Gottesverständnis - , ist eine Tautologie.

3) " Allgüte" setzt ein Wirken voraus und damit die Zeit, die dann über ihr steht. Auch hier wird Gott also transzendiert. Außerdem soll ja Gott alles erst geschaffen haben und daher auch den Gegensatz von Gut und Schlecht/Böse. Er selbst kann daher weder gut noch böse sein.

 Die christliche Lehre sieht diese Paradoxien in der Gestalt Jesu aufgelöst. Der nach den Aussagen des AltenTestaments unbegreifliche Gott habe sich dadurch anschaulich gemacht.
Aber auch das spräche ja gegen die Allmacht. Denn Gott hätte sich dann ja genötigt gesehen, in seine eigene Schöpfung einzugreifen. Und noch dazu ohne Erfolg, wie nicht zuletzt auch die Verbrechen des Christentums bis in unsere Zeit hinein zeigen. Vor allem aber hätte es Gott verabsäumt, seine Offenbarung in Jesu offenbar zu machen, also geschichtlich gegen Zweifler abzusichern.

 

 

F Gottes Schöpfung

 

„Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde“ ( Genesis 1,1 ). Und wer schuf den Anfang und damit die Zeit? Sie kann nicht geschaffen worden sein, da „Schaffen“als zeitlicher Vorgang die Zeit bereits voraussetzt.  Wird Gott also von der Zeit transzendiert (überbestimmt)?

 

Nach den heutigen Erkenntnissen der Physik ( vgl. insbes. die Wheeler- de- Witt-Gleichung sowie den Schluss Gödels aus der speziellen Relativitätstheorie ) ist Zeit lediglich „Vorstellung“, wie bereits Kant ( in seinen Antinomien ) erkannt hatte.

 

Wenn Gott alles und daher auch die Zeit  “geschaffen“ hat, dann kann es kein „Vorher“ vor der Schöpfung gegeben haben, da dies ein Zeitraum wäre. Wenn es aber kein Vorher gegeben hat, dann kann es auch kein „Nichts“ vor der Schöpfung gegeben haben, aus dem etwas geschaffen worden ist (creatio ex nihilo), abgesehen davon, dass ein existentes Nichts ein Widerspruch in sich selbst ist.

Streng genommen kann es auch keine Schöpfung, keine Entstehung, keinen Anfang des Seins gegeben haben, da es sich dabei um zeitliche Vorgänge beziehungsweise einen Zeitpunkt handelt, was alles die Zeit bereits als Seiendes voraussetzt. Die Zeit selbst kann also weder geschaffen worden sein noch entstanden sein  noch begonnen haben. Sie wäre daher, wenn es sie gäbe, Gott vorgegeben ( Tatsächlich wird Gott z.B. ein Wille zugeschrieben, also etwas auf eine zukünftige Verwirklichung Gerichtetes und damit  Zeitliches ). Ein Gott, auf den nicht alles zurückgeführt werden kann, ist aber kein Gott!

 

Wenn alles auf Gott zurückzuführen ist, dann auch die Übel:

 

5.Mos32,39; Jes.45.7; Jer.45.5;Ps.51,12 im Umkehrschluss,88.7; Kl.3.36,37,38;  Spr,16.4; Am3.6; Sach.3.1; Hiob1.6,2.1,10; 1. Sam 2,6f; Spr 16,4; Pred. 7,14; Mat 5.45; 10.29; Luk.12.6; 1.Kor. 4.7; Rö.5,13; 8.20,22


 

G Gott als Person?

 

Gott als Person zu denken, führt in große spekulative Schwierigkeiten, wenn man ihn als singuläre Person deutet, weil es singuläre Personen gar nicht geben kann (Spaemann, Wirklichkeit als Anthropomorphismus, in „Grundvollzügeder Person“).

 

Die Existenz Gottes ist ein „unsterbliches Gerücht“ („Der letzte Gottesbeweis“ und „Das unsterbliche Gerücht“).

 

Spaemann führt den philosophischen Gottesbeweis als Argument aus dem futurum exactum: Angesichts dessen,dass eine wahre Tatsache immer wahr gewesen sein wird, benötige dieses Wahrsein ein ewiges Subjekt, nämlich Gott.

 

Aber:

1) Dazu bedarf es der Zeit nicht. Gott ist nicht in der Zeit, er ist durch diese nicht überbestimmt,sondern hat sie, wie alles, erst „geschaffen“.

2) Der Wahrheitsbegriff ist paradox: Die Wahrheit einer als solche angesehenen Wahrheit lässt sich nur in einem unendlichen Regress und damit überhaupt nicht verifizieren.Und Evidenz ist immer subjektiv.

 

Das „Sein“ ist zwar ein logisches,aber kein sachbestimmendes Prädikat. Zur Vollkommenheit eines Wesens– wie Gott - trägt es daher nicht bei, ob das Wesen tatsächlich existiert oder nicht (ontologische These). Gott ist daher begrifflich „überseiend“. Er hatte das Sein erst  „geschaffen“ und ist daher nicht Gegenstand desselben.


 

Gott ist daher eben kein „Wesen“, sondern Synonym für das Unbegreifliche.Und was ist schon begreiflich? Nicht einmal das Selbstverständlichste, das Sein, kann man beschreiben, geschweige denn beweisen. Alles ist in dem Sinne „Wunder“.

 

Christian Morgenstern:

„ Das Wunder ist das einzig Reale, es gibt nichts außer ihm. Wenn aber alles Wunder ist, das heißt durch und durch unbegreiflich, so weiß ich nicht, warum man dieser großen einen Unbegreiflichkeit, die alles ist, nicht den Namen Gott sollte geben dürfen.“

 

 

H  Gott als Nichts?

 

„ Ist Gott allpräsent in seiner Absenz?“ ( Erika Burkart,Schweizer Lyrikerin, 1922-2011)

 

Das Nichts kann keine Identität haben,da es sonst etwas wäre. Auch das Alles kann keine Identität haben,da es sich von nichts anderem mehr unterscheiden kann (es umfasst ja selbst alles). Die begriffliche Gegensätzlichkeit von Nichts und Allem ist daher in deren Abstraktheit logisch aufgehoben.

Dies ist auch in der gedanklichen Abstraktheit Gottes der Fall. Gott ist durch seine Allmächtigkeit definiert. Er ist daher alles (Denkbare und Undenkbare) nicht, weil er sonst festgelegt und daher insoweit nicht allmächtig wäre. Sogar durch die Allmächtigkeit kann er nicht festgelegt sein, da er ja dann nicht mehr die Allmacht zu ihrem Gegenteil und zum Nichts hätte.Insbesondere unterliegt er also keinen Gegensätzen, die er in seiner Allmacht ja erst geschaffen haben muss (in unserem Bewusstsein), ist also vor allem weder gut noch böse, weder seiend noch nicht seiend (wie die Elementarteilchen des Mikrokosmos in der Quantenphysik; Bonhoeffer: „Einen Gott, den es gibt, gibt es nicht.“), weder alles noch nichts, noch die Gegensatzpaare zusammen.

Auch Gott ist also in seiner Ununterscheidbarkeit alles und nichts in gegenseitiger zirkulärer Verneinung (und daher weder das eine noch das andere), wie die christlichen Mystiker des Mittelalters (sogenannte Negative Theologie) erkannt haben.

Hinzuzufügen ist jedoch, dass Gott auch nicht auf seine Ununterscheidbarkeit und damit auch nicht auf das Alles und das Nichts festgelegt werden kann.

Es bleibt die Frage, ob ein so definierter und undefinierbarer Gott ein bloßer Leerbegriff ist, der für unser menschliches Leben völlig überflüssig ist (vgl.Nietzsche).

Dies ist zu verneinen, da er dem Menschen die Grenzen seines Denkens und Fühlens vorführt, die Unerklärbarkeit seines Seins (vgl. das Zweite Gebot). Dies führt zur Bescheidenheit in der geistigen Einstellung und wirkt so der Verfechtung absoluter Wahrheiten wie in den Religionen – die daher, polemisch ausgedrückt, eigentlich Gotteslästerungen sind - und Ideologien entgegen, aber auch zur Bescheidenheit in der ethischen Haltung in dem Bewusstsein, dass der Mensch sich existenziell in Nichts von seinem Mitmenschen unterscheidet. Der Mitmensch kann so als das begriffen, geachtet und behandelt werden, was man selbst ist (vgl.das Liebesgebot im christlichen und das Toleranzgebot im islamischen Glauben).

 

 

I  Gott und die Zeit

 

Gott wird leider wesenswidrig durch die Verwendung zeitlicher Begriffe als durch die Zeit überbestimmt gelehrt. Es widerspricht seinem Übersein, wenn nicht alles und damit auch die Zeit auf ihn zurückzuführen ist.

 

Beispiele:

 

1)  Die schlechte Übersetzung des Beginns der Genesis, Gott habe „am Anfang“ Himmel und Erde „geschaffen“.

 

Schaffen,Entstehen bedeutet, dass etwas ins Sein tritt, was vorher noch nicht oder anders da war. Wenn Gott Himmel und Erde – und als letzte und höchste Instanz natürlich überhaupt alles einschließlich des Nichtseins des Nichtseienden und aller Unterscheidungen, Gegensätze, Strukturen, Beziehungen usw. - „geschaffen“ hat, muss also ein Vorher und damit die Zeit – ja das Sein und Nichtsein überhaupt –schon dagewesen sein, so dass doch nicht alles von ihm geschaffen worden ist, sondern Sein und Zeit – oder das Chaos oder gar das Nichts (in seiner Selbstwidersprüchlichkeit als etwas) – schon da war! Gott wäre also durch Sein und Zeit, Chaos oder Nichts überdeterminiert, transzendiert!

 

2) Gott habe einen „Willen“, verfolge einen „Plan“.

 

Wille und Plan sind auf die zukünftige Verwirklichung gerichtet, setzen also Gegenwart und Zukunft und damit die Zeit voraus. Ein wollender und planender Gott unterläge ihr also, wäre ihr unterlegen!

 

3) Es gebe eine „Erlösung“ nach dem Tod.

 

Auch der Begriff der Erlösung ist ein zeitlicher. Er bezeichnet eine Zustandsveränderung. Wieder also ein mit seiner Erlösung in der Zeit gefangener Gott!

 

 

Allgemein ist diesen zeitlichen Vorstellungen immer entgegenzuhalten: Warum ist(war) nicht gleich, was erst werden soll (geworden ist)?

Die Zeit ist ein paradoxer Begriff. Denn logischerweise kann sie weder einen Anfang gehabt haben noch ein Ende haben, da beides Zeitpunkte sind, also dieZeit bereits voraussetzen (Entsprechendes gilt für Raumgrenzen). In der Relativitätstheorie und der Quantenphysik ist die Raumzeit keine Naturgegebenheit, sondern wie die Mathematik oder Begriffe wie Wärme, Feld usw. eine bloße Beschreibungshilfe, auf die erstmals in der Wheeler – De – Witt - Gleichung verzichtet werden konnte.

 

 

J  Gottes „Güte“

 

Ein Gott ist nicht im Sinne eines Wertungsergebnisses gut, da er einen solchen Bewertungsmaßstab (mit dem Gegensatz von Gut und Schlecht) ja in seiner Allmacht erst geschaffen hat (Hiob 38,5; Rö.5,13) und ihm daher nicht auch selbst unterlegen sein kann (daher hat er dieTröster Hiobs getadelt, weil sie ihn, Gott, zu rechtfertigen versucht hatten; Hiob 42,7) – ebenso wenig wie der Töpfer den Maßen seines Werkes unterliegt ( Jes.45,9;Rö.9.20). Vielmehr ist er in dem Sinne gut ( Mk 10,18), dass er in seiner Erhabenheit über jegliche Bewertung ( Mt.5,45) nicht negativ bewertet werden kann und auch die Unmöglichkeit, positiv bewertet werden zu können, nichts Negatives sein kann.

Oder positiv ausgedrückt: Gott ist im Sinne einer Überwertigkeit „gut“ als extrapolative Charakterisierung - so wie unser Bewusstsein, Sinneseindrücke wie Hell und Dunkel erst schafft und daher selbst weder hell noch dunkel ist, aber in Analogie zu unserer positiven Empfindung der Helligkeit als hell charakterisiert werden kann („ heller Geist“).

 

„Deus non est genere – Gott steht außerhalb jeder Art zu sein“, hat es Thomas von Aquin auf den Nenner gebracht (S.th.I,qu.3,a.5)

 

Bei Meister Eckhardt heißt es: „Gott ist nicht liebenswert: er ist über alle Liebe und Liebenswürdigkeit erhaben.“ „ Sage ich demnach: Gott ist gut – es ist nicht wahr; ich vielmehr bin ich gut, Gott aber ist nicht gut!“ Fernab von Gott seien alle Eigenschaften, sogar das Sein.

„Gott ist gut, Gott ist weise, Gott ist unendlich, Gott ist gerecht- das alles ist so unsinnig, als wenn ich das Schwarze weiß nennen würde.

Du bist es, was du über deinen Gott denkst, und lästerst ihn, wenn du ihn damit behängst. Nimm ihn ohne Eigenschaft als überseiendes Sein und eine überseinde Nichtigkeit“ (Reden der Unterweisung)

 

Nikolaus von Kues hatte das Theorem der coincidentia oppositorum, des Zusammenfalles aller Gegensätze in Gott aufgestellt.

 

 

K Gott der Liebe

 

So sieht der Gott der „Liebe“ aus, den die christlichen Religionen predigen:

Er hat nicht nur in seiner Allmächtigkeit den Gegensatz von Gut und Böse und von Freiheit und Notwendigkeit geschaffen, um dem Menschen die Freiheit des Willens zu verleihen, obwohl er in seiner Allwissenheit alle Entscheidungen der Menschen für das Böse  vorausgesehen und sich daher an diesen mitschuldig gemacht hat, sondern er hat in seiner Allmächtigkeit auch noch den Teufel (als seinen „Sohn“; Hiob1,6; 2,1) geschaffen, um die Menschen nicht nur zum Bösen zu versuchen, sondern sogar in sie zu fahren, damit sie das Böse tun,so dass er sich an diesem sogar allein schuldig gemacht hat. Und er hat sich obendrein noch zu dem Zynismus verstiegen, diese Schöpfung als „sehr gut“ zu befinden ( 1. Mos. 1, 4,10,12,18,21,25,31).

Welch ein Verbrechen hat er doch auch eigenhändig begangen, indem er Adam und Eva aus dem Paradies vertrieben hat, obwohl er sie durch die von ihm in seiner Allmächtigkeit geschaffene Schlange dazu hatte verführen lassen, das von ihm Verbotene zu tun, so wie er es in seiner Allwissenheit ja vorausgesehen hatte.

Und da bietet er großzügig die Erlösung des – ja nicht nur durch  eigenes Handeln, sondern auch durch die von ihm bei der Schöpfung total verpfuschte Natur (Katastrophen) - leidenden Menschen durch Jesus Christus an.

Gibt es eine brutalere und menschenverachtendere Religion, auf deren Konto nicht nur die schlimmsten Verbrechen der Menschheit in der Geschichte gehen, sondern die auch heute noch eher auf der Seite der skrupellosesten Mächtigen steht als auf der der Unterdrückten?

 

Doch: 

 

Gottes "absolute Liebe" soll bedeuten, dass seine Liebe nicht lediglich der Gegensatz zum Hass usw. ist, sondern über die Gegensätze erhaben ist und somit, weil nichts mehr darüber ist, absolut und damit zwangsläufig positiv ist.
So versucht man das Böse von Gott abzuwälzen und bleibt in der anthropomorphen Begrifflichkeit gefangen.  

 Gott ist nicht der "liebe" Gott! So einfach sollte man sich den Glauben nicht machen!  Ein „lieber“ Gott lässt sich nicht erst durch Gebete und Fürbitten erweichen (und damit in seiner „Allmacht“  beeinflussen), noch dazu zu „Wundern“ (Eingriffe in die eigene Schöpfung). Und auf eine Erlösung im Jenseits würde man gerne verzichten zu Gunsten eines erträglichen Diesseits.

Vielmehr handelt es sich  bei Gottes  Liebe  nicht um eine Liebe, die uns die – für uns, die wir ja nicht allmächtig sein können, ohne selbst Gott zu sein – unbegreiflichen Tiefen einer Allmacht vorenthält, sondern um eine Liebe, die wegen dieser Unbegreiflichkeit der Allmacht Gottes darin besteht, dass wir in dieser Allmacht, in der wir selbstverständlich nicht verlorengehen können, durch Vertrauen(Glauben), das uns selbst  zur Liebe befähigt, Geborgenheit in einem höheren Sinne finden können, dazu aber nicht gezwungen werden. In der Liebe Gottes sind wir also nicht bloßes Objekt, sondern zur Teilnahme freies Subjekt der Allmacht.  

 

  

L  Gott als Sünder?

 

Es gehört zum Wesen eines alleinigen Gottes, dass er allmächtig und allwissend ist. Seine Allmacht bedeutet, dass - wie alles - auch die Möglichkeit des Menschen, zu sündigen, auf ihn zurückzuführen ist, und seine Allwissenheit, dass er jede einzelne Sünde vorausgesehen hatte, als er dem Menschen die Möglichkeit hierzu verliehen hatte. Dann aber besitzt der Mensch nicht die Freiheit, zu sündigen oder nicht zu sündigen, denn jede Entscheidung, die er trifft, ist von Gott in seiner Allwissenheit bereits vorausgesehen, so dass eine andere Entscheidung dazu führen würde, dass Gott sich geirrt hätte und daher nicht allwissend wäre. Und wenn er nicht allwissend wäre, wäre er auch nicht allmächtig, denn dann könnte etwas geschehen, was seinem Einfluss entzogen wäre.

 

Da somit der Mensch, der eine Sünde begeht, wegen der Allmacht und Allwissenheit Gottes gar nicht anders kann, als diese Sünde zu begehen, handelt er bei der Begehung der Sünde nur als Marionette Gottes, und dieser ist der eigentliche und alleinige Sünder.

 

Das „Jüngste Gericht“ wäre von vornherein ungerecht.

 

Dieses Ergebnis lässt sich nur vermeiden, wenn man unter Allmacht auch die Fähigkeit versteht, nicht allmächtig und nicht allwissend zu sein. Dann könnte Gott nämlich seine Macht und sein Wissen insoweit an den Menschen abgegeben haben, als er diesen befähigte, eigenverantwortlich zu handeln und zu unterlassen. Den Menschen wäre so eine gewisse Ebenbildlichkeit  Gottes von diesem verliehen.

 

Dann aber stünde Gott gerechterweise keine Strafgewalt über die Menschen zu.

 

In jedem Fall also ist das "Jüngste Gericht" nicht zu rechtfertigen.

 

 

Anhang: Das Buch der 24 Philosophen (Gottesdefinitionen)

 

Das „Buch der 24 Philosophen“, wahrscheinlich aus dem 12. Jahrhundert, enthält Definitionen von Gott durch 24 ungenannte Philosophen. Sie greifen zum Teil auf frühere Philosophen zurück (zum Beispiel XIX auf Aristoteles) und haben die Theologie (zum Beispiel VI,XI,XVI, XVII die negative Theologie) und Philosophie (zum Beispiel V Leibnitz) der nachfolgenden Jahrhunderte maßgeblich geprägt.

Hier die Übersetzung (aus dem Lateinischen) durch Kurt Flach ( ISBN978-3-406-60709-7):

 

I

Gott ist die Monade, die eine Monade erzeugt und sie als einen einzigen Gluthauch auf sich zurückbeugt

 

II

Gott ist die unendliche Kugel, deren Mittelpunkt überall und deren Umfang nirgends ist.

 

III

Gott ist ganz in allem, was in ihm ist.

 

IV

Gott ist Geist, der ein Wort erzeugt und dabei Verbindung wahrt.

 

V

Gott ist das, worüber hinaus Besseres nicht gedacht werden kann.

 

VI

Gott ist das, in Bezug auf das jedes Wesen nur eine Eigenschaft und jede Eigenschaft nichts ist.

 

VII

Gott ist Grund ohne Grund, Prozess ohne Veränderung, Ziel ohne Ziel.

 

VIII

Gott ist die Liebe, die sich desto mehr verbirgt, je mehr wir sie haben.

 

IX

Gott ist das, dem allein alles gegenwärtig ist, was der Zeit gehört.

 

X

Gott ist das,dessen Können nicht gezählt, dessen Sein nicht eingeschlossen, dessen Gutsein nicht begrenzt wird.

 

XI

Gott ist jenseits des Seins, ist notwendig und genügt als einziger sich im Überfluss selbst.

 

XII

Gott ist das, dessen Willen seiner gottschaffenden Macht und Weisheit gleichkommt.

 

XIII

Gott ist die Ewigkeit, die in sich tätig ist, ohne sich dabei aufzuteilen oder eine Eigenschaft zu gewinnen.

 

XIV

 

Gott ist der Gegensatz  zum Nichts vermittels des Seins.

 

XV

 

Gott ist das Leben, dessen Weg zur Gestalt die Wahrheit und dessen Weg zur Einheit das Gutsein ist.

 

XVI

Gott ist das einzige Wesen, das seines Vorrangs wegen Wörter nicht bezeichnen und das auch Geistwesen der Unähnlichkeit wegen nicht erkennen.

 

XVII

Gott, das ist der Begriff nur von sich selbst, der kein Prädikat duldet.

 

XVIII

Gott ist die Kugel, die so viele Umfänge wie Punkte hat.

 

XIX

Gott, das ist das unbewegt Immerbewegende.

 

XX

Gott ist das einzige Wesen, das von seiner Selbsterkenntnis lebt.

 

XXI

Gott ist die Finsternis in der Seele,die zurückbleibt nach allem Licht.

 

XXII

Gott ist das,

aus dem alles ist, was ist, ohne dass er aufgeteilt wurde,

durch den es ist, ohne dass er sich verändern würde,

in dem es ist, ohne dass er sich mit ihm vermischen würde.

 

XXIII

Gott ist das, was der Geist nur im Nichtwissen weiß.

 

XXIV

Gott ist das Licht, das nicht gebrochen als Lichtglanz erscheint. Es dringt durch. Aber in den Dingen ist es nur Gottförmigkeit.

 

 

Speziell zu XI sei verwiesen auf:

 

Proclus (412-484):

 

„Das höchste Prinzip ist überseiend und unerkennbar, die aristotelischen Kategorien und auch die sogenannten Kategorien der intelligiblen Welt (Seiendes, Bewegung, Ruhe, Selbigkeit, Andersheit) sind auf es nicht anwendbar.“

 

Dionysios Areopagita (ca. 500n.Chr.):

 

Gott ist ὑπερούσιος (hyperoúsios),über allem Sein (MystischeTheologie, Kap. V).

 

Thomas von Aquin (1225-1274):

Gott darf  nicht als erste in einer Reihe gleichrangiger Ursachen gedacht werden. Er verhält sich zur Welt nicht, wie Dinge verschiedener Gattungen sich zueinander verhalten. Gott steht vielmehr außerhalb jeder Art zu sein ("Deus non est in genere"; S.th.I,qu.3,a.5)
In dem Satz "Gott ist" muss das "ist" sorgfältig interpretiert werden ("Esse multipliciter dicitur"). Denn auch das "Dass" Gottes, obwohl es von uns gedacht werden kann, wird in seiner Wirklichkeit nicht begriffen(S.th.I,qu.3,a.4 ad 2 ) .
Menschliche Gotteserkenntnis gipfelt darin, zu begreifen, dass Gott unbegreiflich ist ("Illud est ultimum cognitionis humanae de deo quod sciat se deum nescire";"Depotentia“, qu.7,a.5) .

 

„Die Gottheit heißt bewirklich und vorbildlich das Sein von allem, nicht aber als dessen Wesenheit“ (S.th. I 3,8; Gott ist das Sein, er hat es nicht.)

 

 

Meister Eckhart (1260-1328):

 

„Sage ich ...: Gott ist ein Sein – es ist nicht wahr; er ist vielmehr ein überseiendes Sein und eine überseiende Nichtheit!“

„Gott kommt nicht das Sein zu, noch ist er ein Seiendes, sondern er ist etwas Höheres als das Seiende.“

 

Nikolaus von Kues (1401-1464):

 

„Gott ist... und ist zugleich nicht.“

„Das Eine ist weder seiend noch nichtseiend... sogar nicht einmal Eines – (unum) nec est ens nec non ens...immo nec unum.(Tu quis es, n.19)

„Es ist in höchster Weise wahr, dass das einfachhin Größte ist oder nicht ist oder ist und nicht ist oder weder ist noch nicht. (De docta ignorantia I,n.16)

 

Friedrich Wilhelm Joseph Schelling(1775-1854)

 

Gott ist „Herr des Seyns“,überseyend- ὁ ὄντως ὤν“.

(Einleitung in die Philosophie, 104f, Grundlegung der positiven Philosophie 305f)

 

Paul Tillich (1886-1956)

 

„Gott existiert nicht.“(Systematische Theologie I 239)

 

Dietrich Bonhoeffer (1906-1945):

 

„ ´Es gibt` nur Seiendes, Gegebenes. Es ist ein Widerspruch in sich, jenseits des Seienden ein `es gibt`auffinden zu wollen....Einen Gott, den `es gibt `, gibt es nicht..“( „Akt und Sein“, Kapitel B. Abschnitt 3b)

 

Kabbala

 

„Spricht man von Gott, so spricht man, ach, von Gott nicht mehr.“

 

Der katholische Theologe Hans Küng schreibt in seinem Buch: „Einführung in den christlichen Glauben“:

 

„Einen Gott, den es gibt, gibt es nicht“, sagte der evangelische Theologe und Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer einmal zu Recht. Denn: Gott – im Tiefsten und Letzten verstanden – kann nie einfach Objekt, ein Gegenstand sein.Ist er das, wäre dies nicht Gott. Gott wäre dann der Götze der Menschen. Gott wäre ein Seiendes unter Seiendem, über das der Mensch verfügen könnte, und sei es auch nur in seiner Erkenntnis.

Gott ist per definition das Un-definierbare, Un-begrenzbare: eine buchstäblich unsichtbare, unermessliche, unbegreifliche, unendliche Wirklichkeit.“

 

 

 

 

Anhang:

 

Wider den Atheismus

 

Wider den Atheismus

 

„Auch die Vernunft ist bloßer Glaube.“(Friedrich Nietzsche, Philosoph,1844-1900 )

 

Nur ein Atheist kann ein guter Christ sein, und nur ein Christ kann ein guter Atheist sein“ (Ernst Bloch, Philosoph, 1885-1977)

 

„Si comprehendis, non est  Deus – Wenn du verstanden hast, dann ist es nicht Gott“ (Augustinus,Kirchenvater, 354 – 430)

 

„Spricht man von Gott, so spricht man, ach, von Gott nicht mehr.“ (Kabbala)

 

Atheismus ist das eigentliche Wesen der Kirche.“ ( Karl Barth, Theologe, 1886-1968,Römerbrief)

 

 

Die Atheismus - Debatte gab es bereits lange vor Christi Geburt und auch noch danach außerhalb des Monotheismus. Es sei verwiesen auf Xenophanes (Vs 21 B 15 ),Epikur (fr.374 Vs ), Thrasymachos ( Vs 85 b 8 ), Heraklit ( Vs 22 b 30 ),Aischylos, Der gefesselte Prometheus, V 519f , Kritias, Sisyphos ( B25 Sextus Empiricus, Adversus mathematicos IX 54 ), Prodikos usw.  Im Kern sagen sie alle aus, dass der Götterglaube anthropomorph sei,die Verneinung aber ebenso und zwischen beiden Standpunkten kein Widerspruch bestehe, weil für die Vertreter des ersteren die Götter das Menschliche überstiegen und für die des letzteren im Menschlichen nicht existierten.

 

 

I

 

Bevor man darüber streitet, ob es Gott– gemeint: den Gott der drei monotheistischen Religionen – gibt oder nicht, sollte man erst einmal definieren, was man unter diesem Begriff versteht! Die Begriffsklärung ist das Grundgebot für jede sinnvolle Diskussion.

Da eine Bestimmung des Begriffs „Gott“ schon deshalb nicht allgemein konsensfähig ist, weil nicht einmal Einigkeit darüber herrscht, ob dem Begriff überhaupt ein Gegenstand (hier: Begriffssubjekt) zugrundeliegt, kann Gegenstand sinnvoller Diskussionen nur das sein, was die Gottesgläubigen darunter verstehen.

 

Für sie hat Gott selbst gesagt, was er ist: „Jahwé – ich bin, der ich bin.“ ( 2.Mos.3.14; Sure 29.46:„...und unser Gott und euer Gott ist  Einer...“). Gott ist demnach etwas Selbstbezügliches, einer Unterscheidung und damit auch Bestimmung nicht zugänglich ( Sure 112.1: „...der Einzige“; V 2:„...der Unabhängige...“; V4: „...keiner ist ihm gleich..).Mangels Unterscheidbarkeit besitzt er keine Identität. Da er weder attributiv noch prädikativ vorstellbar ist, gehört er nicht einmal dem Sein oder Nichtsein an. Er hat alles erst „erschaffen“ (1.Mos. 1.1ff; Sure 6.101f), ist also auch über den von ihm erst erschaffenen Gegensatz von Sein und Nichtsein erhaben.

 

Demgemäß lautet das Zweite Gebot, dass man sich weder von Gott noch von seiner Schöpfung eine Vorstellung machen soll ( 2.Mos.20.4; 5.Mos. 5.8; s.a. 2.Mos. 33.20;Jes.45.15, 55.9; 1.Kö. 8.27; Pred.8.17; 11.5; Hos. 11.9; Ps. 22.2; Mt.11.27; Lk.10.21; Joh. 16.23; 1.Kor. 12. 6; 15.28: Kol. 1.17; Apg.17.28).

 

Der evangelische Theologe und Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer (1906-1945) hat es auf den Punkt gebracht: „Einen Gott, den es gibt, gibt es nicht.“ (Akt und Sein, Kap.B, Abschn. 3b )

 

In diesem Sinn auch der Theologe Paul Tillich (1886-1956): „Gott existiert nicht.“ (Syst.Theologie I 239)

 

Ferner:

Proclus (412-484): „Das höchste Prinzip ist überseiend und unerkennbar, die aristotelischen Kategorien und auch die sogenannten Kategorien der intelligiblen Welt (Seiendes, Bewegung, Ruhe,Selbigkeit, Andersheit) sind auf es nicht anwendbar.“

 

Thomas von Aquin (1225-1274) :Gott darf  nicht als erste in einer Reihe gleichrangiger Ursachen gedacht werden. Er verhält sich zur Welt nicht, wie Dinge verschiedener Gattungen sich zueinander verhalten. Gott steht vielmehr außerhalb jeder Art zu sein ( "Deus non est in genere"; S.th.I,qu.3,a.5) In dem Satz "Gott ist" muss das "ist" sorgfältig interpretiert werden ( "Esse multipliciter dicitur"). Denn auch das "Dass" Gottes, obwohl es von uns gedacht werden kann,wird in seiner Wirklichkeit nicht begriffen(S.th.I,qu.3,a.4 ad 2 ) .
Menschliche Gotteserkenntnis gipfelt darin, zu begreifen, dass Gott unbegreiflich ist ( "Illud est ultimum cognitionis humanae de deo quod sciat se deum nescire"; "Depotentia“,qu.7,a.5) .

„Die Gottheit heißt bewirklich und vorbildlich das Sein von allem, nicht aber als dessen Wesenheit“ (S.th. I 3,8; Gott ist das Sein, er hat es nicht.)

 

Meister Eckhart (1260-1328): „Sage ich ...: Gott ist ein Sein – es ist nicht wahr; er ist vielmehr ein überseiendes Sein und eine überseiende Nichtheit!“

„Gott kommt nicht das Sein zu, noch ist er ein Seiendes, sondern er ist etwas Höheres als das Seiende.“

„Gott ist nicht liebenswert: er ist über alle Liebe und Liebenswürdigkeit erhaben.“ „ Sage ich demnach: Gott ist gut – es ist nicht wahr; ich vielmehr bin gut, Gott aber ist nicht gut!“

„Gott ist gut, Gott ist weise, Gott ist unendlich, Gott ist gerecht- das alles ist so unsinnig, als wenn ich das Schwarze weiß nennen würde.

Du bist es, was du über deinen Gott denkst, und lästerst ihn, wenn du ihn damit behängst. Nimm ihn ohne Eigenschaft als überseiendes Sein und eine überseiende Nichtigkeit“ (Reden der Unterweisung)

 

Nikolausvon Kues (1401-1464) hatte das Theorem der coincidentia oppositorum, des Zusammenfalles aller Gegensätze in Gott aufgestellt.

„Gott ist... und ist zugleich nicht.“

„Das Eine ist weder seiend noch nichtseiend... sogar nicht einmal Eines – (unum) nec est ens nec non ens...immo nec unum.(Tu quis es, n.19)

„Es ist in höchster Weise wahr, dass das einfachhin Größte ist oder nicht ist oder ist und nicht ist oder weder ist noch nicht.(De docta ignorantia I,n.16)

 

Der „Papst“ unter den katholischen Theologen, Karl Rahner, schreibt in seinem Buch “Grundkurs des Glaubens“:

„Denn  den Gott gibt es wirklich nicht, der als ein einzelnes Seiendes neben anderem Seienden sich auswirkt und waltet und so gewissermaßen selber noch einmal in dem größeren Haus der Gesamtwirklichkeit anwesend wäre. Suchte man einen solchen Gott, dann hätte man einen falschen Gott gesucht. Der Atheismus und ein vulgärer Theismus leiden an derselben falschen Gottesvorstellung; nur lehnt der eine diese ab, während der andere meint, sie dennoch denken zu können. Beides ist im Grunde falsch. Das zweite (die Vorstellung des vulgären Theismus), weil es diesen Gott nicht gibt; das erste (der Atheismus), weil Gott doch die radikalste, ursprünglichste und in einem gewissen Sinne selbstverständlichste Wirklichkeit ist .“

 

Der katholische Theologe Hans Küng schreibt in seinem Buch: „Einführung in den christlichen Glauben“:

„Einen Gott, den es gibt, gibt es nicht“, sagte der evangelische Theologe und Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer einmal zu Recht. Denn: Gott – im Tiefsten und Letzten verstanden – kann nie einfach Objekt, ein Gegenstand sein. Ist er das, wäre dies nicht Gott. Gott wäre dann der Götze der Menschen. Gott wäre ein Seiendes unter Seiendem, über das der Mensch verfügen könnte, und sei es auch nur in seiner Erkenntnis.

Gott ist per definition das Un-definierbare, Un-begrenzbare: eine buchstäblich unsichtbare, unermessliche, unbegreifliche, unendliche Wirklichkeit.“

 

 

II

Wenn also der Atheist die Existenz Gottes bestreitet, dann bestreitet er etwas, was nur in der naiven Vorstellungswelt der Frömmigkeit geglaubt wird.

Siehe hierzu das obige Zitat von Karl Rahner!

 

Der Atheismus beruht auf der naiven Annahme, Gott könne es nur geben oder nicht geben.

Diese Ansicht ist noch der aristotelischen Logik ( „ tertium non datur „ ) verhaftet. Die Quantenlogik dagegen ist mehrwertig. Ein Elementarteilchen wie zum Beispiel ein Elektron ist in seiner (unbeobachteten) Superposition zugleich überall und nirgends, also jenseits der  -kontradiktorischen - Primärdimensionen Sein und Nichtsein.

Was für subatomare Elementarteilchen gilt, sollte doch erst recht für einen begriffsmäßig transzendenden, allmächtigen Gott gelten, nämlich dass er über Sein und Nichtsein erhaben ist.

 

Pyrrhon aus Elis (365/60-275 v.Chr. ):

περὶ ἑνὸς ἑκάστου λέγοντας ὅτι οὐ μᾶλλον ἔστιν ἢ οὐκ ἔστιν ἢ καὶ ἔστιν καὶ οὐκ ἔστιν ἢ οὔτε ἔστιν οὔτε οὐκ ἔστιν

über jeden einzelnen Gegenstand müsse man sagen, dass er nicht mehr “sei“ als „nicht sei“,oder: dass er sowohl „sei“ als „nicht sei“, oder: dass er weder „sei“ noch „nicht sei“ ( Aristokles bei Eusebius Praep.evang. 14.18.4 – Caizzi 53 )

 

 

III

Der Atheismus in den Formen des Rationalismus, des Materialismus und des Positivismus ist unlogisch und unwissenschaftlich.

 

1)

Er setzt an die Stelle des Glaubens an Gott den Glauben an die Vernunft, ohne erklären zu können, was den letzteren vor dem ersteren auszeichnen soll.

Beide Glaubensüberzeugungen sind anthropomorph. Der Gottesglaube wurzelt im Bewusstsein der menschlichen Erkenntnisgrenzen und dem Bedürfnis nach Kompensation der Unvollkommenheit, Schlechtigkeit, Leidhaftigkeit und Ungerechtigkeit der so erlebten Welt.  Der Vernunftglaube beruht darauf, dass uns Ergebnisse von Denkprozessen evident vorkommen, also uns die Vernunft versichert, sie sei verlässlich, obwohl wir laufend mit Irrtümern leben müssen und die Geistesgeschichte voll von solchen ist. Auch unsere sinnlichen und seelischen Eindrücke („Qualia“) wie Helligkeit, Dunkelheit, Farben, Töne, Geruch,Geschmack, Gefühl sind ja evident und doch nur Hirnkonstrukte. Der Fortschritt der Technik beruht nicht auf einer Erklärung, sondern einer Analyse der Natur.

 

Wittgenstein: „Der ganzen Weltanschauung der  Moderne liegt diese Täuschung zugrunde, dass die sogenannten Naturgesetze die Erklärungen der Naturerscheinungen seien.“ Sie erklären nichts, sondern sind abstrakte  und somit vereinfachende bloße Beschreibungen.

Einstein: „Physikalische Begriffe sind freie Schöpfungen des Geistes und ergeben sich  nicht etwa, wie man sehr leicht zu glauben geneigt ist, zwangsläufig aus den Verhältnissen in der Außenwelt....Insofern sich die Sätze der Mathematik auf die Wirklichkeit beziehen, sind sie nicht sicher, und insofern sie sicher sind, beziehen sie sich nicht auf die Wirklichkeit.“

Kant: „Der Verstand schreibt der Natur ihre Gesetze vor...Aller Irrtum besteht darin, dass wir unsere Art, Begriffe zu bestimmen oder abzuleiten oder einzuteilen, für Bedingungen der Sachen an sich halten.“

Goethe: „Die Welt, durch Vernunft dividiert, geht nicht auf....Der Mensch begreift niemals, wie anthropomorphisch er ist.“

Hume: „Was für ein besonderes Vorrecht hat diese kleine Bewegung des Gehirns, die wir Denken nennen, dass wir sie in dieser Weise zum Modell des ganzen Universums machen?“ „Man bilde das Gefühl für die Schwäche, Blindheit und Eingeschränktheit der menschlichen Vernunft gründlich aus; man gebe gebührendermaßen acht auf ihre Ungewissheit und endlosen Widersprüche selbst in den Angelegenheiten des gemeinen Lebens und Handelns;... Wenn diese Erwägungen in volles Licht gestellt werden, wie es von einigen Philosophen und fast allen Theologen geschehen ist, wer kann zu diesem schwachen Vermögen der Vernunft so viel Zutrauen behalten?“( Dialoge über natürliche Region).

Pascal:„Nichts ist der Vernunft so angemessen wie das Nichtanerkennen der Vernunft...Der Vernunft spotten heißt, der wahren Vernunft das Wort zu reden.“

Schopenhauer: „Die Teleologie wird erst vom Verstande in die Natur gebracht, der demnach ein Wunder anstaunt, das er erst selbst geschaffen hat.“

Marvin Minsky: „Logik lässt sich nicht auf die wirkliche Welt anwenden.“

Nietzsche: „Die Welt, soweit wir sie erkennen können, ist unsere eigene Nerventätigkeit – nichts mehr.“ „Auch die Vernunft ist bloßer Glaube.“

Hans Albert: „Alle Sicherheiten der Erkenntnis sind selbstfabriziert und damit für die Erfassung der Wirklichkeit wertlos.“

 

2)

Auch wenn alles erklärbar wäre, könnten die Erklärungen selbst nicht erklärt werden. Es wäre immer noch zu fragen: Warum gibt es überhaupt Gründe und warum gerade diese und nicht andere.

 

Letzte Gründe kann es logischerweise nicht geben.

 

Die elementaren Fragen nach dem Grund des Seins (und Nichtseins) – warum ist überhaupt etwas und nicht nichts? (Leibnitz) – und nach dem Grund des Soseins – warum ist das Sein gerade so und nicht anders? - sind selbstbezüglich.

 

a) Denn da jederGrund seiend ist und daher das Sein voraussetzt, kann es für dieses Sein selbst keine Gründe geben.


Ludger Lütkehaus: Was kann etwas Gründendes und doch kein Seiendes sein? Die Grundfrage setzt die Existenz als das Befragte und Fragende voraus.Man kann nicht nach einem dem Seienden im Ganzen vorausliegenden seienden Grund fragen.

 

Jean-Paul Sartre: Jedes „Warum“ ist vielmehr „später als das Sein und setzt es voraus.

 

Paul Tillich: Das Denken kann nicht hinter das Sein zurückgehen.

 

Martin Heidegger daher: Die Frage nach dem Grund des Seins ist die nach dem Sein des Seienden. Das Sein „ist“ im Wesen: Grund.

 

Fritz Mauthner: Die Grundfrage sei wie die Frage nach dem Sinn des Lebens sinnlos, weil ihr Gegenstand seinerseits keinen Sinn ergebe, nur die „ewige Frage der Kinder und Weisen“ auslöse.

 

Meister Eckhart: „Würdest du das Leben fragen, warum lebst du, es könnte nicht anders antworten als „Ich lebe darum, da ich lebe“.

 

SigmundFreud: Wer nach Sinn fragt, ist krank.

 

 

b) Das Sein kann nicht anders sein, da die Möglichkeit, anders sein zu können, das Sein bereits voraussetzt.

 

c) Die Unmöglichkeit von Letztbegründungen beschreibt Hans Albert (geboren 1921) als „Münchhausen-Trilemma“ wie folgt:

Wenn man „für alles eine Begründung verlangt, muss man auch für die Erkenntnisse, auf die man jeweils die zu begründende Auffassung … zurückgeführt hat, wieder eine Begründung verlangen.“ Das führt zur „Wahl zwischen

  1. einem infiniten Regress, der durch die Notwendigkeit gegeben erscheint, in der Suche nach Gründen immer weiter zurückzugehen, der aber praktisch nicht durchzuführen ist und daher keine sichere Grundlage liefert;

  2. einem logischen Zirkel  in der Deduktion, der dadurch entsteht, dass man im Begründungsverfahren auf Aussagen zurückgreift, die vorher schon als begründungsbedürftig aufgetreten waren, und der ebenfalls zu keiner sicheren Grundlage führt; und schließlich:  

  3. einem Abbruch des Verfahrens an einem bestimmten Punkt, der zwar prinzipiell durchführbar erscheint, aber eine willkürliche Suspendierung des Prinzips der zureichenden Begründung involvieren würde.“

 

Der französische Philosoph Gilles Deleuze hat das zentrale Problem des Denkens, die Selbstbezogenheit der Logik, wie folgt charakterisiert:
„ Wenn wir.... einen Satz als Ergebnis einer Schlussfolgerung betrachten, machen wir ihn zum Gegenstand einer Behauptung..., das heißt, wir lassen die Prämissen beiseite und bejahen ihn in voller Unabhängigkeit als solchen.....Dafür aber sind zwei Bedingungen erforderlich. Zunächst müssen die Prämissen als wirklich wahre gesetzt sein; was uns bereits zwingt, die reine Implikationsordnung zu verlassen, um die Prämissen selbst auf einen bezeichneten Dingzustand zu beziehen, den man voraussetzt. Doch selbst wenn wir unterstellen, dass die Prämissen A und B wahr seien, können wir den fraglichen Satz Z daraus nur dann schließen, können wir ihn von seinen Prämissen nur dann ablösen und ihn unabhängig von der Implikation für sich bejahen, wenn wir gelten lassen, dass er seinerseits wahr ist, wenn A und B. wahr sind: Was einen Satz C konstituiert, der in der Ordnung der Implikation bleibt, der diese nicht verlassen kann, da er auf einen Satz D verweist, der besagt, dass Z wahr ist, wenn A, B und C wahr sind... bis ins Unendliche.“
 

„Alles muss durch etwas anderes bewiesen werden, und jede Beweisführung wird sich entweder im Kreise bewegen oder als endlose Kette in der Luft hängen. In keinem Falle lässt sich etwas beweisen.“ ( Timon von Phlieus, 320-230 v.Chr.,  Schüler des Pyrrhon von Elis )

 

„Wenn nämlich das, aus dem etwas erkannt wird, immer aus etwas anderem erkannt werden muss, so gerät man in die Diallele oder den unendlichen Regress. Möchte man aber etwas, aus dem etwas anderes erkannt wird, als aus sich selbst erkannt annehmen, so widersteht dem, dass …  nichts aus sich selbst erkannt wird. Wie jedoch das Widersprüchliche entweder aus sich selbst oder aus etwas anderem erkannt werden könnte,  sehen wir keinen Weg, solange sich das Kriterium der Wahrheit oder der Erkenntnis nicht zeigt.“(Sextus Empiricus, 2. Jh. )

 

Analoges gilt für eine letzte Wahrheitselbst:

 

Was soll an ihr wahr sein? Welche Antwort auf die Frage nach der letzten Wahrheit ist wahr? Es fehlt an einer Metaebene der Unterscheidung zwischen letzter Wahrheit und letzter Unwahrheit.

 

Entwederalso muss man alles als wahr oder alles als falsch bezeichnen. Ist aber einiges wahr (einiges gegebenfalls), durch welches Unterscheidungsmerkmal soll man das erkennen?“ ( Pyrrhon von Elis, ca. 360 – 270 v. Chr.;  DL IX 92 )

 

 

3)

Der Schluss von Begriffen wie „Materie“ (der „Substanz,  die im Raum erscheint“; Kant, Kritik der reinen Vernunft, 2. Buch, Anhang; Von der Amphibolie der Reflexionsbegriffe) auf eine bewusstseinsunabhängige Realität ist fehlerhaft (Kant am angegebenen Ort, Anmerkung zur Amphibolie der Reflexionsbegriffe).

Gleiches gilt überhaupt vom Schluss von der geistigen (sowie psychischen und wertenden) Wahrnehmung auf Wahres, denn niemand kann sein Bewusstsein zum Zwecke einer Verifizierung der Inhalte desselben verlassen, wobei auch diese Unterscheidung von intersubjektiver und objektiver Welt ein Bewusstseinskonstrukt ist.

 

4)

Der Materialismus ist selbstwidersprüchlich.

Wenn Bewusstsein einschließlich des Geistes lediglich emergente Eigenschaften und Funktionen hochkomplexer dynamischer Materiestrukturen sind, dann gilt dies auch für diese Erkenntnis (vgl. Matthias Wörther, Kein Gott nirgends? II b ). Erkenntnis ist dann durch ihr Objekt bestimmt, ihr ist die Metaebene der Betrachtung und Beurteilung entzogen. Dem Verstand ist der Anspruch als letzte Erkenntnisinstanz aberkannt, bei dem es sich ohnehin lediglich um einen Selbstanspruch handelt (siehe oben unter 1).

 

Im übrigen: Sind denn nicht etwa Emergenz, Eigenschaften,

Funktionen,Komplexität, Struktur immaterielle  Entitäten? Und was ist mit Sein,Nichtsein, Raum, Zeit, Einheit, Vielheit, Ganzem, Teil, Zusammenhängen, Beziehungen wie zwischen Ursache und Wirkung, Kräften, Kraftfeldern, Energie, Bewegung, Naturgesetzen, Zufall,Notwendigkeit, Wahrheit, Irrtum, Richtig und Falsch? Alles Materie?

 

5)

 

a) Der Atheismus widerspricht der Evolutionslehre, wonach sich unser Gehirn und damit auch unsere Erkenntnisfähigkeit längst noch nicht abschließend entwickelt hat.

 

b) Er widerspricht auch den Erkenntnissen der Kognitionswissenschaften,wonach unser Denken, Fühlen und Werten durch die Strukturen unseres Gehirns determiniert sind (siehe oben unter 3). Diese Bewusstseinsfunktionen selektieren und abstrahieren die Gegebenheiten der Welt, in der wir leben und deren Teil wir sind, und konstruieren unser Erleben. Da unser Denken strukturdeterminiert ist, handelt es sich um ein selbstbezügliches System, aus dem heraus wir es mangels einer hierfür zur Verfügung stehenden Metaebene nicht verstehen und verifizieren  können (Gödels Unvollständigkeitssätze).

c) Nach den Forschungsergebnissen der Quantenphysik ist die Unterscheidung zwischen Materie und Geist obsolet geworden. Im elementaren Bereich der Natur verschwimmen die Materieteilchen in Immaterielles, nämlich in Potentialität und Information. Elementarteilchen kommt in ihrer unbeobachteten sog. Superposition weder ein raumzeitlich wohldefiniertes Sein noch Nichtsein zu, lediglich eine ontologische Wahrscheinlichkeit. Als Messobjekt weisen sie je nach Beobachtung gegensätzliche Strukturen und Eigenschaften auf. Diese Gegensätze sind also komplementär.

 

Die moderne Physik führt uns notwendig zu Gott hin, nicht von ihm fort. Keiner der Erfinder des Atheismus war Naturwissenschaftler. Alle waren sie sehr mittelmäßige Philosophen.“ (Arthur Stanley Eddington,1882-1946, englischer Astronom)

 

Die komplementäre Quantenlogik aufgreifend schrieb Joseph Ratzinger, Papst Benedikt XVI in seinem Buch: „Einführung in das Christentum“:

 

„Der Jansenist  Saint-Cyran hat einmal das denkwürdige Wort gesagt, der Glaube bestehe in einer Reihe von Gegensätzen, welche durch die Gnade zusammengehalten werden. Er hatte damit im Bereich der Theologie eine Erkenntnis ausgesprochen, die heute in der Physik als  Gesetz der Komplementarität zum naturwissenschaftlichen Denken gehört. DemPhysiker wird heute zunehmend bewusst, dass wir die gegebenen Realitäten, etwa die Struktur des Lichts oder die der Materie überhaupt, nicht in einer Form von Experiment und so nicht in einer Form von Aussage umgreifen können, dass wir vielmehr von verschiedenen Seiten her je einen Aspekt zu Gesicht bekommen, den wir nicht auf den anderen zurückführen können. Beides zusammen – etwa die Struktur von Korpuskel und Welle – müssen wir, ohne ein Umgreifendes finden zu können, als Vorgriff auf das Ganze betrachten, das uns als Ganzes in seiner Einheit ob der Beschränkung unseres Blickpunktes nicht zugänglich ist. Was hier im physikalischen Bereich als Folge der Begrenzung unseres Sehvermögens zutrifft, gilt in noch ungleich höherem Maß von den geistigen Wirklichkeiten und von Gott. Auch hier können wir immer nur von einer Seite her hinschauen und so je einen bestimmten Aspekt erfassen, der dem anderen zu widersprechen scheint und der doch nur zusammengehalten mit ihm ein Verweis auf das Ganze ist, das wir nicht zu sagen und zu umgreifen vermögen.Nur im Umkreisen, im Sehen und Sagen von verschiedenen, scheinbar gegensätzlichen Aspekten her gelingt unsdas Hinüberweisen auf die Wahrheit, die uns doch nie in ihrer Gänze sichtbar wird.

Vielleicht wird uns hier der Denkansatz der heutigen Physik eine bessere Hilfe bieten, als die aristotelische Philosophie sie zu geben vermochte. Physik weiß heute, dass über die Struktur der Materie nur in Annäherungen von verschiedenen Ansätzen her gesprochen werden kann. Sie weiß, dass vom jeweiligen Standort des Betrachters das Ergebnis seiner Befragung der Natur abhängt. Warum sollten wir von hier aus nicht auch ganz neu verstehen können, dass wir in der Frage nach Gott nicht aristotelisch nach einem letzten Begriff suchen dürfen, der das Ganze um-greift, sondern gefasst sein müssen auf eine Mehrheit von Aspekten, die vom Standort des Beobachters abhängen und die wir nicht mehr letztlich zusammenschauen, sondern nur miteinander hinnehmen können, ohne das Letzte zur Aussage zu bringen? Wir begegnen hier der verborgenen Wechselwirkung von Glaube und modernem Denken.Dass die heutige Physik über das Gefüge der aristotelischenLogik hinausgehend in dieser Weise denkt, ist doch wohl auch schon Auswirkung der neuen Dimension, die die christliche Theologie eröffnet hat, ihres notwendigen Denkenmüssens in Komplementaritäten.

 

Noch auf zwei physikalische Denkhilfen möchte ich in diesem Zusammenhang kurz hinweisen. E. Schrödinger hat die Struktur der Materie als “Wellenpakete“ definiert und damit den Gedanken eines nicht substantiösen, sondern rein aktualen Seins gefasst, dessen scheinbare „Substantialität“  in Wahrheit allein aus dem Bewegungsgefüge sich überlagernder Wellen resultiert.... es bleibt ein erregendes Gleichnis für die actualitas divina, für das schlechthinige Akt-Sein Gottes, und dafür, dass das dichteste Sein-Gott-allein in einer Mehrheit von Beziehungen, die nicht Substanzen, sondern nichts als „Wellen“ sind, bestehen und darin ganz eines, ganz die Fülle des Seins bilden kann....diesen Gedanken,der sachlich bereits bei Augustinus formuliert ist, wenn er den Gedanken der reinen Akt-Existenz (des „Wellenpaketes“) entwickelt...

 

….noch der zweite Hinweis auf eine Verstehenshilfe von der Naturwissenschaft her: Wir wissen heute, dass im physikalischen Experiment der Beobachter selbst in das Experiment eingeht und nur so zu physikalischer Erfahrung kommen kann. Das bedeutet, dass es die reine Objektivität selbst in der Physik nicht gibt, dass auch hier der Ausgang eines Experiments, die Antwort der Natur, abhängt von der Frage, die an sie gerichtet wird. In der Antwort ist immer ein Stück der Frage und des Fragenden selbst anwesend, sie spiegelt nicht nur die Natur in ihrem In-sich-Sein, in ihrer reinen Objektivität, sondern gibt auch etwas vom Menschen, von unserem Eigenen wieder, ein Stück menschlichen Subjekts. Auch dies gilt entsprechend abgewandelt von der Gottesfrage wieder. Den bloßen Beschauer gibt es nicht. Die reine Objektivität gibt es nicht. Man wird sogar sagen können: Je höher ein Gegenstand menschlich steht, je mehr er ins Zentrum des Eigenen hineintrifft und das Eigene des Beschauers mitengagiert, desto weniger ist die bloße Distanziertheit der reinen Objektivität möglich. Wo immer sich also eine Antwort als leidenschaftslos objektiv gibt, als die Aussage, die endlich über die Voreingenommenheit der Frommen hinausgeht und bloß sachlichwissenschaftlich aufklärt, muss man sagen, dass hier der  Redende einem Selbstbetrug verfallen ist. Diese Art von Objektivität ist nun einmal dem Menschen versagt. Er kann gar nicht als bloßer Beschauer fragen und existieren. Wer versucht, bloßer Beschauer zu sein, erfährt nichts. Auch die Wirklichkeit „Gott“ kann nur in den Blick kommen für den, der in das Experiment mit Gott eintritt – in das Experiment, das wir Glaube nennen. Nur indem man eintritt, erfährt man; nur indem man das Experiment mitmacht, fragt man überhaupt, und nur wer fragt, erhält Antwort.“

 

6) Für den Atheisten beruht alles letztlich auf Zufall.

 

Das ist ein Denkfehler. Denn Zufall ist ja etwas Seiendes und setzt daher das Sein voraus, so dass er nicht für das Sein selbst gelten kann.

Zufall ist eine Erscheinung der Zeit, nämlich der zeitlichen Abfolge von Ursache und Wirkung (Kausalitätsprinzip). Unter Zufall versteht man eine Ursache (für das Folgegeschehen), der selbst keine Ursache zugrunde liegt. Als Beispiel sei der Quantensprung angeführt: Ein Elektron wechselt die Energiehülle um den Atomkern völlig zufällig– und daher nicht im Einzelfall, sondern lediglich statistisch vorausberechnenbar – und sendet dabei eine Strahlung aus (wobei der Wechsel instantan, das heißt ohne zeitliche Dauer erfolgt, so dass es sich gar nicht um einen „Sprung“ handelt).

 

Soweit der Atheismus den Zufall als erste Ursache von allem ansieht,unterscheidet er sich prinzipiell überhaupt nicht vom Gottesglauben.:

 

Auch dieser geht von einer ersten Ursache aus, nämlich von Gott.

Auch dieser unterliegt daher dem Denkfehler, dass dem Sein ( und Nichtsein) etwas Seiendes, nämlich eine Ursache, zugrunde liegen könne.

Auch der Gottesglaube hält die erste Ursache, Gott, für etwas Unbegreifliches, nicht weiter Reduzierbares, wie es der Zufall darstellt.

 

Die monotheistischen Religionen kennen den Zufall durchaus als göttliches Prinzip.

 

Denn im Alten Testament, im Buch der Weisheit, Kapitel 2, Vers2, wird die Schöpfung auf Zufall zurückgeführt. Auch nach der Schöpfungsgeschichte in der Genesis handelte Gott zufällig. Erst nach jedem Schöpfungsschritt beurteilte er diesen jeweils als gut.Das ist auch logisch, denn um dieses Urteil abgeben zu können,musste er ja erst einmal den Gegensatz von Gut und Schlecht, also die entsprechende Wertungsmöglichkeit, geschaffen haben,da ja wegen seiner Allmächtigkeit nichts vorgegeben sein konnte.


In der mittelalterlichen christlichen Mystik (Thomas vonAquin) wurde der Zufall sogar als Gottesbeweis herangezogen, obwohl ein beweisbarer Gott ja kein Gott wäre, da er dann nicht allmächtig wäre, sondern der Beweisbarkeit unterläge. Begründet wurde das mit der Unergründlichkeit, der Unerklärbarkeit des Zufalls. Denn auch Gott ist ja begriffsmäßig nichts anderes als das Unbegreifliche.

 

Das Letztprinzip des Zufalls folgt aus den heute nicht mehr bezweifelten und experimentell abgesicherten Ergebnissen der über 100 Jahre alten Quantenphysik (Zufallsprinzip: radioaktiver Zerfall, Quantensprünge), der noch viel älteren Evolutionstheorie (Genmutationen) und der Chaosforschung, die den Terminus des „Prognosehorizontes“ kennt.

 

Martin Luthers Übersetzung von 1 Mos 1 : „Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde“ stützt sich auf die griechische Übersetzung durch die Septuaginta. Diese ist durch Aristoteles beeinflusst, der ja alles auf einen „ersten Beweger“ zurückführte. Im hebräischen Originaltext heißt es aber: bereshit bara Elohim. Die wortgetreueste Übersetzung lautet:Aus dem Unvorstellbaren ( bereshit ) lassen die vereinigten Gegensätze ( Elohim) Himmel und Erde erscheinen ( bara ).

Der logischen Einsicht, dass die Schöpfung nicht der Anfang sein konnte, da ein solcher als Zeitpunkt die Zeit voraussetzt, die dann Gott unerschaffen vorgegeben gewesen wäre, soll die Übersetzung Rechnung tragen, wonach Gott nicht „am“ Anfang, sondern „im“ Anfang „schuf“, was ja auch als ein zeitlicher  Vorgang die Zeit voraussetzte). „Im Anfang“ soll ausdrücken, dass Gott die Zeit zugleich mit allem Anderen geschaffen habe. Die Schöpfung taucht dann – wie der Zufall – aus sich selbst heraus auf.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 



 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

     
     

     
     

 

 

 

 

 

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